Grundlagen zur Linux-Migration

24.07.2007 von Klaus Manhart
Ein Linux-Umstieg muss nicht alle gewachsenen IT-Strukturen über den Haufen werfen. Eine sanfte Migration berücksichtigt Bedarf, Know-how und Finanzlage des Unternehmens.

Linux breitet sich flächendeckend aus. Nicht nur große Unternehmen wie Amazon, Sun oder die Deutsche Bahn setzen auf das Open-Source-System. Auch mittelständische und kleine Firmen haben die Vorteile des freien Betriebssystems für sich entdeckt: Unabhängigkeit, der offene Quellcode, Stabilität und Flexibilität sowie Sicherheit und Plattformvielfalt. Hinzu kommen Kosteneinsparungen durch wegfallende Lizenzgebühren – ein Argument, das besonders in mittelständischen Betrieben auf fruchtbaren Boden fällt.

Systemumstellung: Bei der Rechnermigration in Unternehmen ist die sind reine Linux-Umgebungen ebenso denkbar wie gemischte Arbeitsumgebungen. (Quelle: Bundesministerium des Innern)

In welchen Unternehmensbereichen wird Linux eingesetzt? Ursprünglich waren die meisten Anwendungen für Open-Source-Software „Edge of network“-Server für einfache, nicht unternehmenskritische Aufgaben wie File-, Intranet-, Mail-, Web- und Druck-Server sowie Internet-Router. Inzwischen deckt Open-Source-Software auch wesentliche Komponenten der IT-Infrastruktur ab.

Dies sind vor allem Datenbanken oder Application-Server, auf deren Grundlage komplexe Lösungen entwickelt werden – etwa Datenbankserver für das interne und externe Warenwirtschafts- und ERP-System. Da diese Komponenten Teil des zentralen Nervensystems eines Unternehmens darstellen, sind die Anforderungen an ihre Qualität sehr hoch. Dass Linux hier vordringt, spricht für das System. Selbst der Desktop gilt nicht mehr als Linux-freie Zone.

Zwei Migrationswege

Wer für seinen Betrieb einen Umstieg von Windows auf Linux ins Auge fasst, hat grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Entweder es wird die gesamte IT mit einem Schlag auf Linux umgestellt oder nur ein Teil. Im ersten Fall spricht man von vollständiger oder schneller Migration, im zweiten von sanfter oder gemischter Migration. Schnelle Migration bedeutet, einen kompletten Linux-Umstieg in einem Guss durchzuführen. Server, Backend, Clients werden also in einem Rutsch auf Open Source umgestellt. Dies ist vor allem dort sinnvoll, wo IT-Infrastrukturen entweder bereits einen hohen Anteil an Linux-/Unix-Durchdringung haben oder Unternehmen ihre veraltete EDV ohnehin ersetzen wollen.

Reifegrade: Open-Source-Software ist nicht in jedem Bereich stark. (Quelle: Cambridge Technology Partners)

Viele Entscheider wollen allerdings keine Linux-only-Lösung. Das sind besonders jene, die bisher nur oder überwiegend mit Microsoft-Lösungen gearbeitet haben. Sie scheuen eine sofortige Komplettmigration zu Linux. Stattdessen sind sie an praktikablen Mischlösungen aus Linux und Windows interessiert. Sie wollen die Vorteile beider Welten gleichzeitig nutzen oder die Migration kontinuierlich über einen längeren Zeitraum durchführen. Eine Mischlösung ist technisch problemlos aufzubauen und zu betreiben. Sie hat zudem den Vorteil, dass einzelne Komponenten gezielt durch Open-Source-Software ersetzt werden können.

Mischlösungen sind variationsreich. So gibt es Linux-Server-Migrationen, bei denen die Client-Seite auf Windows belassen wurde. Auch finden sich reine Client-Migrationen, bei der die Linux-Clients in ein Windows-Netz integriert wurden.

Evolution statt Revolution

In der Regel ist die sanfte Migrationen der sinnvollere Weg. Der Umstieg erfolgt komponentenweise und punktuell. Kleine Pilotprojekte sorgen für geringen Kostenaufwand und wenig Risiko. Im einfachsten Fall starten Unternehmen mit der Migration eines Servers, die Client-Systeme im Netzwerk bleiben vorerst oder auch langfristig unangetastet. Diese Migrationsmöglichkeit ist relativ einfach und für den Endanwender unbemerkt durchführbar.

