IDC: Schlechte Zeiten mit guten Seiten

16.01.2003 von ULI BANTLE 
Das Jahr 2003 wird laut IDC ein gutes Jahr für Linux und ein schlechtes für 64-Bit-Prozessoren. Bei der Software haben die Analysten fünf Bereiche ausgemacht, in denen sich trotz Krise Geld verdienen lässt.

"Wir erwarten eine Rückkehr zu steigenden Investitionen", urteilt John Gantz, oberster Marktforscher von IDC. Aber nur, um seine Aussage gleich wieder einzuschränken, denn die steigenden Umsätze betreffen nicht alle Sektoren der IT- und Telekommunikations-Branche gleichermaßen. Jedes Jahr gibt IDC seine Prognosen in Form von zehn Statements ab. Sieben davon treffen in der Regel zu, fragt sich nur welche.

Vorhergesagt hat IDC einen weltweiten Anstieg der Investitionen in IT und Telekommunikation auf über 1,9 Billionen US-Dollar. Davon profitiert unter anderem der Bereich Mid-Range-Server. Den Servern für mittlere Unternehmen prognostiziert IDC nach zweijähriger Durststrecke 2003 erstmals wieder ein positives Wachstum. Allerdings bringt dieses Wachstum die guten alten Zeiten nicht zurück. Der Markt werde nach wie vor um 20 Prozent unter dem Jahr 2000 bleiben.

Düster sind dagegen die Prognosen für 64-Bit-Computing. Systeme wie der Itanium von Intel müssen sich nach Meinung der Marktforscher noch einige Jahre mit Problemen herumschlagen. IDC führt das darauf zurück, dass es an kommerziellen Anwendungen für 64-Bit-Computing mangelt, was sich so schnell nicht ändern werde.

Prosit Neujahr! - Linux

Erfreulich sieht das neue Jahr dagegen für Linux aus. Das freie Betriebssystem werde vor allem auf Kosten von Unix reichlich Boden gut machen, lautet die Vorhersage. Besonders in Konkurrenz mit RISC-basierten Unix-Systemen sieht IDC Linux als klaren Sieger hervorgehen.

Fast euphorisch sind die Prognosen für WLAN-Technologie. IDC bescheinigt der drahtlosen Datenübertragung für 2003 ein Take-off. UMTS wird es nach Meinung der Marktforscher schwer haben, sich gegen diese Konkurrenz durchzusetzen.

Telekommunikations-Unternehmen prophezeit IDC ein sparsames Jahr. Die Ausgaben werden im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent zurückgehen, lautet die Vorhersage. Wachstumsmärkte und drahtlose Services seien davon nicht betroffen, im Gegenteil, in diesen Bereichen sei ein signifikanter Anstieg zu erwarten.

Zweischneidig sind die Aussichten für elektronische Nachrichten. 40 Milliarden E-Mails sieht IDC täglich durch die Netzwerke gehen. Ein Boom, der die Empfänger langsam, aber sicher am Arbeiten hindert.

Ebenso rasant sollen digitale Bilder ihren Siegeszug fortsetzen. IDC sieht die Zahl der digitalen Bilder diejenige übersteigen, die auf herkömmlichem Filmmaterial produziert wird. Dennoch werde die Industrie weiter am Film festhalten.

Der drohende Krieg im Irak hat die Marktforscher zu einer düsteren Prognose veranlasst, die da lautet, dass es eine Cyber-Attacke größeren Ausmaßes geben wird. IDC rechnet dadurch mit kurzfristigen Störungen der Ökonomie.

Da war doch noch ...

Im Fahrwasser der zehn Vorhersagen stellt IDC noch weitere Trends für das Jahr 2003 in Aussicht. So soll Grid-Computing zur neuen Hype-Technologie werden und damit die in den vergangenen Jahren von Microsoft, Sun und IBM vorangetriebenen Webservices von diesem Platz verdrängen.

Behaupten wird sich dagegen die Halbleiterindustrie, der im zweiten Halbjahr eine teilweise Erholung von der Krise versprochen wird. Vor allem die Standard Intel Architecture Server werden weiter zulegen, glauben die Marktforscher.

Das Thema Copyright dagegen wird das bleiben, was es seit Jahren ist, ein Streitthema. Auch im Jahr 2003 führen die Digital Media Right die Parteien deshalb wieder vor Gericht.

Prognosen sind am einfachsten an Zahlen zu überprüfen. IDC sieht die IT-Gesellschaft im Jahr 2003 an einigen Meilensteinen vorüberziehen. Am Ende des Jahres sollen weltweit über 600 Millionen PCs im Einsatz sein, und die Zahl der Mobiltelefone werde die 1,5 Milliarden-Grenze knacken.

