IBM steigt bei OpenOffice.org ein

11.09.2007
Nach Jahren der OpenOffice-Nutzung entschließt sich die IBM, aktiv zur Entwicklung der quelloffenen Büro-Suite beizutragen. Das Unternehmen spendet vorhandenen Code und beschäftigt 35 Programmierer, die zukünftig die Software um neue Funktionen erweitern sollen.

In der offiziellen Pressemitteilung kündigt die IBM ihren Beitritt zum OpenOffice.org-Projekt an und gab bekannt, dass sie sowohl vorhandene Erweiterungen für das Office-Paket stiften als auch die zukünftige Entwicklung unterstützen werde. Die Aussendung schwelgt in der üblichen Marketing-Euphorie und zitiert eine Reihe von Beteiligten, die sich begeistert über das Engagement der IBM äußern. Dabei geht dem endlich vollzogenen Beitritt von Big Blue zu OpenOffice eine lange Auseinandersetzung mit Sun voraus.

Die IBM nutzte die freien Office-Anwendungen seit Jahren in seiner mittlerweile eingestellten "Workplace"-Produktreihe und integrierte sie nun auch in Notes/Domino 8 – allerdings ohne den Namen OpenOffice zu verwenden. Die Rede war bis dato immer nur von den "Productivity Tools". Sun erboste an IBMs Vorgehen vor allem, dass die Armonker keinen Beitrag zur Entwicklung von OpenOffice leisteten und intern programmierte Erweiterungen nicht an das Projekt zurückgaben. Sun beschäftigt über hundert Programmierer für das Projekt, die vorwiegend am ehemaligen Firmensitz der übernommenen Star Division in Hamburg arbeiten.

Von neuen Funktionen abgeschnitten

Nach dem erfolglosen Drängen von Sun, dass sich die IBM an OpenOffice beteiligen möge, stellte das Projekt die Version 2.0 unter die restriktive GNU Public Licence (LGPL). Sie zwingt dazu, Erweiterungen von OpenOffice unter der gleichen Lizenz an das Projekt zurückzugeben. Die früheren Ausführungen unterlagen der relativ liberalen Sun Industry Standard Source License (SISSL), die IBMs Vorgehen erlaubte. Offiziell begründete Sun seine Maßnahme als Lizenzvereinfachung. Die meisten Beobachter gingen indes davon aus, dass sie sich gegen die IBM richtete.

Die in Lotus Notes 8 eingebetteten Productivity Tools beruhen auf einer alten Version von OpenOffice.

Big Blue verharrte seitdem auf der Codebasis von OpenOffice 1.x, die sie um eigene Komponenten erweiterte. Außerdem integrieren die Armonker das Büro-Paket in das Eclipse-Client-Framework, auf dem sowohl Workplace als auch Notes 8 beruhen. Simon Phipps von IBM sprach daher von einer IBM-spezifischen Abspaltung von OpenOffice. Das Unternehmen war aufgrund dieser Entscheidung allerdings von den Fortschritten des Open-Source-Projekts abgeschnitten, so dass es etwa die Dateifilter für das mit der Version 2.0 eingeführte Open Document Format (ODF) selbst entwickeln musste.

Mit dem überfälligen Beitritt der IBM zu OpenOffice erhält das freie Büropaket eine Reihe von Komponenten, die die IBM bisher für sich behalten hatte. Zu den bestehenden Funktionen, die Big Blue bisher nicht an OpenOffice weitergegeben hatte, zählen vor allem Eingabehilfen. Da im öffentlichen Sektor Software häufig nur dann angeschafft werden darf, wenn sie behindertengerecht ist, könnten die freien Büroanwendungen durch den Beitrag von IBM bei staatlichen Institutionen weiter an Boden gewinnen. Außerdem sollten laut FAQ zukünftig 35 IBM-Entwickler in China permanent zu OpenOffice beitragen.

Schlechte Nachrichten für Microsoft

Die Unterstützung von OpenOffice durch ein Schwergewicht wie die IBM dürfte der freien Software in der Konkurrenz mit Microsoft einigen Auftrieb verleihen. Dieser verdankt sich nicht nur den größeren Ressourcen, die dem Projekt nun zur Verfügung stehen, sondern auch dem Einfluss des Unternehmens bei IT-Anschaffungen vieler großer Anwender. Die Entscheidung kommt zu einem Zeitpunkt, da Microsoft mit seinen Standardisierungsbemühungen mit Office Open XML eine vorläufige Niederlage einstecken musste. IBM tat sich dabei als Gegner des Microsoft-Formats hervor und bezog klar Position für den ISO-Standard ODF. Die Pressemitteilung zitiert Mike Rhodin, General Manager für Lotus, der durch das OpenOffice-Engagement von IBM eine weitere Stärkung und Verbreitung des XML-Dateiformats erwartet.

Microsoft betrachtet zumindest offiziell OpenOffice als wenig bedrohliche Konkurrenz im unteren Segment. Um dort seinen Vormarsch aufzuhalten, konterten die Redmonder mit großen Preisnachlässen bei Office 2007 für private Anwender und der Vorinstallation von zeitlich beschränkten Demoversionen auf neuen Rechnern. Diese lassen sich unkompliziert in Vollversionen umwandeln. Außerdem soll die kommende Version 9 von MS Works durch eingeblendete Werbung finanziert werden und für Anwender lizenzkostenfrei bleiben.

Der Einstieg von IBM bei OpenOffice ist indes nicht die einzige schlechte Nachricht für Microsoft: Gleichzeitig kündigte Google eine Partnerschaft mit dem Dienstleister Capgemini an, der die webbasierenden Tools "Text & Tabellen" sowie "Google Mail" in die professionelle IT bringen soll. Erst vor drei Wochen hatte der Suchmaschinenbetreiber eine Vereinbarung mit Sun getroffen, die es ihm gestattet, das auf OpenOffice aufsetzende StarOffice kostenlos mit seinem "Google Pack" zu verteilen. (Computerwoche/hal)