Hohe Bandbreiten für den Mittelstand

20.10.2000
Langsam wird die Runde der Anbieter von Techniken zur Überbrü-ckung der "letzten Meile" komplett. Bis Anfang November werden auch die Punkt-zu-Multipunkt-Richtfunk-Carrier ihren Versorgungsbetrieb offiziell aufnehmen.

Von: Konrad Buck

Im Rennen um die Pole-Position beim Versorgungsstart haben die Richtfunk-Anbieter inhaltlich wie strukturell Federn lassen müssen. Die Schwierigkeiten reichten vom Zurücktreten des Funkverfahrens in die Palette der Anschlusstechniken bei den Muttergesellschaften über Geschäftsführerwechsel bis hin zu neuen Allianzen. Wenn auch mit Haken und Ösen, so wird der vor gut einem Jahr im Rahmen der Lizenzvergabe vom Regulierer erfolgte Bereitstellungsauftrag trotzdem erfüllt - die bis auf den Kabelanschluss vorletzte der Last-Mile-Wahlmöglichkeiten steht.

Nach den Worten von Norbert Güldenpfennig, Sprecher der Münchener Callino GmbH, geht der Netzaufbau seines Unternehmens planmäßig voran: "Wir haben zur Zeit fünf Basisstationen in Betrieb. Die Mietverträge für 70 weitere Standorte sind unter Dach und Fach. Bis Jahresende wollen wir mehr als 100 Basisstationen aufstellen." Der erste Kunde, die Firma KWP Bauhandwerkssoftware aus Landshut, ging im Dezember 1999 als Testkunde ans Netz und ist seit August 2000 zahlender Abnehmer. Die Firma wickelt ihre gesamte Telekommunikation (Sprache und Highspeed-Internet) über den Callino-Access ab. Gegen Ende Oktober hatte Callino rund 20 Kunden am Netz.

Als Technikpartner hat sich der Richtfunk-Anbieter für Alcatel und die Produktfamilie "Evolium" entschieden. Vereinbarungen über rund 500 Millionen Mark Auftragsvolumen insgesamt sind getroffen. Für das Weiterleiten der Gespräche hat Callino vor allem Kooperationsvereinbarungen im Bereich Backbone getroffen. Dabei handelt es sich um nationale und internationale Carrier wie Viag Intercom, Global Crossing oder Carrier1.

DSL macht Richtfunk Konkurrenz

Mächtig Wind von vorne bekommen die Punkt-zu-Multipunkt-Richtfunk-(PMP-RiFu-)Anbieter seit geraumer Zeit aus dem Bereich Digital Subscriber Line (DSL). Güldenpfennigs strategische Antwort auf das "aufgebohrte" Kupferkabel: "Grundsätzlich fahren wir beide Strategien: PMP im ländlichen Raum und DSL - dies allerdings erst ab Anfang 2001 - in den Ballungsräumen. Callino versteht sich als Broadband-Provider." PMP-RiFu sei in Rollout und die Bandbreitenvariabilität einfach schneller als DSL. In der Region rechne sich DSL nicht, weil diese Technik eine große Teilnehmerdichte benötige. Die theoretische Grenze der Breitbandigkeit, so der Callino-Sprecher, liegt bei DSL bei 2,3 MBit/s, die in der Praxis jedoch nie erreicht wird. Neueste Erfahrungen aus den USA zeigten, dass in DSL-Netzen praktisch nicht mehr als 500 kBit abgebildet werden könnten. Über PMP dagegen könne den Kunden heute eine Bandbreite von 7 MBit/s und in einem Jahr 10 MBit/s garantiert werden.

Um potenziellen Kunden die eigene Zugangstechnik schmackhaft zu machen, bietet Callino mögliche Applikationen an, für die sich PMP-RiFu besonders eignet. Dazu gehören nach Angaben des Unternehmens beispielsweise ASP-Lösungen wie die Suchmaschine der Callino-Tochter "Clever and Search", aber auch Billing-Systeme, Audio- und Video-Streaming-Lösungen, sowie VPNs (Virtual Private Networks). Matthias Weber, Vorsitzender der Callino-Geschäftsführung, bemerkt: "Der breitbandige Direct-Access per PMP-Richtfunk ist für den Mittelstand in der Fläche die Alternative zu allen Produkten unseres größten Konkurrenten, der Telekom. Unser entscheidender Wettbewerbsvorteil ist, dass wir im Gegensatz zu fast allen PMP-Mitbewerbern ein Full-Service-Dienstleister sind. Bei uns bekommt der Geschäftskunde alles aus einer Hand, Highspeed-Internet, professionelle Internet-Dienstleistungen und Sprache."