700 Millionen Benutzer haben Ende 2003 einen Internet-Zugang, 80 Millionen davon per Breitbandanschluss. 250 Millionen Anwender können das Web mit mobilen Geräten ansteuern. Die Zahl der Mailpostfächer wird dank dieses Zuwachses die Milliarden-Grenze überschreiten.

Software für Millionen

Die Krise der Software-Industrie wird in absehbarer Zeit nicht mehr zu den - lange Jahre gewohnten - zweistelligen Zuwachsraten führen, glaubt Anthony Picardi, Senior Vice President Global Software von IDC. Das muss allerdings nicht für alle Bereiche gelten. Warum das so ist, sei leicht zu beantworten, so Picardi. In Zeiten, in denen gespart wird, boomen die Segmente, die sparen helfen. Märkte in diesem Bereich wachsen bis 2006 auf einen Umsatz von 57 Milliarden US-Dollar bei Wachstumsraten von bis zu 15 Prozent. Fünf Kategorien hat Picardi ausgemacht, die zu den Gewinnern gehören können.

Die erste Kategorie sieht Picardi im Informationsmanagement. Die Suche nach Daten und deren Integration und Wiederherstellung gehört zu einem Bereich, der immer wichtiger wird. Die Organisation der zunehmenden Datenflut trägt nach Meinung des Marktforschers zum Sparpotenzial eines Unternehmens bei. Software, die sich etwa mit Wiederherstellung, Migration, Verteilung und Weiterverwendung von Daten beschäftigt, sei deshalb auf der Siegerstraße.

Gute Chancen soll auch Kommunikations-Software haben. Bedarf sieht Picardi vor allem im Bereich mobile Geräte und Telefon-Services, die mit antiquierten und überfrachteten Interfaces kämpfen. Hersteller, denen es gelingt, Software zur Sprachsteuerung, für Übersetzungen und zur Spracheingabe zu entwickeln, könnten eine Schlüsseltechnologie anbieten, um bestehende Grenzen der Geräte zu überschreiten.

Ähnliche Chancen liegen im Management von Hardware und Netzwerken. Software, die eine Administration von immer komplexeren Netzwerken erleichtert, gehört dazu. Darin inbegriffen sind Webserver und die zunehmende Integration von mobiler Middleware. Aber auch die Verteilung von Daten über die Netze gehört zu den aussichtsreichen Software-Lösungen.

Das Thema Sicherheit sieht Picardi ebenfalls als Wachstumsmarkt. Der sichere Austausch von Informationen helfe Unternehmen dabei, die Reichweite zu vergrößern. Je kleiner die Barriere wird, sensitive, aber eben notwendige Daten auszutauschen, umso besser für das Unternehmen. Lösungen zu den Themen Secure Content Management, Intrusion Detection sowie die Absicherung gegen Viren und Sicherheitslücken gehören deshalb zu den Gewinnern.

Als weiteren Bereich nennt Picardi die Automatisierung und Integration. Das sich mit der Optimierung von Geschäftsprozessen Kosten sparen lassen, sei bekannt. Picardi sieht aber Chancen auch jenseits des reinen Workflows. Als Beispiele nennt er Echtzeitkonferenzen, Messaging und Teamwork. Spezielle Anwendungen zur Projektbetreuung, Bestandsaufnahme und vertikale Anwendungen für die Bereiche Service, Verkauf und Entwicklung könnten die Prozessoptimierung vorantreiben.

Fazit

Prognosen lassen sich erst im Nachhinein als zutreffend oder falsch bewerten. Als Indiz dafür, in welche Richtung Märkte sich entwickeln, tragen die IDC-Vorhersagen dennoch bei. Deutlich wird, dass die Themen Kosteneinsparung und Spezialisierung zu den wichtigen Faktoren gehören. Linux verdrängt Unix, weil es Hardware-seitig günstiger zu betreiben ist. Und Unternehmen mit bestehender IT-Infrastruktur wollen maßgeschneiderte und damit kleinere Lösungen zur Prozessoptimierung. Das trifft vor allem die Anbieter von großen, projektbasierten IT-Services.

Auch die Zeiten, in denen die Kopie einer bereits auf dem Markt befindlichen Lösung an die Börse und zu Reichtum führte, sind vorbei. Viele Unternehmen müssen nach den fetten Jahren nun nach Meinung der Analysten ihre Marktstrategien überprüfen, dann kann die Krise auch wieder zur Chance werden. (uba)