Grundlagen: Raumklang am PC

17.07.2000 von Christian Reul
Viele Soundkartenhersteller werben zwar mit Surroundklang, aus den Boxen dröhnt aber Soundbrei. Dass es anders geht, beweisen A3D, EAX und Sensaura. Doch was steckt dahinter?

Die im Beitrag HiFi- und Kino-3D-Sound erläuterten Codierungsverfahren wie Dolby Digital können für Spiele nicht genutzt werden. Die HiFi- und Video-Surroundsysteme sind auf eine statische Positionierung ausgelegt. Statisch bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, dass sich keine Quelle bewegt. Es besagt vielmehr, dass der Weg der Quelle bei der Aufzeichnung festgelegt wird. Er kann vom Betrachter oder Anwender nicht mehr beeinflusst werden. Bei Spielen hingegen agieren Figuren auf Grund der Steuerung durch den Anwender. Licht, Schatten und Texturen reagieren auf dem Monitor auf die Bewegung der Figur - und das sollte auch für den Sound zutreffen.

Möchte man einen realistischen 3D-Sound für Spiele reproduzieren, muss sich das Klangverhalten den Aktionen des Anwenders dynamisch anpassen. Kommt in einem Spiel von rechts ein Gegner, hören Sie durch die Steigerung der Lautstärke, wie das Geräusch immer näher kommt. Durch die Positionierung des Schrittgeräusches erkennen Sie, ob Ihr Gegner seine Richtung ändert. Wenn Ihre Spielfigur jetzt den Standort ändert oder sich einfach nur dreht, muss eine Surround-Engine die Auswirkungen in die Positionierung der Geräusche des Gegners einfließen lassen. Und das muss möglichst noch mit mehr als zwei Quellen funktionieren.

DirectSound 3D

Grundlegend ist in Windows 98 schon ein 3D-Sound durch DirectX 7.0 implementiert. DirectSound 3D ist ein Teil dieses Paketes und die Schnittstelle für eine hardwareunabhängige räumliche Soundreproduktion. Die mit dieser Funktionsbibliothek erzeugbaren Positionierungen werden auf Softwarebasis berechnet und sind von eher mäßiger Qualität.

HRTF versucht, ein akustisch dreidimensionales Bild durch Intensitäts- und Laufzeitunterschiede zu erzeugen. HRTF ist der erste erfolgreiche mathematische Ansatz, akustische Effekte auf die Hörgewohnheiten abzustimmen. Frühere Methoden waren von einem möglichst naturidentischen Abbild der Soundquelle(n) ausgegangen, um eine möglichst natürliche räumliche Positionierung von Geräuschen zu ermöglichen.

Sind nur zwei Lautsprecher am PC angeschlossen, führt HRTF auf Grund fehlender Phasenstarre und Laufzeitverzerrungen zu einer ungenauen Ortbarkeit. In Verbindung mit vier Lautsprechern ist HRTF dagegen ein äußerst präzises Modell mit dementsprechend guten Ergebnissen.

Vorteil der auf DirectSound 3D aufsetzenden 3D-Systeme ist die hohe Kompatibilität zu jeglicher Soundhardware. DirectSound 3D mit zwei Lautsprechern wird aber erst durch zusätzlich eingebundene APIs so leistungsfähig, dass ein realistischer Raumeindruck entsteht.

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Spatializer

Die ersten Ansätze für 3D-Sound am PC basierten auf dem 4-in-2-Prinzip: Aus dem vorhandenen Stereosignal wird per digitalem Filter die Surround-Information herausgefiltert und mit leichter Verzögerung und einer definierten Phasenverschiebung wiedergegeben. Vertreter dieser Gattung sind der Spatializer, SRS und QSound.

Am weitesten verbreitet ist der Effekt QSound von Spatializer Audio Labs. Er wird nicht nur im PC-Bereich, sondern auch für HiFi-Anwendungen zum Aufpeppen des räumlichen Eindruckes eingesetzt. Spatializer 3D Stereo geht dabei recht aufwändig vor. Es werden die beiden grundlegenden Effekte der Psychoakustik genutzt: ITD und IID.

Im Spatializer-Prozessor wird zunächst die Differenz zwischen dem linken und dem rechten Kanal gebildet. Diese ist vorwiegend für die Laufzeitunterschiede und das ungleiche Intensitätsempfinden verantwortlich. Dieses Signal wird dem ursprünglichen Signal in Echtzeit wieder zugemischt. Das Ergebnis sind verstärkte ITD- und IID-Effekte, die den räumlichen Eindruck intensivieren. Eine dynamische Positionierung von Klangquellen in einem Spiel ist aber unmöglich.

Der Vollständigkeit halber sei noch Q3D-Sound erwähnt. Es ist ein HRTF-basierendes 3D-Soundsystem, welches auf zwei Lautsprechern recht ansprechende räumliche Ergebnisse verspricht, aber so gut wie von keiner Anwendung optimal unterstützt wird. Ein Vorteil von Q3D ist, dass es die CPU zur Berechnung der Effekte nur sehr gering belastet.

