Interview mit Rechtsanwalt Hans-Georg Herrmann

"Home Office geht nur mit Vertrauensvorschuss"

19.01.2015 von Christian Töpfer
Das Arbeiten von zu Hause ist heutzutage gang und gäbe – auch bei Angestellten. Damit Arbeitgeber und Arbeitnehmer hier Rechtssicherheit haben, bedarf es Regelungen und Informationen juristischer Art. Rechtsanwalt Hans-Georg Herrmann klärt auf.

Gibt es einen gesetzlichen Anspruch eines Arbeitnehmers auf Home Office, sofern die technischen Möglichkeiten vorhanden sind?

Hans-Georg Herrmann: Eine gesetzliche Regelung existiert nicht. Allenfalls können sich entsprechende Regelungen aus einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung ergeben. Meist ist dort aber nur geregelt, dass die Möglichkeit besteht, Mitarbeiter an Home-Office-Arbeitsplätzen einzusetzen, ohne dass damit ein eigener Anspruch des Mitarbeiters begründet wird.

Hans-Georg Herrmann, Inhaber der Kanzlei Dr. Thalhofer, Herrmann & Kollegen in Saarbrücken (www.rechtsanwaltspraxis.com): "Auch im Home Office muss der Arbeitgeber für die Einhaltung der Regeln des Arbeitsschutzes, der Arbeitssicherheit und des Datenschutzes sorgen."
Foto: Hans-Georg Herrmann

Wenn der Arbeitgeber das Arbeiten von zu Hause aus erlaubt: Welche Regelungen sollten festgehalten werden?

Herrmann: Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten entweder im Arbeitsvertrag oder in einem Anhang eine Reihe von Vereinbarungen getroffen werden. Der Arbeitgeber muss sich vergegenwärtigen, dass auch im Home Office die Regeln des Arbeitsschutzes, der Arbeitssicherheit und des Datenschutzes einzuhalten sind. Er muss auch die Möglichkeit haben, die Einhaltung der Vorgaben vor Ort zu überprüfen. Das bedeutet, er sollte in jedem Fall mit dem Arbeitnehmer ein Zutrittsrecht zu dem Home Office sowohl für sich als auch für von ihm beauftragte Personen wie zum Beispiel den Betriebsarzt, die Fachkraft für Arbeitssicherheit oder den Datenschutzbeauftragten vereinbaren.

Und wie sieht es mit der Arbeitszeit aus?

Herrmann: Auch wenn Home-Office-Arbeitsplätze häufig eingerichtet werden, um die Flexibilität der Arbeitszeiten zu erhöhen und dem Mitarbeiter große Spielräume einzuräumen, ist das Arbeitszeitgesetz einzuhalten. Dieses sieht zum Beispiel vor, dass spätestens nach sechs Stunden Arbeitszeit eine Pause von 30 Minuten einzulegen ist. Es sieht auch vor, dass nach der täglichen Arbeitszeit eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden folgen muss.

Dann wird die Flexibilität aber schon wieder etwas eingeschränkt.

Herrmann: Ja, aber wenn der Mitarbeiter zum Beispiel seine tägliche Arbeitstagzeit an einem Tag um 23 Uhr beendet, muss der Arbeitgeber sicherstellen, dass der Mitarbeiter nicht, weil er zum Beispiel Frühaufsteher ist, bereits um 5 Uhr des Folgetages wieder seine Arbeit aufnimmt, sondern die elf Stunden Ruhezeit einhält. Der Arbeitgeber hat auch sicherzustellen, dass an Sonn- und Feiertagen nicht gearbeitet wird. Wenn er vermeiden möchte, dass die Sonderregelungen, die für Nachtarbeit gelten, Anwendung finden, muss er darauf achten, dass der Mitarbeiter nicht zwischen 23 Uhr und 6 Uhr mehr als zwei Stunden arbeitet. Insofern sollte vertraglich ein zeitliches Fenster vereinbart werden, in dem die tägliche Arbeitszeit zu erbringen ist, des Weiteren sollten Pausenregelungen getroffen werden. Ebenso sind Regelungen zur Erreichbarkeit sinnvoll. Die Mitspracherechte des Betriebsrates gelten auch für jeden Home-Office-Arbeitsplatz.

Home Office und die Kontrolle

Wie kann/darf der Arbeitgeber kontrollieren, ob der Arbeitnehmer im Home Office tatsächlich arbeitet bzw. die vereinbarte Arbeitszeit einhält?

