Internet of Things (IoT)

IoT - Hype oder Geschäftsmodell?

27.11.2015 von Dr. Peter Samulat
Welche Use-Cases für IoT gibt es, was ist der konkrete Nutzen? Wie sollen sich Unternehmen dieser Herausforderung stellen? Ein paar Antworten und Ideen dazu sollen an dieser Stelle vermittelt werden.

Das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) wird als einer der Treiber der Digitalisierung der Unternehmen gesehen. Und jeder möchte mitmachen, irgendwie. Analysten und Hard- und Softwarewarehersteller schmieden weltweite Allianzen. Und rufen zur Mitwirkung auf. Startups entwickeln in schneller Folge disruptive Geschäftsideen, die von etablierten Konzernen begeistert eingekauft werden, sich auf den zweiten Blick aber auch häufig als Spielzeuge ohne echte Marktrelevanz entpuppen.

Wo liegen aber die Besonderheiten dieser Entwicklung? Gibt es tatsächlich tragfähige Geschäftsmodelle, die den starken Fokus auf das IoT wirtschaftlich sinnvoll machen? Welche Use-Cases gibt es, was ist der konkrete Nutzen? Wie sollen sich Unternehmen dieser Herausforderung stellen? Ein paar Antworten und Ideen dazu sollen an dieser Stelle vermittelt werden.

Das Internet der Dinge

Das Internet der Dinge ist eine Kombination mehrerer Technologien: Sensorik, Cloud und Big Data. Ständig mit dem Internet verbundene Sensoren sammeln eine riesige Anzahl von Daten und speichern diese in der Cloud - um daraus - nach entsprechender Analyse - neue Ereignisse anzustoßen.

Smart Homes, Connected Cars, Wearables, Sensing as a Service oder die vielfältigen Facetten der "Industrie 4.0" sind dabei nur der Anfang schier unbegrenzter scheinender Möglichkeiten, wobei Unternehmen heute das Potenzial der Technologien jedoch nur selten ausschöpfen können. So fehlen Use-Cases oder gar profitable Geschäftsmodelle bzw. wurden (noch) nicht erkannt. Die Analysten sind sich an dieser Stelle aber einig: "Das Internet of Things schafft kreative Inseln für neue Geschäftsmodelle, die Kunden neue digitale Erlebnisse bieten". Wirklich?

Das Internet der Dinge verändert unsere eigenen vier Wände und die Kommunikation von Menschen und Maschinen. Küchenmaschinen sorgen sich heute um unser Wohl und das Auto reagiert häufig schneller und besser als jeder Mensch es könnte. Sehr aktiv ist die Versorgungswirtschaft mit ihren "Smart-Metering"-Initiativen, die Energieerzeugung und -verbrauch optimieren helfen.

Straßen erhalten Sensoren, die mit den darauf fahrenden Fahrzeugen kommunizieren und interagieren, um Muster im Verkehrsablauf zu erkennen. Was passiert mit diesen Daten? Werden diese wirklich nur zur nur Verkehrssteuerung verwendet, oder etwa auch an Versicherungsunternehmen verkauft - die auf dieser Basis mein Fahrverhalten analysieren? Oder mir etwas "Passendes" verkaufen wollen?

Man kann nur steuern, was man messen kann. Diese wirklich nicht neue Erkenntnis bekommt mit dem Internet der Dinge und mit dem Blick auf den Informationshunger von Gesundheitsvorsorge, Versicherungen und Shopsystemen eine neue Dimension: Viele Informationen, die das IoT liefern kann, waren so bisher schlichtweg nicht verfügbar und bieten - auf Basis der laufenden Aktualisierung und entsprechend leistungsfähiger Analysemethoden (Big Data) neue Möglichkeiten.

So sieht z.B. Cisco die fünf wichtigsten Wachstumsfaktoren für das Internet of Everything (wie es Gartner nennt) in den Bereichen der Ressourcennutzung und Kostensenkung, der Mitarbeiterproduktivität und erhöhter Arbeitseffizienz, der Lieferkette und Logistik (weniger Verschwendung), Kundenzufriedenheit und Kundenbindung sowie Innovation - und jeden einzelnen Faktor mit Potenzial von mehreren Billionen Dollar.

Wem gehören die erfassten Daten?

Eine zentrale Frage ist die des Eigentums. Jedes über das Internet verbundene Gerät produziert Daten. Doch wem gehören diese Daten? Nicht immer ist eine Abgrenzung möglich. Ein Beispiel aus der digitalen Transformation des Automobils (Quelle: www.car-it.com) macht es deutlich: "Über eine Onboard-Unit verlässt künftig ein stetiger Datenstrom das Fahrzeug. Die Blackbox sammelt fortlaufend Informationen aus Steuergeräten und Sensoren, aus Internetanwendungen und Apps. Sie meldet unter anderem Position, Temperatur, Tempo, Verbrauch et cetera und lässt mit dieser Fülle an Informationen auch Rückschlüsse auf das Verhalten des Fahrers zu.

