Wo Mitarbeiter mitreden dürfen

Ihre Rechte beim Arbeitszeugnis

30.08.2009 von Bert Stach
Wer mit seinem Arbeitszeugnis unzufrieden ist, kann von dem Arbeitgeber eine Nachbesserung verlangen. Die jüngste Rechtssprechung räumt dem Arbeitnehmer bei seinem Zeugnis deutlich mehr Rechte ein.

Immer wieder sind Mitarbeiter erstaunt, wenn sie ihr Arbeitszeugnis in den Händen halten. Weder ihre Arbeitsleistung, noch ihr Aufgabengebiet ist richtig beschrieben. Die Tätigkeiten sind viel zu allgemein formuliert, Wichtiges gar vergessen. Manchmal finden sie auch sinnentstellte oder widersprüchliche Passagen in den Arbeitszeugnissen. Auch bei der länge der Zeugnisse gibt es mitunter eine Enttäuschung: Selbst langjährig angestellte Mitarbeiter werden mit Arbeitszeugnissen aus wenigen Sätzen abgespeist.

Das erstaunt umso mehr, als dass die bislang verfassten Urteile der Arbeitsgerichte in ihren Grundbotschaften übereinstimmend und unmissverständlich formuliert sind:

Ein Arbeitszeugnis ...

Auch die äußere Form muss korrekt sein und darf nicht im Widerspruch zum Inhalt stehen. Und: Die Tätigkeiten von Arbeitnehmern sind vollständig und genau zu beschreiben, sodass sich ein künftiger Arbeitgeber ein klares Bild machen kann.

Aufgrund dieses gesetzlichen Gebotes von "Zeugnisklarheit und Zeugniswahrheit" dürfen Zeugnisverfasser also nicht frei entscheiden, ob bestimmte Leistungen oder Eigenschaften im Arbeitszeugnis hervorgehoben werden oder nicht.

Wann Firmen das Zeugnis nachbessern müssen

Daher müssen sich die Gerichte immer wieder mit Klagen über ungenügend formulierte Arbeitszeugnisse beschäftigen. In seinem Urteil vom 12. August 2008 etwa musste sich das Bundesarbeitsgericht mit folgendem Problem auseinandersetzen: Ein angestellter Redakteur hatte zehn Jahre lang bei einer Tageszeitung gearbeitet. In seinem Abschlusszeugnis fehlte der übliche Hinweis auf seine Belastbarkeit in Stresssituationen.

Dazu die Richter: Ist es für Arbeitnehmer einer Branche oder einer Berufsgruppe üblich, bestimmte Eigenschaften oder Leistungen hervorzuheben, dann muss diesem Brauch auch im Zeugnis Rechnung getragen werden. Leistung wie Sozialverhalten des Arbeitnehmers seien bei wohlwollender Beurteilung zutreffend wiederzugeben.

Der weitere notwendige Zeugnisinhalt bestimme sich nach dem Zeugnisbrauch. Dieser kann nach Branchen und Berufsgruppen unterschiedlich sein. Fehlen hiernach übliche Formulierungen ohne sachliche Rechtfertigung, dann haben Beschäftigte Anspruch auf Ergänzung. Wird ein bestimmter Inhalt, den ein künftiger Arbeitgeber in einem Zeugnis erwartet, weggelassen, dann sei das ein unzulässiges Geheimzeichen. In diesem Fall hätte also die Belastbarkeit zwingend in das Zeugnis des Redakteurs gehört.

Was in IT-Zeugnissen alles stehen muss

Arbeitszeugnisse aus der IT-Branche dürften auf Grundlage dieses Urteils eine neue Qualität bekommen. Allein mehr als 100 verschiedene Berufe sind in der IT-Branche angesiedelt. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer konkreten Ausübung zusätzlich dadurch, in welchen Unternehmen und Bereichen jeweils gearbeitet wird. In der Regel wissen Arbeitnehmer dies sehr genau, ebenso kennen sie die Anforderungen ihres Jobs, des Unternehmens und der Branche.

Diese Quelle gilt es zu nutzen, denn es sollte künftig, ganz im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, noch intensiver darum gehen, die branchen- und berufsspezifischen Belange der IT-Branche in den Zeugnissen herauszustellen, um sie dann einer Bewertung durch die Arbeitgeber zu unterziehen. Gefragt sind also aussagefähige Zeugnisse, die das Profil von Arbeitnehmern genau darstellen und ihre Arbeitsleistung passgenau beurteilen. Das ist die Erwartungshaltung künftiger Arbeitgeber.

