Intelligenz im Netz zahlt sich aus

06.09.2002
Mit herkömmlichen Diensten ist für Carrier und Serviceprovider kaum noch Geld zu verdienen. Deshalb müssen nicht nur neue Services her, wie etwa Sprache und Video über IP, sondern auch Verfahren, mit denen sich maßgeschneiderte Servicepakete schnüren lassen. Ohne "intelligente" Netzarchitektur ist das nicht zu schaffen.

Von: Andreas Wasserziehr

Die Betreiber von Telekommunikationsnetzen stecken in einem Dilemma: Um auf ihre Kosten zu kommen, müssen sie kundenspezifische Mehrwertdienste anbieten. Doch die gewachsene Netzinfrastruktur aufzurüsten, fällt schwer, weil häufig Teilnetze mit unterschiedlichen Techniken vorhanden sind, etwa ATM, Frame Relay, IP oder der Synchronen Digitalen Hierarchie (SDH). Einen Ausweg versprechen neue Verfahren wie

- Multi-Protocol Label Switching (MPLS) für den paket- und leitungsvermittelnden Datentransport,

- optische Übertragungsverfahren wie Dense Wavelength Division Multiplexing (DWDM) und optische Cross-Connects sowie

- integrierte Dienstplattformen.

Zudem sind unterschiedliche Zugangsverfahren zu berücksichtigen, etwa Mobilfunk, ISDN, Digital Subscriber Line (DSL) und Ethernet. Lucent Technologies hat ein Konzept entwickelt, das diese Techniken integriert - die "Service Intelligent Architecture". Sie gliedert das Netz in drei Ebenen: Network Transport, Service Control und Application. Jede ist mit eigener "Intelligenz" ausgestattet. Im Kernnetz steht die flexible Bereitstellung von Bandbreite im Vordergrund, auf der Service-Control-Ebene der Zugang zu den Netzwerkressourcen.

Glasfaser auf Network Transport Layer

Die Transportebene umfasst alles, was mit der physikalischen Übertragung von Nutz- und Signalisierungsdaten zu tun hat. Media Gateways binden herkömmliche Telefonnetze in IP-Strukturen ein. Im Backbone sowie in Regional- und Metronetzen dominieren optische Übertragungsverfahren, vor allem DWDM. Um diese Strecken zu verschalten, werden künftig nicht mehr mechanische Koppelfelder verwendet, sondern optische Cross-Connects. Diese softwaregesteuerten Systeme schalten die Verbindungen mithilfe von Routing-Protokollen aus der IP-Welt, die für optische Netze adaptiert wurden. Die Software steuert dabei matrixförmige, zweiachsig aufgehängte Präzisions-Miniaturspiegelfelder (Micro Electro Mechanical Switches).

Die Cross-Connects leiten zudem die Informationen über die Topologie des Netzes an die Knoten weiter und schalten bei Fehlern automatisch auf Ersatzwege um. Auf der darüber liegenden Ebene des Transportnetzes geht der Trend hin zur reinen Paketvermittlung. Die bislang eingesetzten zellvermittelnden ATM-Switches dienen künftig lediglich als Zubringer für Dienste mit Quality-of-Service-Anforderungen. Auf der Paketvermittlungsschicht in den Kernnetzen werden deshalb Systeme benötigt, die sowohl den "Best-Effort-Verkehr" von IP-Routern als auch ATM-Verkehr vermitteln.

Diese Aufgabe können Multiservice-Switches übernehmen, die auf MPLS zurückgreifen, wie etwa der TMX880. Der Switch nimmt den Verkehr unterschiedlicher Dienste auf, also IP, Frame Relay, ATM und Ethernet. Gleichzeitig agiert er als ATM/MPLS-Gateway: Er überträgt ATM-Verbindungen durch einen Tunnel über ein MPLS-Kernnetz oder wandelt sie in eine IP/MPLS-Verbindung um.

Die Service Intelligent Architecture trennt Steuerung und Überwachung der Netzelemente und Dienste von der Transportebene. Zentrale Elemente des Service Control Layer sind der Softswitch und der IP-Services-Switch. Dieser stellt die Ressourcen für Echtzeit-Anwendungen, etwa Sprache, und für die Datenapplikationen bereit. Der Service Control Layer ist quasi ein Verkehrsleitsystem, das den Zugang zur Transportebene steuert. Dazu signalisiert die Steuerung Verbindungen mit unterschiedlichen Profilen an die Transportebene.

Virtuelle Subnetze

Diese Profile (Policies) unterteilen die Transportebene in virtuelle Subnetze. Durch das Zusammenspiel von Service Control Layer und Transportebene lassen sich Netzressourcen sowohl für öffentliche Dienste also auch für Virtuelle Private Netze (VPN) nutzen. Der IP-Services-Switch stellt diese "Serviceintelligenz" bereit, indem er den Applikationen die nötige Bandbreite in der verabredeten Dienstgüte zuweist. Er übernimmt damit auch IP-Transport und Vermittlungsdienste.

Der Softswitch steuert Multimediaverbindungen im IP-Netz zwischen Endpunkten, die das Session Initiation Protocol (SIP) oder H.323 verwenden. Damit garantiert er das Zusammenwirken von leitungsvermittelnder und paketorientierter Übertragung. Die Netzbetreiber können somit neben den Funktionen des öffentlichen Telefonnetzes eine breite Palette IP-gestützter Kommunikationsanwendungen anbieten. Zu den typischen Funktionen des Softswitches zählen das Routing, der Verbindungsauf- und -abbau und das Umsetzen der Signalisierung.

Die Signalisierungsdaten werden in ein für IP-Netze verständliches Format übersetzt, wie es beispielsweise H.323 oder das Session Initiation Protocol definiert. Der Switch hält darüber hinaus Kontakt zum Server für Billing und Authentifizierung. Der Netzbetreiber ist so in der Lage, seinen Kunden den Zugang zu Diensten mit individuellen Quality-of-Service-Merkmalen anzubieten.

Bestandteil des Application Layer eines "intelligenten" Weitverkehrsnetzes sind Softwareplattformen, auf denen die Anwendungen laufen. Wichtig sind hier offene Schnittstellen zu den Signalisierungs- und Kontrollsystemen. Hier bietet es sich insbesondere an, die IN-Ebene (Intelligent Network) mit der für das Internet typischen Option zu "verheiraten", in kurzer Zeit neue Dienste zu entwickeln. Die offenen Application Programming Interfaces ermöglichen es beispielsweise Application-Serviceprovidern (ASP), kundenspezifische Lösungen aufzusetzen, ohne sich um Details der Transporteben kümmern zu müssen. (re)

Zur Person

Andreas Wasserziehr

ist bei der Lucent Technologies Network Systems GmbH als Network Solution Architect tätig.