Generation Weichei

IT-Nachwuchs taugt nicht für Führungsjobs

25.04.2011 von Alexandra Mesmer
IT-Absolventen sind weder besonders ehrgeizig noch belastbar, zeigt eine aktuelle Studie. Ein gutes Gehalt ist ihnen wichtiger als eine außergewöhnliche Aufgabe. Der IT-Nachwuchs hat sich verändert.

Auch wenn die Zahl der IT-Absolventen deutlich angestiegen ist, haben die Arbeitgeber nicht unbedingt eine bessere Auswahl. Immer weniger junge IT-Fachleute bringen die Fähigkeiten mit, die sie später in einer Chefrolle bräuchten. Den Schluss lässt eine Langzeitstudie der Eligo GmbH zu. Der Dienstleister, der psychologische Personalsoftware erstellt, hat seit 2003 fast 21.000 Absolventen nach Lebenszielen befragt und ihre Leistungspotenziale erfasst. Für die 2470 Teilnehmer aus IT und Technik ergab sich ein wenig schmeichelhaftes Bild.

Heinrich Wottowa, Eligo: "Immer weniger junge IT-Fachleute bringen die Fähigkeiten mit, die sie später in einer Chefrolle bräuchten."
Foto: Heinrich Wottowa, Eligo

"Führungspotenzial hat jemand, der mehr leisten will als andere, sich durchsetzen kann, sich nicht vor Misserfolgen fürchtet, gelassen bleibt, Stress aushält und nicht zu sehr nach sozialer Akzeptanz strebt. Will er zu sehr geliebt werden, leidet er unter Ablehnung und tut sich schwer, unangenehme Entscheidungen durchzusetzen", sagt Heinrich Wottawa, Eligo-Geschäftsführer und Psychologieprofessor an der Ruhr-Uni Bochum.

Der Wunsch, etwas Besonderes zu leisten und besser zu sein als andere, ist unter Informatikern deutlich geringer ausgeprägt als bei Betriebswirten. Nur 35 Prozent spornt eine außergewöhnliche Aufgabe an, über die sie sich profilieren können. Dazu passt, dass fast jeder zweite Informatiker von außen motiviert ist. Wottawa: "Arbeitgeber müssen bei der Personalsuche berücksichtigen, dass sie auch extrinsische Anreize setzen müssen." Die Mehrheit der ITler wolle vor allem gut bezahlt sein.

Bloß nichts falsch machen und Vorsicht bei Projekten, an denen man scheitern könnte. Diese Einstellung legen laut Eligo-Studie immer mehr Absolventen an den Tag. 48 Prozent der befragten Männer und 67 Prozent der befragten Frauen zeigen die Tendenz, um jeden Preis Misserfolge vermeiden zu wollen. Vor sieben Jahren waren das jeweils zehn Prozent weniger.

Quelle Teaserbild: Fotolia, Andreas F.

Fehlende Gelassenheit und Stressresistenz

Belastbarkeit ist eine Eigenschaft, die jede Führungskraft mitbringen sollte. Aber Technikabsolventen tun sich hier nicht besonders vor. 59 Prozent der Männer und nur 39 Prozent der Frauen bezeichnen sich als gelassen, in puncto Stressresistenz fielen die Werte von 51 auf 43 Prozent bei den Männern beziehungsweise von 46 auf 33 Prozent bei den Frauen. Damit ist der IT-Absolvent deutlich weniger belastbar als der durchschnittliche Akademiker.

Nur die wenigsten IT-Absolventen bezeichnen sich als gelassen und stressresistent.
Foto: Fotolia, Andreas F.

Aus einem solchem Ergebnis müssten auch die IT-Führungskräfte in den Firmen ihre Lehren ziehen, sagt Psychologe Wottawa: "Je weniger stressresistent und gelassen die jungen IT-Mitarbeiter sind, desto weniger lässt sich bei ihnen mit emotionalem Druck erreichen. Wenn etwas schiefläuft, sollte die Führungskraft nicht einfach unkontrolliert schimpfen, sondern erst überlegen, wie sie ihre Kritik vermittelt."

Hinderlich - Streben nach sozialer Akzeptanz

Was den Wunsch nach Anerkennung angeht, offenbaren sich deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Während zwei Drittel der Informatikerinnen nach sozialer Akzeptanz streben, blieb der Wert bei den Männern konstant bei 45 Prozent. Das könnte auch eine Erklärung sein, warum viele Frauen den Sprung in eine Führungsposition nicht schaffen: Als Chef macht man sich nicht nur Freunde.

Der IT-Nachwuchs schneidet auch bei den Soft Skills schlecht ab. Die Bereitschaft, die Probleme der anderen (etwa der Kunden) zu lösen, hat unter den IT-Männern deutlich nachgelassen. Auch Zuverlässigkeit steht nur noch bei 35 Prozent hoch im Kurs, kontaktfreudig sind nur noch 38 anstatt 44 Prozent. Demgegenüber blieb unter den IT-Absolventinnen die Bereitschaft, Probleme zu lösen, Kontakte zu knüpfen und die Zuverlässigkeit unverändert hoch - höher als bei den Männern. Die Teamorientierung hat bei beiden Geschlechtern nachgelassen.

Die Frage nach dem Warum beantwortet die Studie nicht. Wottawa gibt aber zu bedenken, dass mittlerweile zehn Jahre reichen, um von einer neuen Generation zu sprechen: "Manchem 35-Jährigen fällt es schwer, zu verstehen, dass die jungen Leute, die er einstellt, nicht mehr so ticken wie er." Die Arbeitgeber sollten versuchen, sich in den Nachwuchs hineinzuversetzen. Dazu gehört, dass Macht als Anreiz immer unwichtiger wird. Vor allem junge IT-Frauen legen darauf kaum Wert (33 Prozent), während Familie immer wichtiger wird (64 Prozent). Auch unter IT-Männern rangiert die Familie vor der Macht.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation Computerwoche . (cvi)