Eine Alternative unter vielen

Mannesmann Arcor als einer der hiesigen Allround-Anbieter begreift den PMP-RiFu als eine Alternative unter vielen. Dennoch hatte die Vodafone-Tochter im Juni diesen Jahres gemeinsam mit der amerikanischen Telekommunikationsgesellschaft Teligent das Joint Venture "Arctel" gegründet. Arcor übernimmt mit 55 Prozent der Anteile die unternehmerische Führung, Teligent hält 45 Prozent. Sprecher der Geschäftsführung von Arctel wird Jan Benedykt Rittaler. Er war bisher Leiter Unternehmensstrategie von Mannesmann Arcor. Technischer Geschäftsführer wird Bernhard Gschwendtner. Das neue Unternehmen mit Sitz in Frankfurt soll künftig für den Technikaufbau in Deutschland zuständig sein. Mit dem Einsatz von Richtfunk wird Arcor seine Strategie des direkten Kundenzugangs im Ortsnetz außerhalb der Ballungszentren und im Geschäftskundensegment ergänzen.

Bereits im August 1999 wurden Arcor von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) insgesamt 198 Lizenzgebiete zugeteilt. Ende Juni hatte sich Arctel bei dem Scheuerle-Amt um 52 weitere Lizenzgebiete beworben. Mit Bewerbungsfrist 21. Juni 2000 hatte die RegTP 162 Frequenzen für die Funkanbindung von Teilnehmeranschlüssen mit Punkt-zu-Mehrpunkt-Richtfunk ausgeschrieben. Im Einzelnen wurden ausgeschrieben:

- 12 Frequenzvergabemöglichkeiten im 2,6-GHz-Bereich (4 mal 14 MHz, 8 mal 2x14 MHz Bandbreite),

- 47 Frequenzvergabemöglichkeiten im 3,5-GHz-Bereich (je 14 MHz Bandbreite),

- 103 Frequenzvergabemöglichkeiten im 26-GHz-Bereich (53 mal 28 MHz, 50 mal 2x28 MHz Bandbreite.

Die Nutzung von Frequenzen im 2,6 GHz-Bereich ist bis zum 31. Dezember 2007 befristet.

PMP-Richtfunk eignet sich nach Auskunft von Arctel besonders für den Anschluss von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Mit PMP ließen sich problemlos hohe Bandbreiten für schnelle Internet-Zugänge und Datenservices realisieren. Außerdem könnten PMP-Kunden sofort die gesamte Palette der Sprach- und Mehrwertservices von Arcor nutzen. Arctel sorge dabei für die technische Anbindung der Kundenstandorte via PMP-Richtfunk. Die Funknetze in den einzelnen Lizenzgebieten würden gleichzeitig an die bundesweite TK-Infrastrukur von Arcor angebunden.

Die Ausbaustrategie von Arcor auf Ortsnetzebene basiert künftig auf zwei Techniken: der direkten Kundenanbindung über Richtfunk und der Teilnehmeranschlussleitung (TAL) auf Basis eigener Infrastruktur. Mit der TAL schließt Arcor bis Ende des Jahres rund 100 Städte an das eigene Netz an. Mit Richtfunk will das Unternehmen insbesondere Geschäftskunden außerhalb der Ballungszentren erreichen.

Mindestens ein Kunde pro Lizenzgebiet

Wettbewerber Broadnet Deutschland GmbH wird bis 1. November in allen 42 Lizenzgebieten am Netz sein, so Firmensprecher Roland Bettenbühl. Derzeit hat das Unternehmen unter dem neuen Chef Hans-Peter Kohlhammer nur so genannte "friendly User". Kohlhammer wird im Übrigen interimsweise die Geschäfte als Generalbevollmächtigter wahrnehmen, bis ein neuer operativer Geschäftsführer für die deutsche Tochter der niederländischen Broadnet Holdings B.V. bestellt ist. Der bisherige Geschäftsführer Karlheinz W. Huber, der maßgeblich am Gewinn der 42 Versorgungsgebiete für Broadnet Deutschland GmbH beteiligt war, kehrt nach einjähriger Aufbautätigkeit wieder in sein Beratungsunternehmen zurück. Auch die Schwalbacher haben Kooperationsverträge mit Carriern, die auf dem Gebiet der letzten Meile tätig sind; genannt wird insbesondere das Unternehmen Interroute. Technikausrüster ist Lucent Technologies mit der "Netro"-Produktfamilie. Argument für PMP-RiFu ist Bandbreite: ADSL könne nur 2,3 MBit/s, PMP dagegen bis zu 8 MBit/s mit 4 x 2 MBit/s. Außerdem könne der Aufbau der Highspeed-Infrastruktur innerhalb einer Woche erfolgen, bei hohem Qualitätsniveau. Was das Angebot bei Broadnet kostet, kann das Unternehmen noch nicht sagen; die Preisliste stehe Ende Oktober fest.

