IP-Pakete über Glasfaser schicken

19.05.2000
Mit "Dynamic Packet Transfer" (DPT) stellte Cisco ein Verfahren für den dynamischen Transport von Datenpaketen über optische Ringe vor. Es erlaubt über das "Spatial Reuse Protocol" (SRP) den direkten Zugriff auf Glasfaserringe. Neben Telekommunikationsanbietern wie Sprint testet auch das Deutsche Forschungsnetz diese Technik.

Von: Kai-Oliver Detken

Die meisten Glasfaser-Backbone-Netze basieren auf der Synchronen Digitalen Hierarchie (SDH), häufig in Verbindung mit ATM und der "Time Division Multiplexing"-Technik (TDM). Diese wird durch Sonet/SDH-Terminals und Add/Drop-Multiplexer (ADM) umgesetzt. Ein Vorteil von TDM-Ringen ist, dass der zweite Ring als Backup einspringt, wenn ein Knoten ausfällt oder ein Glasfaserkabel bricht. Von Nachteil ist, dass nur die Hälfte der möglichen Kapazität für den Datentransport zur Verfügung steht. Zwar kann der Netzbetreiber normalerweise auch den zweiten Ring als zusätzliches Transportmedium nutzen, muss diesen aber im Fall eines Fehlers freigeben. Dann gehen Pakete verloren und müssen erneut verschickt werden.

Beim Aufbau einer Verbindung über Sonet/SDH ist eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung zwischen zwei Geräten erforderlich. Im Bild oben rechts ist die Struktur einer Verbindung zwischen zwei Routern über den Sonet/SDH-Ring zu sehen. Der sendende Router schickt die Daten zum Sonet/SDH-ADM. Dieser fügt sie in den TDM-Zeitschlitz des Ringes ein ("add"), der empfangende ADM nimmt daraufhin die Daten vom Ring ("drop").

Folgende Nachteile von Sonet/SDH ergeben sich aus dem Einsatz von TDM:

- schlechte Anpassung der Bandbreiten,

- hohe Komplexität bei vielen Knoten durch Punkt-zu-Punkt-Verbindungen,

- keine Unterstützung von Multicast-Verkehr und

- Verschwendung von Kapazitäten durch den Backup-Ring.

Ein neue Lösung für datenorientierte Ringe bietet Cisco mit "Dynamic Packet Transport" (DPT). Bei diesem Verfahren werden die IP-Pakete über beide Ringe transportiert. Zu diesem Zweck wurde ein neues Protokoll für die "Media Access Control"-Schicht (MAC) definiert, das "Spatial Reuse Protocol" (SRP). Das Protokoll ist unabhängig von der Transportschicht und kann Infrastrukturen wie Dark Fiber, Wavelength-Division-Multiplexing-Kanäle (WDM) oder SDH-Pfade nutzen. Der DTP-Ring besteht aus zwei gegenläufigen Glasfasern, an die sich mehr als 50 Knoten anschließen lassen und deren Länge mehrere 100 Kilometer betragen kann. Jeder Ring wird für die Übermittlung von Nutz- und Kontrolldaten verwendet.

Ein DPT-Knoten sendet Pakete mit Nutzdaten in eine Richtung (upstream), und die korrespondierenden Kontrolldaten auf dem zweiten Ring in die andere (downstream). Jeder Knoten entscheidet selbständig, welche Daten er in welche Richtung schickt. Normalerweise gibt der Knoten die Nutzdaten auf die Strecke mit den wenigsten dazwischen liegenden Knoten. Dadurch wird die vorhandene Brandbreite optimal ausgenutzt. Außerdem lässt sich dank der separaten Signalisierung die Bandbreite flexibel anpassen und bei Ausfall einer Faser eine "Selbstheilung" initiieren. Mit Hilfe von statistischem Multiplexen ist es zudem möglich, die Bandbreite zu erhöhen. Dann stellen Überbuchungsmechanismen sicher, dass Burst-Daten auf flexible Weise gehandhabt werden.

Bessere Ausnutzung der Bandbreite

Ein wesentliches Merkmal von SRP ist, dass eine Strecke mehrfach genutzt werden kann (Spatial Reuse), weil jeder SRP-Knoten ein für ihn bestimmtes Paket nach dem Empfang sofort vom Ring entfernt (Destination Stripping). Ein verteiltes Bandbreitenmanagement, das auf dem SRP-Fairness-Algorithmus (SRP-FA) aufbaut, eliminiert Engpässe. Das Destination Stripping ist vor allem dann von Vorteil, wenn Verkehrsströme hauptsächlich zwischen bestimmten Routern fließen. Die Knoten, die nicht zwischen diesen Systemen liegen, werden dann nicht beansprucht.

Das Bild links zeigt eine Konstellation, in der durch die räumliche Mehrfachausnutzung die Bandbreite nahezu verdoppelt werden kann: Router 1 bis 3 und Router 4 bis 7 kommunizieren miteinander, aber zwischen den Routergruppen werden nur wenige Daten ausgetauscht. Je "lokaler" der Datenverkehr, desto höher ist der Bandbreitengewinn, der sich erzielen lässt. DPT ist von der Infrastruktur unabhängig. Aus diesem Grund kann der Netzbetreiber die vorhandenen SDH-Komponenten weiterhin nutzen, um dann später auf einen paketoptimierten Datentransport über Dark Fiber oder Wellenlängenmultiplexing (WDM) umzustellen.