Das Gegenstück ist - mindestens - ein Rechenzentrum, das gleichzeitig zehntausende Datenströme entgegennimmt, bündelt und auswertet. In den Rechenzentren arbeiten die Big-Data-Anwendungen an der Auswertung der Daten. Doch wem gehören diese Daten? Dem Hersteller? Dem Fahrer? Dem Provider?"

Zum einen findet sich an gleicher Stelle die Aussage "Es gibt kein zivilrechtliches Eigentum an Daten. Das ist (...) die zentrale Aussage und die große Lücke in unserer Rechtsordnung", zu anderen haben erst kürzlich die europäischen Datenschützer in einer Stellungnahme ihre Ansicht bekräftigt, dass auch bei intelligenten und vernetzten Geräten die Anforderungen an das geltende Datenschutzrecht uneingeschränkt gelten.

Es besteht also dringender Handlungsbedarf: Es fehlt Rechtssicherheit, die öffentliche Verwaltung ist gefordert.

Die öffentliche Verwaltung in der Pflicht: 10 Aufgabenstellungen im IoT-Umfeld.
Foto: www.gov.uk

Und es gibt bereits erste, vielbeachtete Ansätze dazu. So wurde im Dezember 2014 ein vielbeachteter Bericht mit dem Titel The Internet of Things: making the most of the Second Digital Revolution (vom UK Government Chief Scientific Adviser Sir Mark Walport) veröffentlicht, der eine Liste von 10 genau spezifizierten Aufgabenstellungen enthält, wie sie im Umfeld des IoT als relevant gesehen werden - und welche Aufgabenstellungen für die öffentliche Verwaltung daraus abzuleiten sind.

IoT und Big Data

Mit der steigenden Anzahl der ständig mit dem Internet verbundenen und Daten liefernden Sensoren entsteht eine riesige Menge an Daten: Big Data, die geradezu auf neue Analysefunktionen warten. So generiert jedes Triebwerk eines Boeing Verkehrsflugzeuges in 30 Minuten 30 TB Sensordaten. Hochgerechnet ergeben sich damit Daten im Pentabyte-Bereich - und dies Tag für Tag nur durch die kommerziellen Flüge in den USA.

Eine sehr weit verbreitete Darstellung des erwarteten Mengenwachstums stammt von Cisco, die auf Basis aktueller Mengen (Februar 2015) von etwa 14,8 Milliarden "verbundenen Dingen" für das Jahr 2020 etwa 50 Milliarden vorhersagen - und dies wären dann immer noch weniger als 3% der "Dinge" insgesamt:

Eine Prognose zum IoT-Mengenwachstum
Foto: Cisco

Auch diese - im Vergleich noch eher zurückhaltende Prognose - zeigt auf, wie hoch die Anforderungen aus IoT an BigData werden.

Big Data kann heute durch die vier "V" charakterisiert werden: Volume, Variety, Velocity und Veracity. Big Data ist es also immer dann, wenn wir von großen Mengen (Volume), einer Mischung aus strukturierten und unstrukturierten Daten (Variety), der schellen und kontinuierlichen Bereitstellung, oft in "Echtzeit" (Velocity) und unklarer Herkunft (Veracity) sprechen. IoT liefert BigData.

Unter der Überschrift "Self-organising technology" ist die Entwicklung (selbst-) lernender Softwaresysteme bereits weit fortgeschritten: Ähnlichkeiten in den Datenbeständen werden erkannt, bewertet und Handlungsoptionen abgeleitet. Vollautomatisch.

Embedded Systems: Die smarten Endpunkte des IoT

Wir sind bereits umgeben von sogenannten "eingebetteten Systemen", die insgesamt den sensorischen Kern des IoT bilden. Typische Einsatzbereiche sind:

  1. Avionik

  2. medizinische Geräte wie Herzschrittmacher

  3. Automobilelektronik (ABS, "break-by-wire", ...)

  4. Steuerungen öffentlicher Nahverkehrsmittel

  5. Smartphones

  6. Netbooks

  7. eReaders

  8. Digital TV

  9. Home Gateways

  10. Servers and Networking

Diese eingebetteten Systeme unterliegen meist Echtzeitanforderungen, sind häufig verteilte Systeme und werden oft in sicherheitskritischen Anwendungen benutzt. So überrascht es nicht, dass es für diese Einsatzszenarien hochspezialisierte Bausteine (Controller) gibt, die von Experten dieser Technik zu extrem leistungsfähigen und intelligenten "stand alone" Geräten weiterentwickelt werden. Ein Beispiel dazu sind die Mikrocontroller der ARM-Familie, wie sie u.a. in vielen Smartphones zu finden sind:

IoT-Mikroncontroller ATMEL SAM3S
Foto: ATMEL

Was ist hier das Besondere? Die "ARM Cortex-M"-Prozessoren sind für den Lizenznehmer als IP-Core in einer Hardwarebeschreibungssprache verfügbar und können mittels Logiksynthese als digitale Hardwareschaltung abgebildet werden. Es sind die "virtuellen" Bausteine, aus denen die eigentlichen Mikrocontroller mit ihren Schnittstellen per Software gebaut werden.