Herrmann: Eine Kontrolle ist nur eingeschränkt möglich. Aber auch wenn ein Mitarbeiter im Betriebsgebäude des Arbeitgebers sitzt, hat letzterer nur eine eingeschränkte Möglichkeit zu überprüfen, ob hier gerade die Zeit abgesessen oder tatsächlich gearbeitet wird. Am ehesten lässt sich noch überprüfen, ob der Mitarbeiter tatsächlich arbeitet, wenn dessen Arbeitsleistung in Echtzeit per Standleitung in den Betrieb übertragen wird. Dies dürfte aber nur in einer überschaubaren Anzahl an Home-Arbeitsplätzen der Fall sein. Ansonsten sollte der Mitarbeiter angehalten werden, Beginn und Ende seiner Arbeitszeiten, Pausen und sonstige Unterbrechungen zu dokumentieren. Es kann auch vereinbart werden, dass der Home-Office-Mitarbeiter sich jeweils an- und abzumelden hat. Zumindest stichprobenartige Kontrollen des Arbeitgebers hierzu sind zulässig. Klar ist, dass der Arbeitgeber hier dem Mitarbeiter einen Vertrauensvorschuss entgegenbringt.

Wenn nur sporadisch von zu Hause gearbeitet wird, reicht dann eine mündliche Vereinbarung? Und muss stets die Personalabteilung darüber informiert werden oder reicht es, wenn der direkte Vorgesetzte Bescheid weiß?

Herrmann: Die Fälle, in denen ein Arbeitnehmer zum Beispiel wegen eines Schneechaos oder wegen eines Streiks der öffentlichen Verkehrsbetriebe zu Hause bleibt und von zu Hause aus arbeitet, fallen nicht unter den klassischen Fall des Home-Office-Arbeitsplatzes. Sofern im Einzelfall vereinbart wird, dass von zu Hause aus gearbeitet wird, sollte die Personalabteilung hierüber in jedem Falle informiert sein. Darüber hinaus sollte eine entsprechende Vereinbarung auch unter Versicherungsgesichtspunkten schriftlich dokumentiert sein. Fälle alternierender Heim- oder Telearbeit, also solche Fälle, in denen ein Teil der Arbeitszeit in einem Home-Office geleistet wird, ein anderer Teil im Betrieb des Unternehmens selbst, sollten in jedem Falle vertraglich ausgestaltet werden und Inhalt und Umfang, in dem die Heimarbeit erbracht wird, definiert werden.

Home Office: Widerruf, Gleichbehandlung, Kosten, Rechtsstreit

Was kann dazu führen, dass der Arbeitgeber die geduldete und vereinbarte Arbeit im Home Office widerruft?

Herrmann: Ohne eine ausdrückliche vertragliche Regelung ist der Widerruf einseitig durch den Arbeitgeber nicht möglich. Es bedarf vielmehr insoweit der Änderungskündigung.

Gibt es so etwas wie ein Recht auf Gleichbehandlung? Oder darf der Arbeitgeber manchen Mitarbeitern Home Office erlauben und manchen nicht?

Herrmann: Sofern der Arbeitgeber Mitarbeitern die Erbringung der Arbeitsleistung in einem Home Office gestattet hat, lässt sich daraus kein Anspruch für andere Mitarbeiter ableiten. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung besteht insoweit nicht.

Wie sieht es mit den Kosten für Strom, Heizung oder Telefon aus, die ein Mitarbeiter im Home Office zu tragen hat? Hat der Mitarbeiter Anrecht darauf, dass sie ihm (anteilig) vom Arbeitgeber erstattet werden?

Herrmann: Dem Mitarbeiter kann ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 670 BGB zustehen. Häufig finden sich vertragliche Vereinbarungen, nach denen der Arbeitgeber zur Abdeckung der Kosten für Strom, Heizung, Telefon etc. einen Pauschalbetrag an den Arbeitnehmer zahlt. In diesen Fällen sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedoch in jedem Falle wegen der sich hieraus ergebenden steuerlichen Problematik eine steuerliche Beratung in Anspruch nehmen.

Rechtsanwalt Hans-Georg Herrmann: "Ein Anspruch auf Gleichbehandlung aller Mitarbeiter besteht bei Home Office nicht."
Foto: Hans-Georg Herrmann

Welchen Inhalt haben die häufigsten Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Zusammenhang mit Home Office? Können Sie ein paar Beispiele aus der Praxis nennen?

Herrmann: Prozessträchtig sind Situationen, in denen der Arbeitnehmer am oder im Umfeld seines Home Office einen Unfall erleidet. Grundsätzlich gilt, dass der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung auch bei der Arbeit im Home Office gegeben ist. Versichert ist dabei alles, was im sachlichen Zusammenhang zur Arbeit steht.

