Hochverfügbare Plattform

25.01.2002
Längst hat Linux auf Web- und Fileservern Fuß gefasst. Inzwischen ist das Open-Source-Betriebssystem zu einer professionellen und ausfallsicheren Plattform herangereift und dient als Fundament für geschäftskritische Anwendungen. Trotzdem zögern die DV-Manager noch, Linux auf breiter Front einzuführen.

Von: Dr. Klaus Plessner

"Linux wird im Jahr 2002 einen Durchbruch erleben." So lautet eine der zehn Vorhersagen des US-Marktanalyse-Instituts International Data Corporation (IDC) für das neue Jahr. Das Betriebssystem sei offenbar eine echte Alternative für Unternehmensanwender geworden. Nach einer im vergangenen November veröffentlichten Studie desselben Analysten können Anwender vor allem dann sparen, wenn sie die freie Plattform als Grundlage für Groupware-Systeme einsetzen; das sind Programme wie E-Mail, Kalender und Newsgroups für die Zusammenarbeit von Gruppen im Netz. Gemäß der Untersuchung, welche die Total Cost of Ownership (TCO) von Unternehmensanwendungen analysiert, verursachen Linux-Groupware-Anwendungen auf PCs weniger als ein Fünftel der Kosten von entsprechenden Unix-Programmen für Risc-Systeme. Auch im klassischen Anwendungsbereich von Linux, der Domäne des Webservers "Apache", senkt die Open-Source-Alternative die TCO gegenüber Unix-Plattformen um fast die Hälfte.

Geschäftskritische Anwendungen

Damit die Linux-Plattform in Unternehmen mehr Gewicht bekommt, muss sie sowohl über die nötigen Firmenanwendungen verfügen als auch die Anforderungen geschäftskritischer Applikationen erfüllen. Was die Software anbelangt, wächst das Linux-Repertoire laufend. Abgesehen von altbekannten Community-Projekten, die den Fileserver "Samba", den Proxy-Server "Squid", das Trio für dynamische Webseiten, Apache-MySQL, PHP oder die Firewall "IPChains" hervorgebracht haben, liefert die Open-Source-Gemeinde auch Tools für Unternehmenszwecke. Ein paar Beispiele: der Faxserver "Hylafax", die Groupware "Phorum", der Applikationsserver "Zope" oder die E-Commerce-Software "Openmerchant".

Aber nicht nur die Linux-Gemeinde hat Enterprise-Tools entwickelt. Die Zahl der Linux-Programme kommerzieller Anbieter nimmt ständig zu. Angefangen haben vor drei Jahren namhafte Datenbankhersteller wie IBM, Primebase, Oracle und Sybase. Es folgten SAP mit der ERP-Plattform "mySAP", IBM/Lotus mit dem Domino-Server und viele kleinere Anbieter wie Channel One mit der Intranet-Software "Intraline", CBS System AG mit ERP-Lösungen, Intercope mit Messaging-Programmen, Natural Computing mit Thin Clients, Orgaplan Informationssysteme mit Software für die Produktionssteuerung und Quadratec mit Tools für das Backup in SAN-Umgebungen.

Um geschäftskritischen Umgebungen gerecht zu werden, wurde das Open-Source-Betriebssystem von seinen Entwicklern auf Ausfallsicherheit und Skalierbarkeit hin getrimmt. Folgende Eigenschaften machen Linux zu einer guten Grundlage für Firmenapplikationen:

- Die System-Kernel unterstützen Mehrprozessorsysteme.

- Neue Kernel arbeiten mit 64-Bit- Prozessorarchitekturen von Intel.

- Für PowerPC-Systeme wie den S/390-Mainframe oder die AS/400 von IBM stehen "Kernelports" zur Verfügung, die sowohl die Partitionierung als auch die Virtualisierung beherrschen.

- Server können Cluster bilden dank Open-Source-Software wie "Beowulf" oder kommerzieller Tools.

Ausfallsichere Cluster

Alle größeren Serverhersteller wie Compaq, Dell, Fujitsu-Siemens, HP und IBM haben Hochleistungsrechner und ausfallsichere Clustersysteme in ihrem Angebot. Compaq liefert Proliant-Server, Alpha-Systeme, Desktops und Webserver-Appliances mit Linux. Dell stattet damit die Server der Poweredge-Reihe aus. Fujitsu-Siemens wirbt mit Clustern der "HPC-Line"-Serie, Desktop- und Thin-Client-Lösungen. HP verwendet das Open-Source-System unter anderem auf den Itanium-Rechnern "RX 4610" und "I 2000", und IBM hat das gesamte Hardwareportfolio auf das Betriebssystem vorbereitet.