Sanfte Migration: Mit dem sanften, komponentenweisen Umstieg von Windows auf Linux nimmt auch das Linux-Know-how der Verantwortlichen zu. (Quelle: Bundesministerium des Innern)

Beginnen Sie also mit der Implementierung von Web-, E-Mail- oder anderen Backoffice-Services mit Linux. Sobald Ihre IT-Mannschaft mehr Erfahrung mit Linux gesammelt hat, können Sie den nächsten Schritt wagen und einzelne Abteilungen oder Anwendungen auf Linux migrieren. Prominentes Beispiel für eine sanfte Migration mit einer Linux-Windows-Mischlösung ist der Deutsche Bundestag. Er hat sich für eine Lösung aus Linux für die Server und Windows XP für die Clients entschieden.

Migrationen nicht überstürzen

Die Vorteile der sanften Migration liegen auf der Hand: Psychologisch können Sie durch die allmähliche Einführung von Open-Source-Komponenten bestehende Widerstände in der Belegschaft gegen Linux langsam abbauen und Vorbehalte auflösen. Aus technischer Sicht vermeiden Sie es, komplexe IT-Strukturen unter großen Risiken mit einem Schlag aufzulösen. Das verleiht der Migration ein sicheres Fundament.

Fehlendes Know-how kann langsam und sukzessive aufgebaut werden. In Zeiten knapper IT-Budgets für viele das wichtigste Argument: Die Kosten der Migration können Sie der Finanzlage anpassen. Ist das Geld knapp, wird nur der Datenbank-Server migriert, sind mehr Mittel vorhanden, werden die nächsten Projekte angegangen.

Auf einen Blick: Hilfestellung beim Linux-Umstieg

Migrations-Hilfen

Web-Adresse

IBM Linux Client Migration Cookbook (englisch, 268 Seiten)

www.redbooks.ibm.com/redbooks/pdfs/sg246380.pdf

Migrations-Leitfaden des BMI für Server- und Arbeitsplatz-Systeme (deutsch, 531 Seiten)

http://www.kbst.bund.de, Stichwort: Migrationsleitfaden

Open Source Jahrbuch 2005 der TU Berlin, (deutsch, 498 Seiten oder einzelne Artikel)

http://www.opensourcejahrbuch.de/2005/download.html

Fallstudien

Web-Adresse

Open Source Software am Arbeitsplatz im Magistrat Wien (deutsch)

http://www.wien.gv.at/ma14/oss.htm

Das Projekt „LiMux – Die IT-Evolution bei der Landeshauptstadt (deutsch)

http://www.muenchen.de/Rathaus/referate/dir/limux/89256/index.html

Bundeskartellamt: Von NT nach Linux

http://www.udslinux.de/pdf/doku/univention/Fallstudie-kartell%20amt.pdf

Mecklenburg-Vorpommern

http://ig.cs.tu-berlin.de/oldstatic/Think-Ahead.ORG/pdfs/I-5-Mueller.pdf

Migration von NT nach Linux im Bundeskartellamt

http://sambaxp.org/uploads/media/ganten-XP2003.pdf

Fazit: Stück für Stück

Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Am besten starten Sie mit einer Komponente, die sich leicht herauslösen lässt. Beispielsweise mit dem Ersetzen der kommerziellen Datenbank-Lösung durch eine Open-Source-Variante. Der Vorteil: Grundkenntnisse zu DBMS dürften vorhanden sein und spätestens bei der Migration des Webservers wird in der Regel ein DBMS benötigt. Wenn Zeit und Geld vorhanden ist, machen Sie dann etwa mit dem Fileserver weiter.

Zuletzt können Sie den Desktop umstellen. Sofern die Umstellung der Fach- und Officeanwendungen dies zulassen, kann überlegt werden, in einem Zwischenschritt MS Office nach Open Office auf einem Windows-Client zu migrieren. Natürlich können bei einer sanften Migration die Komponenten für die einzelnen Schritte nicht beliebig ausgetauscht und verschoben werden. Was zusammengehört, sollten Sie auch zusammen lassen. In jedem Fall gilt: Wollen Sie eine Migration in Angriff nehmen, sollten Sie sich im Vorfeld intensiv informieren.(mja)

Dieser Artikel stammt von unserer Schwesterpublikation PC-Welt.