In der IT-Branche sind selbstverständlich zu allererst Fachkenntnisse gefragt, also die verwendete Software, die Tools und Entwicklungsumgebungen etc. Dies gehört ins Arbeitszeugnis und zwar möglichst detailliert. Zusätzlich dürfen folgende Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht fehlen: kreatives Potential, Flexibilität, Prozessorientierung, Zielorientierung, Markt- und Branchenkenntnis, Teamfähigkeit und Kommunikationsstärke, Fremdsprachenkenntnisse, zumindest Englisch, Betriebswirtschaftliches Know How, Kundenorientierung, Fehler- und Frustrationstoleranz, Denkvermögen, Kontaktfähigkeit, Lernbereitschaft, Organisationsfähigkeit, Selbstständige und systematische Arbeitsweise, Sorgfalt, Termintreue und Stressresistenz.

Dies sind die Eigenschaften und Fähigkeiten, die in IT-Arbeitszeugnissen zu bewerten sind, das erwarten künftige Arbeitgeber, das ist der "Branchenbrauch" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes. Fehlen Aussagen dazu, könnten damit geheime Botschaften verbunden sein und die sind in Arbeitszeugnissen verboten.

Checkliste zur Prüfung von Arbeitszeugnissen in der IT

Folgende Punkte sollten Sie bei Ihrem Arbeitszeugnis prüfen und gegebenenfalls nachbessern lassen:

  1. Ist das Zeugnis auf einem offiziellen Firmenbogen ausgestellt?

  2. Ist das Zeugnis in einem äußerlich einwandfreien Zustand (z.B. ohne Knicke) und hat es eine Überschrift (z.B. Zeugnis)?

  3. Sind die persönlichen Angaben korrekt?

  4. Ist die Dauer des Arbeitsverhältnisses genau benannt?

  5. Ist die berufliche Tätigkeit detailliert und genau beschrieben? Wurden die verwendete Software, die Tools und Entwicklungsumgebungen etc. beschrieben?

  6. Ist die fachliche und innerbetriebliche Entwicklung in chronologischer Reihenfolge dargestellt, einschließlich temporärer Veränderungen, wie z.B. befristete Projektleitungsfunktion?

  7. Sind durchgeführte berufliche Fortbildungsmaßnahmen aufgeführt?

  8. Entspricht das Zeugnis den Grundsätzen von Wahrheit und Wohlwollen und ist es damit geeignet, das weitere berufliche Fortkommen zu fördern?

  9. Wurden die Fachkenntnisse und die für die Tätigkeit erforderlichen Skills in der Leistungs- und Führungsbeurteilung berücksichtigt?

  10. Ist die Leistung anhand der Kriterien Arbeitsbereitschaft, Arbeitsbefähigung, Arbeitsweise und Arbeitserfolg umfassend beurteilt?

  11. Wurde das persönliche Führungsverhalten anhand der Kriterien Verantwortungsbereitschaft, Sozialverhalten, Beachtung von Vorschriften und ggf. Führungsqualitäten umfassend beurteilt?

  12. Wurden die berufs- und tätigkeitsspezifischen Leistungs- und Führungsmerkmale gewürdigt?

  13. Ist das Zeugnis insgesamt schlüssig formuliert und frei von Widersprüchen?

  14. Stimmt die abschließende Beurteilung mit den vorherigen einzelnen Aussagen überein?

  15. Hat das Zeugnis eine wohlwollende Schlussformulierung in der gute Zukunftswünsche ebenso enthalten sind wie der Dank für geleistete Dienste und das Bedauern über das Ausscheiden?

  16. Stimmen die Aussagen in der Abschlussfloskel mit denen im übrigen Zeugnistext überein.

  17. Ist deutlich, auf wessen Veranlassung das Arbeitsverhältnis beendet worden ist, und wenn ja - ist das so beabsichtigt?

  18. Stimmen Ausstellungsdatum und Ende des Arbeitsverhältnisses überein oder liegen sie wenigstens nah beieinander?

  19. Ist das Zeugnis frei von unzulässigen Zeichen, zweideutigen oder nicht erlaubten Formulierungen?

  20. Hat das Zeugnis einen für die betriebliche Position und Verweildauer angemessenen Umfang?

  21. Trägt das Zeugnis Datum und Unterschrift?

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation Computerwoche. (ala)