IT-Jobs machen krank

11.04.2006
Flexibles Arbeiten, Eigenverantwortung, weitgehend freie Zeiteinteilung - IT-Jobs sind der Traum vieler Nicht-ITler. Der Blick hinter die Kulissen zeigt: Widersprüchliche Anforderungen, überlange Arbeitszeiten und Leistungsdruck machen immer mehr IT-Spezialisten krank.

Häufige Symptome sind Müdigkeit, Nervosität, Schlafstörungen oder Magenschmerzen, bis hin zum Burnout-Syndrom. Zu diesen Erkenntnissen kommen Anja Gerlmaier und Erich Latniak vom Institut Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen in ihrem "IAT-Report". Über einen Zeitraum von durchschnittlich 16 Monaten untersuchten die beiden Wissenschaftler die Arbeitsabläufe in sieben Projektgruppen.

40 Prozent der Studienteilnehmer wiesen deutliche Anzeichen einer chronischen Erschöpfung auf. Etwa 30 Prozent hatten zudem Probleme, sich zu erholen.

Alle befragten Projektgruppen nannten beispielsweise immer neue Anforderungen und Änderungswünsche, während die Auslieferungstermine und Kostenlimits trotzdem eingehalten werden müssen, als wichtige Quelle von Zeitdruck und Zusatzaufwand. Auf der anderen Seite beklagten die Projektmitarbeiter das Fehlen von angemessenen Einflussmöglichkeiten auf die Priorisierung, Zeitplanung und Organisation der jeweiligen Aufgaben. Die Studienteilnehmer berichteten häufig, dass Vorschläge zur Entlastung und Optimierung von Projektprozessen vom Management mit dem Verweis auf mögliche Sanktionen des Kunden verwehrt wurden.

Hinzu kamen Einflüsse durch so genannte "kritische Ereignisse", wie zum Beispiel sich aufschaukelnde Konflikte mit Kunden, Vorgesetzten und Kollegen.

Kollegialität und Organisation bringen Entspannung

Wo schwarz ist, ist auch weiß. So beschrieben alle Projektgruppen insbesondere die Möglichkeit einer freien Einteilung der Arbeitszeit als positive Erscheinung. Auch bei einem Kollegen "Dampf abzulassen", tut der Arbeitsseele gut. Diese Situation könne sich nach Aussagen einiger Studienteilnehmer jedoch schnell ins Gegenteil verwandeln, wenn der angesprochene Mitarbeiter selbst unter starkem Produktionsdruck stehe.

Fünf der Projektteams zählen eine mitarbeiterorientierte Personaleinsatzplanung zu den positiven Bedingungen. Genauso wurden interessante, technisch anspruchsvolle Aufgaben sowie die Möglichkeit der Selbstverwirklichung bei der Arbeit von vielen Projektmitgliedern als Motivationsreiz angegeben.

Die Analysten des Instituts Arbeit und Technik ließen die Studienteilnehmer sogenannte Befindenstagebücher führen. Der Mittelwertvergleich zeigte, dass Projektmitarbeiter, die acht Wochen und länger hohe Anspannungswerte hatten, signifikant häufiger unter chronischer Erschöpfung litten als die Vergleichsgruppe mit niedrigeren Werten beziehungsweise mit zwischenzeitlichen Erholungsphasen.

Eine Stressphase über einen Zeitraum länger als acht Wochen kann demnach das Burnout-Risiko deutlich erhöhen. Burnout definieren die Wissenschaftler mit Gefühlen exzessiver Müdigkeit und Energielosigkeit, einer erhöhten Dünnhäutigkeit und Ungeduld in Belastungssituationen, Gleichgültigkeit und Zynismus.

Alles wird gut

Handlungs- und Entscheidungsspielräume genügen laut Aussage der IAT-Forscher nicht, um psychische Belastung zu verhindern. Es müssen auch angemessene Bewältigungsmöglichkeiten und Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, die bereits beim Vertragsabschluss mit dem Kunden definiert werden sollten. Operative Verhandlungsspielräume über Reisen der Projektmitarbeiter und damit deren Möglichkeit zur Arbeitsgestaltung und -planung sei ein Beispiel.

Zudem wirken regelmäßige Erholungsphasen bei der Arbeit und ein konsequentes Freihalten der Wochenenden deutlicher dem Stress entgegen als Angebote von Blockurlaubszeiten oder Sabbaticals.

Gefragt ist also das Management, das für diese Themen in vielen Fällen erst sensibilisiert werden muss. Hier weisen die Wissenschaftler auf Workshops zum Arbeits- und Erholungsmanagement hin oder auf im Kollegenkreis gemeinsam erarbeitete Strategien zur Erholung. (ComputerPartner/cvi)