SAP will weg vom ERP-Image

HANA - vom In-Memory-Beschleuniger zur Digitalisierungsplattform

23.01.2016 von Martin Bayer
Die In-Memory-Plattform HANA bildet mittlerweile das Fundament von SAPs gesamter Softwarestrategie. Auf der HANA-Plattform beziehungsweise der HANA Cloud Platform (HCP) bauen die Softwerker industriespezifische Lösungspakete und immer mehr Anwendungsservices. SAP will HANA damit als zentrale Plattform für die digitale Transformation in Stellung bringen.

HANA hat in den zurückliegenden Jahren eine erstaunliche Metamorphose hingelegt. Vor rund fünf Jahren dem Markt als Beschleuniger für das SAP Business Warehouse (BW) präsentiert, bildet die In-Memory-Datenbank heute das Fundament für die gesamte Portfoliostrategie des größten deutschen Softwareherstellers – on Premise wie in der Cloud. Mehr noch: Das SAP-Management preist HANA mittlerweile auch als die Plattform für die digitale Transformation.

Es sei keine leichte Übung, in das digitale Zeitalter zu wechseln, sagte SAP-Vorstand Bernd Leukert anlässlich eines HANA-Briefings im Dezember 2015 in Frankfurt am Main. Dieser Schritt bedeute eine tiefgreifende Transformation für die Organisationen. Grundsätzlich müssten die Verantwortlichen daran arbeiten, die Lücke zwischen IT auf der einen und dem Business auf der anderen Seite zu schließen, mahnte Leukert. Gelinge dies nicht, würden die Firmen scheitern und von der Bildfläche des Marktes verschwinden. Business und Technik – darunter subsumiert der SAP-Manager nicht nur IT – würden in Zukunft immer stärker zusammenwachsen.

HANA bekommt industriespezifische Ausprägungen

SAPs Rolle sieht Leukert darin, die eigenen Kunden in die Lage zu versetzen, ihre Kernprozesse komplett neu zu erfinden. Dreh- und Angelpunkt dafür sei eine einheitliche Plattform, die die Unternehmen für ihr digitales Business benötigten. Dafür bringt SAP die eigene HANA-Plattform ins Spiel. In der Cloud-Variante (HANA Cloud Platform= HCP) arbeiten die Softwerker aus dem Badischen – teilweise auch mit Partnern – immer stärker an industrie­spezifischen Ausprägungen.

Dazu zählen die gemeinsam mit Siemens auf die Beine gestellte Industry Cloud für das Internet of Things (IoT) sowie die „SAP Foundation for Health“ für den Gesundheitssektor. Auf Letzterer läuft beispielsweise „SAP Medical Research Insights“, mit deren Hilfe Kliniken, Forscher und Ärzte Patientendaten zu Krankheiten wie Diabetes und Krebs sammeln und auswerten können, um bessere Vorbeuge- und Behandlungsmethoden entwickeln zu können.

Greg Parekh, Vorsitzender der Initiative CancerLinQ, betonte in Frankfurt, wie wichtig eine leistungsfähige Datenplattform dafür sei. Derzeit würden in diesem Umfeld lediglich drei Prozent der verfügbaren Patientendaten ausgewertet. Gelinge es, mehr Informationen verfügbar zu machen und zu analysieren, könnten auch die Behandlungsmethoden verbessert werden, so der Gesundheitsexperte.

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Darüber hinaus baut SAP kontinuierlich an flankierenden Services rund um HANA. Nachdem das Unternehmen im vergangenen Jahr mit S/4HANA eine neue ERP-Generation vorgestellt hatte, folgten kürzlich "Vora" und "Cloud for Analytics" (C4A). Mit Hilfe von Vora sollen Anwender eine Brücke zwischen verschiedensten Datenquellen wie beispielsweise dem Open-Source-Framework Hadoop und Spark, aber auch zwischen Systemen von Drittanbietern wie Salesforce hin zur HANA-Plattform schlagen können.

Die SAP-Verantwortlichen gehen davon aus, dass Unternehmensdaten künftig stärker verteilt auf unterschiedlichen Systemen liegen werden. Diese Daten-Container – gerade auch für Analysen – unter einen Hut zu bekommen, soll mit Vora möglich werden. Die Software ist darauf ausgelegt, auf allen möglichen Devices laufen zu können, beispielsweise auf Tablets, aber auch direkt auf den Platinen von Produktions- und Fertigungsmaschinen, um dort die Daten einzusammeln.