IoT für Jedermann?

Aktuell ist zu beobachten, dass der mobile Endanwender durch sein Nutzungsverhalten zum Treiber von Entwicklungen im IoT werden kann. Auf IoT basierende Dienstleistungsangebote werden vom mobilen Endanwender eher als hilfreiche Unterstützung gesehen und - idealerweise - nach Verfügbarkeit und Performance bezahlt, nicht mehr nach Zeit. Die Geschäftsmodelle der Vergangenheit passen hier regelmäßig nicht mehr. "Bring Your own Device" (BYOD), M2M (Machine-to-Machine Communication) und Self-Service stellen völlig neue Anforderungen an die IT in den Unternehmen, insbesondere an die Flexibilität, Innovationskraft und die Geschwindigkeit, mit der Veränderungen erfolgen können.

Anwender, egal ob Mitarbeiter oder Kunde, nehmen verstärkt Einfluss auf die Gestaltung von Informationssystemen. Erfahrungen aus dem privaten Umfeld prägen die Erwartungen an kommerzielle Angebote in erheblichem Umfang, insbesondere an die Gestaltung der Benutzeroberflächen.

Damit verbunden, und auch dies ist für Unternehmen eine wichtige Erkenntnis, ist der Trend zur Consumerization, der Umkehrung des historischen Flusses von IT-Innovation aus großen Organisationen in Richtung Endverbraucher."

IT-Organisationen können ihre Erfahrung an dieser Stelle fördernd einbringen, indem sie dieses Innovationspotential zum einen nicht behindern und auf der anderen Seite Methoden entwickeln, an dieses wertvolle Anwenderfeedback zu gelangen. Dies gilt insbesondere für das Internet der Dinge: Niemand muss sich teures Equipment kaufen, um mit dem IoT zu experimentieren. Mit Einplatinenrechnern wie dem Raspberry Pi oder dem Arduino stehen kostengünstige und leistungsfähige Entwicklungsplattformen für das IoT zur Verfügung.

Für unter 50 Euro gelingt so der Einstieg in dieses Thema: Der Anwender kann zum Entwickler werden, der seine eigene Spezifikation umsetzt. Am Bbeispiel einer schier unüberschaubaren Flut von Hausautomatisierungen (Smart Home) ist zu erkennen, mit welcher Wucht diese Consumerization bereits stattfindet.

ThingBox und SmartLiving: IoT-Projekte zum Selbermachen

Zwei Beispiele für Projekte, die diesen Trend unterstützen, sollen an dieser Stelle gezeigt werden:

IoT -Projekt ThingBox
Foto: http://thethingbox.io

Setzt die "ThingBox" (http://thethingbox.io/) eher auf eine einfache grafische Programmieroberfläche und damit auf den unerfahrenen Anwender, so fokussiert "SmartLiving" eher den Programmierer, der in das Thema IoT einseigen möchte.

IoT-Projekt SmartLiving
Foto: http://www.smartliving.io/docs

Beide Projekte setzen u.a. auf dem Raspberry Pi auf und stellen die für die Entwicklungsarbeit benötigte Software vollständig als Download zur Verfügung.

Warten ist keine Option

Für viele Unternehmen ist das Internet der Dinge eine Entwicklung "da draußen", die zwar beobachtet wird - mehr aber nicht. Das greift wesentlich zu kurz.: IoT wird neue Geschäftsmodelle ermöglichen und insbesondere auch die Voraussetzungen für eine Wettbewerbsdifferenzierung durch zusätzliche ("… as-a-Service"-) Angebote schaffen. Gerade hierfür müssen neue Technologien (IoT, Cloud, Big Data, …) eingesetzt und unternehmensübergreifende Prozesse angestoßen werden.

Dies soll von der Geschäftsleitung angestoßen werden: Die Unternehmens-IT kann eine "vernetzende" Rolle einnehmen und sich auf die wichtigen horizontalen Prozesse konzentrieren. Das Potenzial der Consumerization ist erheblich. Ein wesentlicher Baustein dafür wird es sein, die Wissenslücke in den Unternehmen bzw. den produzierenden Unternehmen in puncto Strategie und Überbrückung der Embedded- und (alten) IT-Welt zu erkennen und individuell zu beseitigen. (mb)