Im Würgegriff der PC-Kosten

14.10.1998
Seit das Marktforschungsunternehmen Gartner Group die horrend hohen Gesamtkosten vernetzter PCs veröffentlicht hat, üben die IT-Manager immer mehr Druck auf die DV-Hersteller aus. Sie fordern insbesondere Lösungen, die die Kosten für die Endbenutzerunterstützung drastisch verringern. Das Augenmerk richtet sich derzeit vor allem auf das Netzwerk-Computing-Paradigma und die Zentralisierung der DV.

Von: Claudia E. Petrik

Die Rückkehr der zentralisierten Datenverarbeitung propagiert das britische Marktforschungsunternehmen Bloor Research Group in seiner Studie "The Enterprise by other Means - An Analysis of the Return to Centralised Computing and its Consequences". Der Urheber Robin Bloor ist der Ansicht, daß Network-Computing Client-Server-Computing ablösen wird. Die Rückbesinnung auf den Mainframe-Ansatz werde vorangetrieben von drei Faktoren:

Die Ausbreitung von "Thin Clients", die einem abgespeckten PC entsprechen und mit Netzwerkanschlüssen ausgestattet sind. Die zunehmende Verbreitung von Java. Die technische Weiterentwicklung von MPP-Hardware (Massive Parallel Processing). MPP-Rechner ermöglichen es, verschiedene zentrale Server durch ein System zu ersetzen.

"Die Rückkehr zur zentralisierten Datenverarbeitung ist ein heftiges Erdbeben", schreibt Bloor in der Studie, "das die IT-Landschaft verändern wird". In drastischen Worten schildert der Marktforscher die Auswirkungen auf die IT-Branche:

Der PC-Markt erlebt seinen Niedergang (durch Thin Clients). Thin Clients verdrängen PCs als Desktopgeräte in den Unternehmen. Java-fähige Browser ersetzen PC-Betriebssysteme. Die Softwareentwicklung wird auf Java basieren. Alle Anwendungen, auch die derzeit eingesetzten PC-Anwendungen, werden schließlich unter Java laufen. Anbieter, die vom PC-Markt abhängig sind, werden die größten Schwierigkeiten haben. Anbieter von Servern und Dienstleistungen werden am stärksten wachsen.

Die Marktforscher haben auch untersucht, wie sich diese Entwicklungen auf die Unternehmen auswirken werden. Einleuchtend ist die Aussage, daß die Bedeutung der Informationstechnik für die Wettbewerbsfähigkeit noch zunehmen wird. Auch der Trend zu Outsourcing soll sich verstärken. Bloor glaubt weiterhin, daß die Unternehmen sich künftig am Web orientieren werden. Daher auch sein Ratschlag, Firmen müßten ihre Geschäftstätigkeit überdenken in puncto Lokation, Büroräume, Vertrieb und Marketing, Distribution und Personal.

Stärken überwiegen

In ihrer Analyse kommen die Marktforscher zu dem Schluß, daß sich MPP-Systeme allmählich als Server durchsetzen werden und der Client abmagert. "Das Betriebssystem auf dem Client spielt keine große Rolle mehr", betont Bloor. Entscheidend für den Client sei einzig und allein, ob er die Internet-Protokolle verstehe und daß er eine Verarbeitungsumgebung für Java und Active X bereitstelle.

Sehr aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang auch die jüngste Untersuchung der Gartner Group zum Thema Network Computing. Das Marktforschungsunternehmen nahm die verschiedenen Ausprägungen dieser Thematik unter die Lupe. Ausgehend von den seit rund zehn Jahren verwendeten Modellen für die Gesamtkosten vernetzter PCs (Total Cost of Ownership, TCO) entwickelten Dave Cappuccio und seine Mitarbeiter eine Version, die LAN, PC und NC berücksichtigt. Dabei beschränkten sich die Analytiker auf drei verschiedene Ansätze: Netzwerk-Computer-Client (NC-C), Netzwerk-Computer-Server (NC-S) und Netzwerk-PC (Net-PC). Obwohl jede Lösung verschiedene Schwächen aufweist, überwiegen die gemeinsamen Stärken:

verbesserte Verwaltung, einfache Softwareverteilung und-lizenzierung, reduzierte Hardwarekosten, höherer Standardisierungsgrad, verringerte Endbenutzerunterstützung und zentralisiertes Management und Überwachung.

