Motivation aus eigener Arbeitskraft

Im Job wird Weiterbildung erwartet

08.09.2015 von Berhard Kuntz
Der technische Fortschritt sowie die Globalisierung setzen Unternehmen und Personal einem permanenten Veränderungsdruck aus - nicht ohne Auswirkung auf die Arbeit und Skills der Mitarbeiter. Sie müssen sich nämlich weitgehend selbständig um ihre Weiterbildung kümmern, um die Qualifikation für den Job aufrechtzuerhalten.

Was unterscheidet einen sehr guten Mitarbeiter von einem durchschnittlichen? Klar ist: Wer in seinem Beruf Spitze sein möchte, braucht das nötige Fachwissen. Doch Fachwissen allein genügt in der Regel nicht, um beruflich erfolgreich zu sein. "Berufstätige agieren nicht im luftleeren Raum", betont Professor Karl Müller-Siebers, Präsident der Fachhochschule für die Wirtschaft (FHDW) in Hannover. "Sie sind ein Teil einer Organisation." Also müssen sie mit anderen Menschen kooperieren und harmonieren. Und dies setzt ebenfalls gewisse Fähigkeiten voraus.

Doch welche? Das hängt auch von der Struktur der Betriebe und deren Arbeitsorganisation ab, erklärt der auf Management spezialisierte Berater Hans-Peter Machwürth aus Visselhövede. So waren zum Beispiel in den sehr hierarchisch strukturierten Betrieben, die bis vor knapp 20 Jahren die Unternehmenslandschaft prägten, primär die klassischen Sekundärtugenden - auch preußische Tugenden genannt - gefragt. Die Mitarbeiter sollten pünktlich und fleißig sein sowie gewissenhaft und zuverlässig ihre Aufgaben erfüllen. "Und ansonsten den Mund halten", lästert Machwürth.

Anforderungen ändern sich schneller

Jahrzehntelang funktionierte dieses System. Doch irgendwann kamen die Unternehmen laut Michael Schwartz, Management-Berater aus Esslingen, zur Erkenntnis: "Wenn wir uns weiter verbessern wollen, müssen wir die Arbeit neu strukturieren." Also begann vor rund 20 Jahren der Siegeszug der Team- und Projektarbeit. Das heißt, statt einzelnen Mitarbeitern Teilaufgaben zu übertragen, wurden nun an Mitarbeitergruppen ganze Aufgabenkomplexe delegiert.

Das wirkte sich auf die Anforderungen aus. "Teamfähig soll unser Mitarbeiter sein", lautete fortan eine Standardanforderung in Stellenanzeigen. Und zudem sollten sich die Neuen "kommunikativ" und "konfliktfähig" präsentieren. "Denn wenn mehrere Mitarbeiter gemeinsam eine Aufgabe erfüllen, besteht ein größerer Abstimmungsbedarf. Zudem gibt es mehr Reibungspunkte", erklärt Schwartz.

Entsprechend boomten Trainingsmaßnahmen für Team-, Projekt- Kommunikations- sowie Konfliktmanagement. Und heute? Heute ist die Team- und Projektarbeit in den meisten Unternehmen "gängige Praxis", betont Müller-Siebers. Dafür gewinnen neue Themen an Bedeutung. Denn aufgrund der Globalisierung und des rasanten technischen Fortschritts stehen die Unternehmen unter einem enormen Veränderungsdruck. Das heißt, dass die Mitarbeiter immer häufiger ihre Denk- und Verhaltensmuster veränderten Rahmenbedingungen anpassen müssen.

Mitarbeiter müssen Selbstentwickler werden

Hieraus resultiert ein immenser Lernbedarf - ein Bedarf, der "mit zentral organisierten Qualifizierungsmaßnahmen allein nicht mehr gedeckt werden kann", erklärt Werner Ollechowitz, Bereichsleiter Personal bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall. "Dafür ist der Lernbedarf zu individuell und zu verschieden." Also muss das Lernen ein Teil des Arbeitsalltags werden. Und die Mitarbeiter? Sie müssen ihre Entwicklung selbst in die Hand nehmen - unterstützt von ihren Vorgesetzten. Sie müssen sozusagen Selbstentwickler werden, um begehrte Arbeitskräfte zu bleiben.

Das setzt mehrere Fähigkeiten voraus. Die Mitarbeiter müssen lernen, eigene Lernprozesse zu organisieren; außerdem sich zum Lernen zu motivieren - auch wenn es mal nicht auf Anhieb klappt. Diese Fähigkeit zur Selbstmotivation wird in der modernen Arbeitswelt zu einer Schlüsselkompetenz. Davon ist Martin Baltes, Gruppenleiter Recruiting beim Dax-Konzern Merck in Darmstadt überzeugt. "Denn je eigenständiger und -verantwortlicher die Mitarbeiter arbeiten und je häufiger sie vor neuen Herausforderungen stehen, umso öfter geraten sie an den Punkt, dass sie zunächst das Gefühl haben: Das kann ich nicht." Dann wird von Arbeitnehmern, so Berater Machwürth, heute erwartet, dass sie nicht unmittelbar die Flinte ins Korn werfen, sondern sich fragen "Unter welchen Voraussetzungen könnte ich die Aufgabe doch lösen?" und einen Versuch wagen.