C4A - SAP schnürt komplettes Analytics-Paket aus der Cloud

C4A, an dem SAP zugleich baut, ist ein inte­griertes Analye-Toolset in der Cloud, das verschiedene Funktionen für Planung, Business Intelligence (BI) und Predictive Analytics in einem Paket vereinen soll. SAP-Angaben zufolge handelt es sich dabei um das erste und bis dato einzige Analytics-Paket am Markt, das Anwendern Funktionen für alle drei Bereiche biete. In den Portfolios der Wettbewerber müssten sich die Kunden die entsprechenden Tools selbst zusammensuchen und integrieren. Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen S/4HANA und C4A. Während S/4HANA zwingend eine HANA-Plattform als Unterbau erfordert, funktioniert C4A auch ohne den HANA-Backbone. Die Analytics- Tools aus der Cloud könnten auch direkt auf verschiedene Datenquellen außerhalb des SAP-Kosmos zugreifen.

Trotzdem bleibt HANA das Gravitations­zentrum in SAPs Softwaregalaxie. Steve Lucas, Global President SAP Platform & Analytics, warb in Frankfurt für HANA als die digitale Plattform für eine digitale Welt. "Das ist keine Science Fiction, sondern Science Fact", ver­sicherte der SAP-Manager. Die HCP ordnet Lucas als Business-Plattform ein. SAP habe keine Ambitionen, sich auf einen Wett­bewerb und Preiskampf mit Anbietern wie Amazon Web Services (AWS) einzulassen. Seinen Vorteil gegenüber Cloud-Konkurrenten wie IBM, Microsoft und Oracle sieht Lucas in dem von Haus aus integrierten Cloud-Angebot.

Bei den Wettbewerbern müssten die Kunden verschiedene Produkte einkaufen und selbst integrieren, um ihre Business-Fragen beantworten zu können. Lucas verweist darüber hinaus auf die breite Palette des SAP-eigenen Cloud-Port­folios, das sich vor allem aus den Zukäufen der vergangenen Jahre speist. Unter anderem hat SAP das Business-Netzwerk Ariba und den Talent-Management- und Human-Resources-Spezialisten SuccessFactors übernommen. „SAP hat eine Plattform für die kommenden Jahrzehnte gebaut“, sagte der Manager, während die Konkurrenten ihre Plattformen in den vergangenen Jahrzehnten gebaut hätten und nun versuchten, sie in die Cloud zu hieven.

Immer die gleichen Fragen und Bedenken

Obwohl auf Anwenderseite wegen der Herausforderungen durch die Digitalisierung durchaus Bedarf für neue leistungsstarke IT-Platt­formen besteht, sind die SAP-Kunden nach wie vor skeptisch, was Sinn und Vorzüge von HANA anbelangt. Einmal mehr kamen auf dem Jahreskongress der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) im November in Bremen Unsicherheit und Verwirrung zum Ausdruck. „Da ist überall HANA drin, und überall steht Cloud drauf – aber die Angebote unterscheiden sich deutlich voneinander“, lautete das Fazit des DSAG-Vorstandsvorsitzenden Marco Lenck.

SAP-Gründer Hasso Plattner kann nicht verstehen, warum auf Anwenderseite immer wieder die gleichen Fragen und Bedenken zu S/4HANA auftauchen.
Foto: SAP SE / Wolfram Scheible

Auf Seiten der SAP kann man die Skepsis nicht nachvollziehen. "Mich stimmt traurig, dass wir nach dem großen Verkaufserfolg, den in Rekordzeit abgeschlossenen Implementierungen und den zufriedenen Produktivkunden immer noch mit den gleichen Fragen und Bedenken konfrontiert werden", schrieb SAP-Gründer Hasso Plattner Mitte Dezember in einem Gastbeitrag für die COMPUTERWOCHE. "Wir haben Bücher verfasst und Dutzende von neuen oder verbesserten Anwendungsszenarien beschrieben, es gibt spezielle Veranstaltungen auf der ganzen Welt, und auf unserer Website stellen wir viele Erfolgsgeschichten vor."