Hundert Pinguine auf einem Rechner

20.09.2002
Serviceprovider und große Firmen konsolidieren ihre verteilten Server auf Mainframes, die mithilfe von "logischen Partitionen" gleichzeitig mehrere virtuelle Rechner starten können. Linux als Betriebssystem soll dabei ihren Etat entlasten.

Von: Dr. Klaus Plessner

Die Vorteile, die Linux auf dem Mainframe bietet, sind vielseitig: "Der Kunde bezahlt lediglich den Support und die Updates, nicht aber den Code selbst", sagt Wolfgang Bezold, Program Manager Linux zSeries bei IBM. Hinzu kommt, dass die Zahl der Open-Source-Spezialisten täglich wächst, während die Fachleute für OS/390 und zOS immer weniger werden. Nach einer Studie der Meta Group sind mehr als die Hälfte der Mainframe-Fachleute über 50 Jahre alt und nähern sich der Rente.

IBM hat vor knapp zwei Jahren die Mainframes der S/390-Linie zur Plattform für das Open-Source-Betriebssystem ausgebaut. Heute unterstützen auch die 64-Bit-Systeme der zSeries die freie Software. Dazu gehören die Rechner der "z900"-Suite und die im Frühjahr präsentierten "z800"-Maschinen, die ausschließlich mit Linux arbeiten.

Die 1- bis 4-Wege-Server der Linie "z800" dienen zur Konsolidierung von Unix-, Windows- und Linux-Anwendung und stellen dem Anwender laut IBM mehrere hundert Rechner zur Verfügung. Grundlage ist die Plattform für virtuelle Server "z/VM", eine für Mainframes entwickelte Software, die den Betrieb von Gastsystemen erlaubt.

Wie die "Logical Partitions" (LPAR) teilt z/VM die Mainframes der zSeries und den S/390-Server in mehrere eigenständige "virtuelle" Rechner auf. Während LPAR maximal 15 virtuelle Rechner zulässt, denen der Anwender in einem Profil einen oder mehrere Prozessoren und einen Teil des Hauptspeichers zuordnet, erlaubt z/VM Hunderte von Partitionen, weil die Software die Prozessoren nicht als Ganze vergibt, sondern in kleinere, virtuelle Prozessoren aufteilt.

Virtuelle Server

Bei beiden Techniken kommunizieren die virtuellen Server untereinander wie eigenständige Rechner im Netz. Im LPAR-Betrieb dient die Hardware-Schnittstelle "Hypersockets" für den schnellen Austausch von TCP-Paketen. Im z/VM-Modus ist es eine direkte Verbindung zwischen den virtuellen Hauptspeichern, die die Gastsysteme durch ein "Network in the Box" zusammenschaltet.

Mainframe-Anwender können ihre S/390- oder zSeries-Maschinen auf zweierlei Weise in Linux-Serverfarmen verwandeln. Entweder installieren sie die freie Software auf LPAR-Partitionen oder sie richten die Open-Source-Plattformen als Gäste eines z/VM-Systems ein.

Alle größeren Distributoren stellen eine 31-Bit-Version zur Verfügung, die auf S/390-Systemen läuft: Suse, Red Hat und Turbolinux. Alle S/390-Distributionen laufen im 31-Bit-Mode auch auf zSeries-Maschinen. Um die volle Kapazität der z-Rechner zu nutzen, benötigt man jedoch ein 64-Bit-Betriebssystem. IBM, Red Hat und Suse bieten so eine Linux-Variante für zSeries, die die 64-Bit-Architektur im Real-Mode und im Virtual-Mode unterstützt und die bisherige 2-GBit-Schranke des Hauptspeichers beseitigt. Erst dieser Kapazitätsgewinn machte es möglich, dass SAP den Application-Server auf Linux für Mainframes portierte. Die 64-Bit-Variante funktioniert jedoch ausschließlich auf zSeries-Mainframes und nicht mehr auf S/390-Modellen.

Maßgeschneiderte Lösungen

Ein weiterer Vorteil von Linux gegenüber den Mainframe-Betriebssystemen: Die freie Plattform ist modular und lässt Programmierer und Systemhäuser maßgeschneiderte Lösungen entwickeln. Das CPU-orientierte Preismodell der z/VM-Software soll zudem dazu beitragen, dass die Lizenzkosten beim Betrieb vielfacher virtueller Server nicht explodieren. Es sieht vor, dass der Kunde zu jedem von Linux-Anwendungen benutzten Prozessor eine einmalige Lizenzgebühr für die z/VM-Software entrichtet. Ältere Versionen von z/VM orientierten sich beim Preis an der gesamten Systemkapazität.

"Mit Linux auf dem Mainframe konsolidieren Kunden die Arbeitslast einer ganzen Sun- oder HP-Serverfarm auf einem Rechner", verspricht IBM, "und sparen dadurch Kosten für die Energieversorgung, das Personal und die Wartung." Dabei können sie zusätzliche virtuelle Server angeblich innerhalb von wenigen Minuten einrichten.

IBM hat auch das Softwareangebot für Mainframes auf Open-Source-Beine gestellt. So tragen Mitglieder der Web-sphere-Familie und DB2-Datenbanken genauso das Pinguin-Logo wie die Management-Tools der Tivoli-Serie.

Andere Softwarehäuser haben sich angeschlossen und bieten Produkte an. Computer Associates hat auf der Linux World Expo im August Management-Tools für Mainframes präsentiert. "Unicenter Software Delivery Service for Linux on the Mainframe" unterstützt den Administrator bei Updates und Patches von virtuellen Linux-Servern. Damit gewährleisten Anwender von hundertfach partitionierten Systemen, dass ihre Server stabil laufen, so CA. Der Preis des Tools richtet sich wie z/VM nach der Zahl der CPUs.

"BMC Software" will mit dem Monitoring-Tool "Patrol for Linux Enterprise Server" das Management von virtuellen Linux-Servern zentralisieren, Fehler im Betriebssystem aufspüren und die Performance kontrollieren. Das Werkzeug arbeitet mit Schwellenwerten für Perfor-mance-Kenngrößen und warnt den Administrator, wenn eine der Grenzen überschritten wird. Außerdem führt es auf Wunsch des Systemverwalters automatische Aktionen aus, um das System wieder in den Griff zu kriegen.

Strenge Kostenanalyse

Bei all der Euphorie um die Ersparnisse durch Linux gibt es auch eine warnende Stimme: Der US-Analyst Giga Group mahnt, dass die Planer die Kosten der Migration des Open-Source-Betriebssystem auf die IBM-Plattform nicht übersehen dürften. Wer Linux-Anwendungen auf einem Mainframe betreiben will, sollte berücksichtigen, wieviel er für professionellen Support und Wartungsdienste zahlen muss. Je nach Art der Anwendungen und Zahl der CPUs können der erforderliche Aufwand von 25 000 bis 30 000 Euro im Jahr ausmachen, sagte David Mastrobattista, ein Analyst bei Giga. Benötigt der Anwender die z/VM-Software, kommen weitere 45 000 Euro pro Prozessor hinzu sowie 11 000 Euro jährlich für den Kundendienst. Nicht zu vergessen seien Tools für das Management und das Feintuning der Plattform. Gleichzeitig räumt die Giga Group aber ein, dass die Akzeptanz von Linux bei Mainframe-Anwendern gegenwärtig zunehme.