Kernkompetenz "Zuversicht und Gelassenheit"

Das setzt voraus, dass die Mitarbeiter die erforderliche Grundzuversicht "Irgendwie schaffe ich das schon" entwickeln, um "neue Aufgaben" beherzt anzugehen. Doch dies allein genügt laut Schwartz nicht: "Die Mitarbeiter müssen auch lernen, ihre Gedanken und ihr Verhalten zu steuern." Das heißt, sie dürfen bei neuen Herausforderungen zwar durchaus zunächst innerlich fluchen. Doch nach einiger Zeit sollten sie denken "Das gehört eben zu meinem Job" und sich zum Handeln durchringen.

Top-10-Faktoren der Jobmotivation
Top 10 Faktoren der Jobmotivation
Die Studie der ManpowerGroup hat die zehn wichtigsten Faktoren der Motivation im Arbeitsalltag identifiziert.
1. Gutes Arbeitsverhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten
Der menschliche Faktor zählt: 65 Prozent der Befragten sind motivierter im Job, wenn sie mit Kollegen und Chefs gut auskommen. 2014 waren es noch 77 Prozent.
2. Flexible Arbeitszeiten
Gleitzeit oder ein Arbeitszeitkonto bleiben wichtige Motivatoren, sind allerdings auf dem Rückzug. Nur jeden zweiten Arbeitnehmer (50 Prozent) spornt flexibles Kommen und Gehen an. Im Vorjahr war dies noch bei 67 Prozent der Fall.
3. Freundschaftliches Verhältnis zu Kollegen
Für 42 Prozent der Deutschen ist es wichtig, auch nach Feierabend den Kontakt zu anderen Kollegen zu pflegen und gemeinsam etwas zu unternehmen. Letztes Jahr war es 45 Prozent.
4. Kostenlose Getränke vom Arbeitgeber
Geringer Aufwand, große Wirkung: Für 33 Prozent Arbeitnehmer sind kostenlose Getränke am Arbeitsplatz motivierend für den Job – ein Prozent mehr als bei der Vorjahresbefragung.
5. Teamarbeit
33 Prozent der Arbeitnehmer haben mehr Spaß im Job, wenn sie häufig in Gruppen arbeiten. „Die Arbeitnehmer schätzen zwar den Kontakt zu ihren Kollegen – doch ständige Meetings und Arbeitsgruppen empfinden zwei Drittel eher lästig als motivierend“, sagt Herwarth Brune, Vorsitzender der Geschäftsführung der ManpowerGroup Deutschland.
6. Ansprechende Raumgestaltung
Die Büroatmosphäre hat auf ebenso wenig Befragte eine motivierende Wirkung. 32 Prozent arbeiten aus eigener Sicht produktiver, wenn die Optik im Büro stimmt. Das bedeutet drei Prozentpunkte Einbuße im Vergleich zum Vorjahr.
7. Betriebliche Gesundheitsförderung
Beratung durch den Betriebsarzt und vom Arbeitgeber bezahlte Präventionskurse sind gut für die Motivation. 31 Prozent der Mitarbeiter arbeiten befreiter, wenn sie wissen, dass ihr Unternehmen die Gesundheit der Angestellten fördert. 2014 waren es 38 Prozent.
8. Guter Kaffee
Augen auf beim Kaffeekauf: Für 28 Prozent der Mitarbeiter fördert die Qualität des Koffeingetränks die Motivation am Arbeitsplatz. Guter Kaffee rutscht damit in die Top 10 der Arbeitsmotivatoren und holt im Vergleich zu 2014 fünf Prozentpunkte auf.
9. Pflanzen im Büro
Grünpflanzen heben die Stimmung und sorgen für ein besseres Raumklima. Ein Prozent mehr als letztes Jahr, nämlich 27 Prozent der Befragten, können besser arbeiten, wenn Zimmerpflanzen im Büro stehen.
10. Motivation durch Büromöbel
Mit Investitionen in moderne Bürowelten können Arbeitgeber punkten: 25 Prozent der Arbeitnehmer lassen sich durch zeitgemäßes, ergonomisches Design motivieren – vier Prozent mehr als 2014.

Diese Fähigkeit, sich in eine positive, zuversichtliche Stimmung zu versetzen, fehlt vielen Arbeitnehmern noch - vermutet Schwartz. Die Folge: Sie verfallen bei neuen Herausforderungen oft in eine Art Schockstarre und fühlen sich schnell überfordert. Als Indiz hierfür verweist der Consultant auf die wachsende Zahl psychischer Erkrankungen. Seine Anregung: Die Betriebe sollten darüber nachdenken, inwieweit hier ein Zusammenhang besteht. Dann ließen sich auch Präventionsmaßnahmen organisieren.