Diese drei Modelle (siehe Bild 1) verglich die Gartner Group mit einem vernetzten Standard-Windows-95-PC, der insgesamt 9785 Dollar pro Jahr kostet. Hierbei ist anzumerken, daß frühere TCO-Berechnungen höher lagen (13 187 Dollar per annum für einen Windows-PC). Der Grund dafür liegt darin, daß die Marktforscher Anfang 1996 erstmals die beiden getrennten TCO-Modelle für LAN und PC miteinander verschmolzen. Ein Vergleich beider Modelle hatte gezeigt, daß bestimmte Kosten redundant waren. Entsprechend wurde der Wert nach unten korrigiert und liegt heute bei 10 975 Dollar für einen vernetzten Windows-PC.

NC-C geschätzte Kostenersparnis: 39 Prozent

Die NC-C-Spezifikation geht zurück auf Oracle, IBM und Sun Microsystems. In seiner einfachsten Form ist dies ein Client, der ständig mit einem Netzwerk verbunden sein muß und von einem zentralen Server seine Anwendungen bezieht und ausführt.

Die grundlegende Schwäche beim NC-C ist die ständige Abhängigkeit vom Netzwerk. Auch sind bisher weder die Geräte noch die Anwendungen in ausreichendem Maße verfügbar. Sie sollen innerhalb der nächsten zwölf Monate auf den Markt kommen. Als Einsatzbereiche nennen die Gartner-Analysten Help-Desks und Call-Center oder Anwendungen einfachster Verarbeitungsnatur. Netzwerk-Computer seien aber kein Ersatz für 3270- oder 5250-Terminals.

NC-S erwartete Einsparung: 31 Prozent

Dieses Modell nutzt das von Citrix forcierte Übertragungsprotokoll ICA (Interconnect Console Architecture), um Windows-Anwendungen auf einem lokalen Server zu verarbeiten. Der Nachteil bei dieser Variante ist laut Gartner die Skalierbarkeit: Bei über 20 Benutzern wird der Server zum Flaschenhals. Außerdem rechnet Cappuccio mit Akzeptanzproblemen bei den Anwendern, die sich in ihrer Freiheit eingeschränkt fühlen könnten. Von Nutzen seien solche Desktops überall dort, wo standardisierte Büroautomationslösungen benötigt werden (Banken, Versicherungen, Schulen, Bibliotheken et cetera).

Net-PC Einsparpotential: 26 Prozent

Der von Intel und Microsoft vorgeschlagene Standard ist im Grunde eine Weiterentwicklung des PC. Er ist konzipiert ohne Disketten- und CD-ROM-Laufwerk, aber mit einer leistungsfähigen Festplatte, die als Cache für Anwendungen fungiert. Netzwerk- und Modemverbindungen sowie der Universal Serial Bus sind integriert. Wie bei den anderen Versionen ist auch hier die Eingriffsmöglichkeit des Benutzers stark eingeschränkt, um die Wartungs- und Supportkosten zu senken.

Die primäre Schwäche des Net-PC liegt Gartner zufolge darin, daß die IT-Manager damit auch weiterhin vom "Wintel"-Monopol dominiert werden. Außerdem sind die Hardwareanforderungen höher als bei NC-C und NC-S, was sich auf die Kosten auswirkt.

Wer das Rennen macht, wird sich zeigen. Die schiere Marktmacht von Intel und Microsoft sowie die Tatsache, daß der Migrationspfad beim Net-PC den Anwendern weniger erschreckend erscheinen mag als bei den Gegenspielern, sprechen für sich. Eine große Rolle spielt auch die Akzeptanz der Endanwender. Die IT-Manager stecken in dem Dilemma, daß zuviel Kontrolle den Widerstand der Anwender weckt, zuviel Freiheit aber die Kosten explodieren läßt. Bis aus den Hochglanzbroschüren und Marketingaussagen Produkte geworden sind, werden nach Meinung der Gartner Group sicher noch 12 bis 18 Monate vergehen. (cep)