Für Christian Golaszewski, Chief Operational Officer bei der Frankfurter Star One AG, liegt das Unternehmen voll im Plan": "Wir sind sicher, die Vorgaben der RegTP zu erfüllen, bis November dieses Jahres den Netzaufbau in den im Rahmen der ersten Ausschreibung zugeteilten Frequenzen abgeschlossen und mindestens einen Kunden pro Gebiet angeschlossen zu haben. Zu unserem Portfolio von 400 Standorten konnten bereits 200 weitere akquiriert werden, so dass eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen zügigen Netzausbau erfüllt ist." Zum 1.9.2000 seien 40 Basisstationen im Bau beziehungsweise in Betrieb, weitere 60 Stationen würden in den nächsten sechs Wochen folgen. Nach extensivem zehnmonatigem Testbetrieb mit Pilotkunden laufe seit zwei Monaten der kommerzielle Betrieb. Nach der Einführungsphase im Herbst 2000 werde sein Unternehmen ab Januar 2001 mit einem modernen End-to-End-Breitbandnetz bundesweit an den Markt gehen. In Gebieten, die der Anbieter mittels Richtfunk nicht abdecken kann, will er DSL-Technik einsetzen. Verträge mit entsprechenden Resellern seien bereits abgeschlossen.

Für den Netzaufbau in Deutschland hat sich das Unternehmen für Nortel Networks entschieden. Besonderheit dabei: Nortel wird für Star One den Aufbau der Netzwerkinfrastruktur realisieren und diese für mindestens ein Jahr unterhalten, um sie dann an das Unternehmen zu übergeben. Die Infrastruktur wird im Bereich 26 GHz auf die Systemfamilie "Reunion" aufsetzen und als Breitband-Serviceknoten den "Shasta 5000" einsetzen. Das IP-Backbone wird auf 10 GBit/s-Nortel-Systemen mit "M160"-Routern von Shootingstar Juniper Systems gebaut. Im Bereich 3,5 GHz wird das System "Floware" verwendet, mit dem sich eine Reichweite von circa zehn Kilometern erzielen lässt. Die beim Kunden installierten SAPs (Service Access Points) stellen als Schnittstellen E1 und 10BaseT zur Verfügung - mit Übertragungsgeschwindigkeit von maximal 12 MBit/s Upstream und 16 MBit/s Downstream. Innerhalb eines Lizenzgebiets wird der Verkehr über eine STM-1-Verbindung zu einem Konzentrator geführt und dort gebündelt. Technische Plattform hierfür ist der Multi-Service-Switch "Passport" von Nortel Dasa. Vom Konzentrator aus erfolgt dann beispielsweise per STM-4 die Verbindung zum Star-One-Backbone mittels Point-to-Point-Richtfunk (PtP) oder durch Leased Lines.

Strategische Partnerschaften sind wichtig

Zu den Technik- und Interconnect-Partnern von Star One gehören Bechtel, Carrier1 und Controlware. Bechtel Enterprises ist ein Anbieter von Dienstleistungen für Entwicklung, Management, Engineering, Bau und Betrieb von Anlagen für Kunden in allen Teilen der Welt. Das Unternehmen ist über die Tochtergesellschaft Incepta International LLC zum einen Investor bei Star One und betreut zum anderen den Netzaufbau.