Im November hat IBM ein Paket von Linux-Clustern vorgestellt. "E-Server Cluster 1300" kombiniert die Intel-gestützten E-Server "x330" oder "x342" mit Red Hat Linux 7.1, mit Clustering-Software und einem Programm für das Filesystemmanagement. Bis zu 1024 Server kann ein Rechnerverband nach Angaben von IBM enthalten. Cluster dieser Größe dienen zum Beispiel als Basis für E-Commerce-Anwendungen, so der Hersteller.

Zuverlässige Distributionen

Nach Ansicht von Dieter Hoffmann, Managing Director für Europa bei Red Hat, befinden sich die Unternehmen derzeit noch in einer Wartestellung. Firmen, die heute schon SAP-Software unter Linux betreiben, seien "Early Adopters" und noch immer die Ausnahme. Deshalb versucht RedHat Unternehmen durch eine eingehende Beratung umzustimmen. "In Assessments schauen wir uns die Infrastruktur einer Firma bis zu den Servern und Desktops an und machen Vorschläge, wo Linux den größten #Return on Investment# (ROI) einbringt", erklärte Hoffmann das Consultingkonzept von Red Hat.

Anwendungspakete wie die "E-Commerce-Suite" oder "Red Hat Database" sind im Rahmen von Projekten entstanden und spielen gegenüber der Beratung und Systemintegration eine untergeordnete Rolle, sagt Hoffmann. Dennoch stehen die Pakete sowie die "Application Bundles" mit IBM DB2, Lotus Domino und IBM Websphere dem Kunden zur Verfügung. Im Fokus stehe die Entwicklung zuverlässiger Linux-Plattformen. Und davon ist das Angebot reichhaltig. Der Distributor bietet Software für Itanium-Rechner, die IBM-Server der Reihen I-, P-, und Z-Series sowie Embedded-Systeme. Der "Red Hat High Availability Server" kombiniert Red Hat Linux, die Clustering-Software "Piranha" und ein Virtualisierungs-Programm von Linuxvirtualserver.org.

Die Suse AG hat mehrere Produkte für den professionellen Bedarf im Programm. Eine Firewall, das "Out-of-the-Box-Netz" für kleine Firmen "Connectivity Server", einen E-Mail-Server für POP3- und IMAP-Zugriffe, das Lotus/Domino-Bundle "Groupware Server" und die IBM/DB2-Kombination "Database Server". Alle Produkte setzen auf den "Enterprise Server" auf, eine Linux-Distribution für Unternehmen. Das Besondere daran, so Jürgen Geck, Leiter der Business Unit Technology Partners bei Suse: "Den Enterprise Server bringen wir einmal pro Jahr auf den Markt und frieren danach den Code für zwei Jahre ein. In dieser Zeit kommen lediglich Patches dazu, die Fehler beseitigen und die Performance verbessern." Den Enterprise Server gibt es für Power-PC-Plattformen, Compaq-Alpha-Rechner, Sun-Sparc-Server und IA-64-Prozessoren. Auch Suse steht Unternehmenskunden mit Rat und Tat zur Seite: durch Partner wie IBM, Siemens, Compaq, die in Projekten Lösungen passgerecht zimmern.

Offene Fragen

Geck ist überzeugt, dass Linux alle Voraussetzungen für den Einsatz im Unternehmen erfüllt. Wird das Betriebssystem in diesem Jahr die DV-Manager überzeugen? Etwas düsterer als IDC sieht Goldman und Sachs die Zukunft der Open-Source-Plattform. Mit einer Studie, bei der 100 der 1000 größten US-Unternehmen zu ihren Investitionsplänen befragt wurden, belegt der Marktanalyst, dass sich Firmen für die Software kaum interessieren. 65 Prozent der Befragten wollen dem Bericht zufolge die kostengünstige Plattform in diesem Jahr nicht installieren. Nur drei Prozent sehen Linux als ihr primäres Betriebssystem im Gegensatz zu einem Anteil von 60 Prozent, der Windows als Hauptplattform betrachtet.

IDC-Analyst Dan Kusnetzky sagte, dass das Betriebssystem "nach und nach zu einer der Hauptalternativen auf dem Servermarkt heranwächst." Die Entwickler müssten allerdings noch daran arbeiten, dass die Plattform im SMP-Betrieb (Symmetric Multiprocessing) über 16 CPUs hinaus besser skaliert. Außerdem seien stärkere Tools für verteilte Systeme und für das Netzmanagement erforderlich.