Analyse von IDC

HP sorgt mit Strategiewechsel für Verunsicherung

22.08.2011
Hewlett Packard hinterlässt mit dem angekündigten Ende der webOS-Geräte sowie der geplanten Abstoßung des PC-Geschäfts mehr Fragen als Antworten. Kunden bleiben ratlos zurück. Wafa Moussavi-Amin, Geschäftsführer IDC Deutschland und Schweiz, kommentiert die Auswirkungen.

HP hat vor wenigen Tagen im PC-Markt für Aufregung gesorgt: Der Anbieter gab bekannt, dass er sich im Laufe der nächsten 12 bis 18 Monate nach strategischen Alternativen für seine Personal Systems Group (PSG) Sparte umsehen will. In Frage käme auch eine Ausgründung oder ein Verkauf. Außerdem will HP seine webOS Hardware aufgeben, auch den nicht einmal 60 Tage alten TouchPad, und nach Alternativen für das webOS Betriebssystem suchen. Beide Ankündigungen zusammen stehen für einen drastischen strategischen Kurswechsel bei HP. Man fühlt sich an den Verkauf der IBM PC-Sparte an Lenovo vor fast zehn Jahren erinnert.

Der Druck von Seiten der Wall Street und der Aktionäre zwang HP dazu, sich auf seine gewinnträchtigeren Sparten zu konzentrieren, und das notorisch margenschwache PC-Geschäft war hier eine besondere Zielscheibe, auch wenn es in den jüngsten Quartalsergebnissen 31 Prozent des HP-Gesamtumsatzes ausmachte. Doch durch HPs Ankündigung, PSG abstoßen zu wollen, und das ohne klare Pläne oder einen potenziellen Käufer, läuft nun der Countdown für rentable PC-Geschäfte und der Wert sinkt. Trotz anderslautender Aussagen von HP haben diese Bekanntmachungen laut Meinung von IDC den sowieso schon geringen Marktchancen von webOS als mobiles Betriebssystem den Garaus gemacht.

HP muss sich jetzt mit dem Verkauf beziehungsweise der Ausgründung der PSG-Sparte beeilen. Die Meldung wird zweifellos die besten PSG-Mitarbeiter zum Abwandern bewegen. Genau diese Sparte machte HP zum PC-Hersteller Nummer Eins weltweit. In drei Monaten sieht PSG wohl ein wenig anders aus als heute. In 18 Monaten ist PSG als Organisation wahrscheinlich nicht mehr wiederzuerkennen.

Unternehmen wollen langfristige Verfügbarkeit

Solange PSG noch seine Optionen abwägt, muss HP hart daran arbeiten, mit Hilfe seiner Technology Services auch in Zukunft für Wachstum im Unternehmens-PC-Geschäft zu sorgen. In letzter Zeit stand dieses Segment gut da, jedoch könnte das Announcement bei den Kunden erhebliche Verunsicherung auslösen. Preisbewusste Kunden kaufen auch weiterhin ihre PCs zum günstigsten Preis im Laden, doch bei den Unternehmenskunden sieht das anders aus.

Schafft es HP nicht, hier schnell eine Lösung zu finden, werden Großunternehmen, die von ihren Lieferanten klare Produkt-Roadmaps, ein stabiles Image und eine garantierte langfristige Verfügbarkeit für die Geräte fordern, zweifellos der HP-Konkurrenz den Vorzug geben. Eben diese Konkurrenten werden sich jetzt wohl rüsten und aggressiv um das HP-Geschäft kämpfen. Mit seinen Technology Services kann HP den Support für diese Produkte auch lange nach einem etwaigen Deal sicherstellen. Zudem steht (wie es auch bei dem Lenovo-Deal der Fall war) zu erwarten, dass HP über eine langfristige Reseller-Vereinbarung HP PCs auch nach einer eventuellen Ausgründung weiterhin verkaufen kann.

In Punkto Konkurrenz ist anzumerken, dass auf den ersten Blick die HP-Ankündigung für webOS eine Chance darzustellen schien. Wenn die webOS-Hardwareprodukte eingestellt werden, könnte das Betriebssystem ja potenziell als Lizenz vergeben werden. Anbieter wie HTC, LG und Samsung werden (nachdem Google ja Motorola Mobility aufkaufen will) sich nach Android-Alternativen umsehen, und da hätte HP als Lizenzgeber für das Betriebssystem auftreten können. Doch HP hat webOS sozusagen erst einmal aufs Abstellgleis geschoben, bis über die Zukunft von PSG entschieden ist, und dem Betriebssystem damit den Todesstoß versetzt.

In einem Markt, in dem das iOS von Apple und Android von Google bereits einen nicht mehr aufzuholenden Vorsprung haben und schnelle Veränderungen und Weiterentwicklungen an der Tagesordnung sind, wartet niemand auf webOS. Zudem sollte man bedenken, dass die jüngsten Ankündigungen (nicht nur von HP, sondern auch die geplante Akquisition von Motorola Mobility durch Google) Microsoft längerfristig im gesamten Computing- und Mobilitätsmarkt (nicht zu vergessen HTML5) eine sehr viel attraktivere Position verschaffen.

Samsung oder Lenovo als Käufer

Nach Meinung der IDC-Experten warfen die beiden Ankündigungen, anstatt Antworten zu geben, noch mehr Fragen auf. Wenn demnächst weitere Einzelheiten bekannt gegeben werden, wird sich auch zeigen, wie relevant diese Bekanntmachungen sind. Ganz sicher wird der ein oder andere Anbieter - insbesondere Samsung und Lenovo - den Kauf von PSG in Erwägung ziehen, um selbst die Führungsrolle im weltweiten PC-Markt zu übernehmen. Das wäre in jedem Fall ein Riesending, egal wer nun letztendlich der Käufer ist. Beide Hersteller verfolgen aggressive Wachstumspläne und wenn diese umgesetzt werden, dann werden die Karten in der gesamten PC-Welt wohl neu gemischt.

HP-Chef Leo Apotheker sagte in der Fragerunde natürlich, dass HP PSG vielleicht auch nicht verkauft. Wenn das der Fall wäre, hat HP mit seinem Versuch, die Wall Street zu beruhigen, der PSG-Sparte wohl ernsthaften Schaden zugefügt und ihre zukünftige Rentabilität damit aufs Spiel gesetzt. (cvi)