Cisco hat in seine Technik einige Verfahren integriert, die speziell auf den Transport von IP-Paketen zugeschnitten sind. So stehen zwei Prioritätsklassen zur Auswahl, außerdem unterstützt DPT Multicasting-Verkehr, indem IP-Adressen auf Multicast-MAC-Adressen abgebildet werden (Mapping). Hinzu kommen Class-of-Service-Funktionen (CoS) von SRP, die dafür sorgen, dass die drei "Precedence Bits" des Type-of-Service-Feldes (TOS) in den SRP-Header übernommen werden. Die Ausfallsicherheit wurde mit Hilfe von "Intelligent Protection Switching" (IPS) realisiert. Dieses Verfahren stellt mittels spezieller Kontroll-Nachrichten sicher, dass alle angeschlossenen Knoten Informationen auf schnellstem Wege erhalten. IPS erlaubt neben dem Performance-Monitoring auch die Selbstheilung des Netzes. Die automatische Identifizierung der Topologie und weltweit eindeutige MAC-Adressen vereinfachen die Konfiguration der DPT-Ringe.

DPT/SRP erlaubt es dem Netzbetreiber, IP-Dienste quasi direkt auf die Glasfaser zu bringen, ohne die vorhandene Protokollvielfalt "mitzuschleppen". Ob diese Vereinfachung Sinn macht, bleibt allerdings fraglich, weil der Betreiber eine proprietäre Cisco-Umgebung aufbauen muss.

Der Trend geht bisher eher in Richtung Multi-Service-Netze mit vielen Protokollschichten, um den Anwendern möglichst viele Dienste anbieten zu können. Cisco entwickelte Dynamic Packet Transport speziell für den Transfer von IP-Daten, nicht für klassische Festverbindungen mit 2 oder 34 MBit/s oder Frame-Relay-Dienste. Die Technik richtet sich daher an Serviceprovider, die den Schwerpunkt auf IP-Mehrwertdienste legen, etwa schnellen Internet-Zugang, Breitbandverbindungen für Unternehmen, Video-Broadcasts oder Server-Hosting.

Einsatzfeld für DPT: das Deutsche Forschungsnetz

DPT ist eines der Verfahren, das beim Ausbau des Breitband-Wissenschaftsnetzes (B-Win) in Deutschland zum Zuge kommen soll. Das B-Win stellt gegenwärtig Anschlussbandbreiten von 34 bis 155 MBit/s bereit. Es soll zu einem Gigabit-Wissenschaftsnetz (G-Win) mit Anschlussraten von 622 MBit/s und mehr sowie einer Bandbreite im GBit/s-Bereich im Kernnetz ausgebaut werden. Um diese Bandbreiten zu erzielen, sind neue Techniken erforderlich. Dazu zählt WDM (Wellenlängen-Multiplexing) in Verbindung mit optischen Verstärkern und Cross-Connect-Switches. Mehrere Wellenlängen als Trägerwelle auf einer Glasfaser erlauben große Kapazitätserweiterungen pro Leitungsabschnitt. Auch die TDM-Technik bietet noch erhebliche Kapazitätsreserven. So ist beispielsweise ein Übertragungsverfahren für bis zu 40 GBit/s in Erprobung.

Um das Gigabit-Wissenschaftsnetz zu erproben, richtet der DFN-Verein mehrere Gigabit-Testbeds (GTB) ein, die über Leitungen mit bis zu 2,4 GBit/s verfügen. Ihre Grundlage bildet die Packet-over-Sonet-Technik von Cisco. G-Win besteht aus einem optischen Übertragungsnetz mit einem SDH/WDM-Dienst, das auch Zugriffe auf optische Kanäle (Wellenlängen) zulässt. Der Dienst steht an etwa 30 Kernnetzknoten zur Verfügung. Die Übertragungsraten der Zugangsleitungen entsprechen der internationalen SDH/PDH-Hierarchie und betragen 128 kBit/s, 2 MBit/s, 34 MBit/s, 155 MBit/s und 622 MBit/s. Neben dem Internet-Dienst, der über die Kundenrouter (KR) abgegeben wird, stellt der DFN-Verein auf Wunsch einen Punkt-zu-Punkt-Service mit frei wählbarer (schaltbarer) Bandbreite bereit. Dazu werden Zusatzgeräte (Multiplexer) installiert.

Im Gegensatz zum B-Win wird beim Gigabit-Wissenschaftsnetz der Internet-Dienst über SDH und nicht ATM bereitgestellt. Ob zusätzlich ein ATM-Service aufgebaut wird, hängt von der Nachfrage seitens der Anwender ab. Nötigenfalls lässt sich er sich relativ einfach in das Netz integrieren. Im G-Win gibt es außerdem keine Gemeinschaftsanschlüsse, das bedeutet, die Dienstleistung steht direkt in den jeweiligen Einrichtungen zur Verfügung. (re)

Zur Person

Kai-Oliver Detken

studierte an der Universität Bremen Informationstechnik. Heute ist er als Senior Consultant bei der WWL Internet AG tätig und leitet den Bereich WWL Network Bremen.