Der Versicherungsschutz besteht jedoch nicht bei einer Unterbrechung für private Erledigungen. So ist hier der Fall eines Bankmitarbeiters zu nennen, der seine Tätigkeit von einem Home Arbeitsplatz aus erledigte, ohne dass dort ein Publikumsverkehr vorgesehen war. Als es an der Tür läutete, begab sich der Mitarbeiter an die Haustür und öffnete diese. Dort standen zwei Männer, die ihm aus Gründen, die mit seiner beruflichen Tätigkeit nichts zu tun hatten, ins Knie schossen. Die Berufsgenossenschaft lehnte eine Deckung ab, zu Recht, wie das zuständige Gericht meinte.

Während der Mitarbeiter, der im Büro im Betriebsgebäude seines Arbeitgebers an seinem Arbeitsplatz aufsteht, um in der Küche die Kaffeemaschine zu bedienen, auf dem Weg zur Kaffeemaschine den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung genießt, endet für den Mitarbeiter im Home Office der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung an der Tür seines Home Office. Verlässt er sein Home Office, um sich in der Küche den Kaffee zu holen, ist er nun nicht mehr versichert.

Interessant ist auch der Fall eines Arbeitnehmers, der in einem Mehrfamilienhaus im Dachgeschoss wohnt und dessen Home Office im Erdgeschoss des Gebäudes untergebracht ist. Er fiel auf dem Weg vom Dachgeschoss ins Untergeschoss und brach sich das Bein. Die Berufsgenossenschaft lehnte den Versicherungsschutz mit der Begründung ab, es liege kein Arbeitsunfall vor. Das zuständige Gericht meinte "zu Recht", da der Weg zum häuslichen Arbeitszimmer nicht versichert sei. Erst nach Durchschreiten der Tür im Erdgeschoss zum häuslichen Arbeitsplatz werde die Grenze zwischen Privatbereich und versichertem beruflichen Bereich überschritten.

Hans-Georg Herrmann ist Rechtsanwalt und Inhaber der Kanzlei Dr. Thalhofer, Herrmann & Kollegen in Saarbrücken:
Kontakt: www.rechtsanwaltspraxis.com

Checkliste für Mobile Office und Home Office
Unternehmensweite Sicherheitsrichtlinien formulieren
Diese müssen auch den Umgang mit Daten und Informationen außerhalb des geschützten Firmennetzwerkes berücksichtigen. Die Richtlinien müssen einen vernünftigen und nachvollziehbaren Rahmen vorgeben. Sie dürfen nicht realitätsfern sein.
Security-Awareness-Maßnahmen
Geeignete Schulungen nicht nur für neue Mitarbeiter, sondern auch für „alte Hasen“ anbieten. Regelmäßig die Mitarbeiter für die Themen Sicherheit und mobiles Arbeiten sensibilisieren.
Durchsetzung der Sicherheitsrichtlinien prüfen und sicherstellen
Das kann zum einen technologisch (durch beispielsweise Erzwingen von Sperrrichtlinien bei mobilen Geräten), zum anderen durch Awareness-Maßnahmen und Schulungen realisiert werden, die regelmäßig – zum Beispiel durch interne Audits – überprüft werden. Wenn notwendig: Maßnahmen intensivieren.
Entscheidung für die passende Mobile-Office-Variante
Welche Art des Mobile Office ist für das Unternehmen und die Mitarbeiter die richtige? Natürlich ist auch ein Mix möglich. Den Mitarbeitern muss klar kommuniziert werden, welche Varianten für sie möglich sind. Dabei auch erklären, warum diese Varianten gewählt wurden, und worauf Mitarbeiter dabei besonders achten müssen.
Beim Planen von Mobile Offices noch eine Ecke weiter denken
Beispielsweise OTP-Lösungen einsetzen. Es muss keine teure Token-Access-Firewall sein; häufig gibt es auch einfache, aber nicht minder sichere Open-Source-Lösungen. Erfahrene Mitarbeiter einladen, mitzudenken und mitzuplanen. Vielleicht auch einmal einen neuen Weg mit ausgewählten Mitarbeitern ausprobieren.
Ressourcen bereitstellen
Ziel ist es, dass die gewünschten Mobile-Office-Varianten schnell und unproblematisch genutzt werden können. Wenn die Einrichtung zu lange dauert, der Zugriff zu langsam ist oder technisch nicht stabil funktioniert, dann funktioniert im besten Fall das mobile Arbeiten nicht. Im schlechtesten Fall suchen sich die Mitarbeiter andere, häufig deutlich unsichere Wege.
Flexibel sein
Ein einmaliger Kraftakt, um mobiles Arbeiten zu ermöglichen, genügt nicht. Mobile Offices müssen konstant begleitet werden. Neue Business-Anforderungen, neue Technologien und geänderte Rahmenbedingungen machen immer wieder eine Anpassung und Feinjustierung der Maßnahmen, Entscheidungen und Richtlinien notwendig.