Bechtel bringt seine internationale Expertise im Bereich der Konzeption und Projektabwicklung von Großprojekten im Telekommunikationsumfeld mit ein. Der Netzbetreiber Carrier1 bietet über seinen europaweiten Übertragungs-Backbone End-to-End-Internet-Lösungen, Bandbreite, Data Center und Access-Lösungen an. Der Wholesaler liefert Star One Zugang zu seiner bundesweiten Glasfaserinfrastruktur. Die Controlware GmbH schließlich konzipiert und realisiert Lösungen im LAN-, MAN- und WAN-Bereich deutschlandweit und international. Der Dienstleister sorgt für den störungsfreien Netzbetrieb bei Star One. Das Unternehmen ist daneben aktiv in die Gestaltung der Vertriebsseite eingebunden. Keine leichte Aufgabe, denn derzeit bewegt sich die Kundenzahl von Star One im zweistelligen Bereich

Als Argumente gegen DSL und für Richtfunk nennt Golaszewski deutlich geringeren Kapitalbedarf, Skalierbarkeit, schnellere und kostengünstigere Installation sowie die höhere Übertragungskapazität. Star One werde sich jedoch nicht auf Richtfunk als die einzige Anschlusstechnologie beschränken, sondern die jeweils kostengünstigste Technologie bei gegebenen sehr hohen Verfügbarkeits- und Qualitätsparametern einsetzen. Und dazu gehöre auch A- oder S-DSL.

Als "Schmankerl", um potenziellen Kunden den Richtfunk-Anschluss schmackhaft zu machen, führt Golaszewski insbesondere das Verfahren "Software zur Miete" an: "Die bei uns zukünftig verfügbaren IT-Dienstleistungen werden den Bedarf von Unternehmen weitläufig abdecken. So können nahezu alle am Markt verfügbaren Anwendungen unter Windows, Unix und im Webbrowser heute intelligent über ASP als so genannte Managed Applications zur Verfügung gestellt werden." Das Unternehmen werde seinen Kunden neben individuellen Lösungen, die sich nach dem tatsächlichen Bedarf des Kunden richten, ein breites Portfolio marktbekannter Standard-Softwareprodukte anbieten. Dazu zählen beispielsweise die Produkte der Microsoft-Office-Familie, Groupware-Lösungen auf Basis von MS Exchange sowie Projektmanagementsoftware. Das Angebot runden ab: Unified Messaging (Fax, SMS, Voice Mail), Realtime Collaboration mit Video-Conferencing, Document Sharing und Online-Meetings, aber auch Standard-Unternehmenslösungen wie Finanz- und Lohnbuchhaltung, Warenwirtschaft oder Customer Relationship Management. Vom Prinzip und von der Logik her verlange Application Service Providing geradezu nach komplett durchgängigen Lösungen auf der Netzwerkseite, was wiederum den Flaschenhals der "letzten Meile" offenlegt. Genau hier, so Golaszewski, liege die eigentliche Stärke der Strategie seines Unternehmens: in der Kombination von WLL und ASP.

Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen stehen bei Star One die Preise bereits fest. Eine garantierte Bandbreite von zum Beispiel 1 MBit/s und eine Peak-Bandbreite von bis zu 6 MBit/s bieten die Frankfurter für 375 Euro pro Monat an, für das Datenvolumen berechnet der Richtfunk-Carrier bei Einzelabnahme 25 Euro pro GB, bei großen Volumina werden entsprechende Rabatte gewährt. Der einmalige Bereitstellungspreis bei einer 36-monatigen Laufzeit liegt bei 750 Euro. Fazit von Christian Golaszewski: "PMP ist die ‘Glasfaserverbindung durch die Luft’, beinahe so leistungsfähig und flächendeckend in ganz Deutschland verfügbar. Das PMP-IP-Netz von Star One wird zukünftig moderne Datennetze, wie sie aktuell nur Großunternehmen zur Verfügung stehen, auch kleineren und mittleren Unternehmen zugänglich machen." (pri)

Auswahl an Anbietern

Callino GmbH

Trimburgstraße 2

D-81249 München

Telefon: 0 89/4 10 75-0

www.callino.de

Broadnet Deutschland GmbH

Am Kronberger Hang 2a

D-65824 Schwalbach

Tel: 0 61 96/9 50-0

www.broadnet.de

Tesion GmbH & Co. KG

Kriegsbergstraße 11

D-70174 Stuttgart

Telefon: 07 11/20 21-0

www.tesion.de

Mannesmann Arcor AG & Co.

Kölner Straße 5

65760 Eschborn

Telefon: 0 69/21 69-0

www.arcor.net

Star One AG

Hanauer Landstraße 175-179

60314 Frankfurt/Main

Tel: 0 69/2 17 82-0

www.star-one.de

VIAG Interkom GmbH & Co

Georg-Brauchle-Ring 23-25

80992 München

Telefon 0 89/24 42-0

www.viaginterkom.de