Neue Richtlinien für 3D-Sound

Die IASIG (Interactive Audio Special Interest Group), die sich aus wichtigen Firmen der Soundindustrie zusammensetzt, hat Mitte der 90er-Jahre Richtlinien zur 3D-Sounderzeugung für Spiele erarbeitet. Sie ermöglichen das freie Positionieren mehrerer unabhängiger Schallquellen im Raum. Das Signal wird in Echtzeit berechnet, damit das visuelle Spielgeschehen und die Sounduntermalung synchron verlaufen.

Aus diesen grundlegenden Forderungen haben sich drei industrielle Lösungen durchgesetzt: A3D von Aureal Semiconductors, Environmental Audio von Creative Labs und Sensaura. Alle drei Verfahren basieren auf der freien Positionierbarkeit von Schallquellen und arbeiten mit vier Kanälen.

Übersicht DSPs und 3D-Sound

3D-Sound

Aureal A3D

Ceative Labs EAX

Sensaura

Haupt-DSP

Vortex 2

EMU 10k1

ESS Canyon3D, YMF7xx, Maestro 2(E)

Max. Anzahl der Soundquellen

16

32

32+

Lautsprecher

2 / 4

2 / 4

2 / 4, 4.1, 5.1

3D Sound-positionierung

Positionierung mit Koordinaten X,Y,Z

Vorgegebene Umgebungen

Interpretiert EAX, A3D Zusätzlich MacroFX

Environmental Audio (EAX)

Durch die Nutzung von ITD und IID kann vom menschlichen Ohr der Winkel, in dem ein Klangereignis bezüglich der Kopfstellung stattfindet, recht genau bestimmt werden. Aber keine der beiden Methoden gibt dem Gehirn Anhaltspunkte, wie weit die Quelle entfernt ist. Entscheidend dafür ist das Verhältnis vom direkten Schallanteil zum Hall. Das wird durch das DRR bestimmt. Environmental Audio definiert in erster Linie die Umgebung (Environment), in der sich die Spielfigur befindet.

Ein Grund für die weite Verbreitung von EAX bei Spielen ist die einfache Implementierung für die Spieleentwickler. Als Basis stehen bei EAX erst einmal 26 Presets zur Verfügung, die vom Spieleentwickler jeweils noch in der Intensität des Halls (DRR) angepasst werden können. Die Umgebungen in den Presets definieren sich aus Raumgröße und Struktur. Das heißt, dass in zwei geometrisch identischen Räumen trotzdem unterschiedlicher Hall herrschen kann, wenn es das "Material" der Wände erfordert. Die verschiedenen Reflexionseigenschaften unterschiedlicher realer Materialien fließen also in die Berechnung mit ein.

Programmiertechnisch gesehen setzt EAX als Erweiterung auf DirectSound 3D auf. Daher kann es nur effektiv mit Spielen eingesetzt werden, die unter dieser Umgebung laufen. Die erste Version von Environmental Audio, EAX 1.0 berechnete nur den Abstand zwischen dem Hörer und der Soundquelle und positionierte sie demgemäss in einem virtuellen Raum. Zusätzliche Einflüsse wie Reflexionen an anderen Gegenständen oder Abschattungen kamen noch nicht hinzu. Dieses Manko wurde mit der Version 2.0 behoben. Falls beispielsweise mehrere Spieler auf einem Level gegeneinander spielen, ist es nun auch akustisch möglich, Gegenstände, die in die "Schusslinie" geraten, akustisch nachzubilden.

Aktuell ist die EAX-Version 3.0. Damit können Entwickler individuell Reflexionen isolieren und einen weichen Übergang in Form eines Morphing-Effektes zwischen verschiedenen Raummodellen erzielen. Teile von EAX sind in DirectX 8.0 direkt implementiert und werden so für eine weitere Verbreitung sorgen.

Soundkarten für EAX

Nur wenige Soundkarten sind für Environmental Audio zertifiziert. In der Tabelle finden Sie die aktuelle Übersicht. Auf der Homepage von Creative Labs stehen weitere "EAX-zertifizierte" Produkte wie PC-Lautsprecher.

Soundkarten für EAX

Hersteller

Produkt

Creative Labs

Sound Blaster Live! Platinum

Creative Labs

Sound Blaster Live! X-Gamer

Creative Labs

Sound Blaster Live! MP3+

Creative Labs

Sound Blaster Live! Player

Creative Labs

Sound Blaster PCI 512

Aureal A3D

Aureal A3D ist ein Verfahren der räumlichen Sounddarstellung, das auf Raumkoordinaten basiert und nicht auf DirectSound 3D aufsetzt. Zur Positionierung werden drei Koordinaten und die Geschwindigkeit benötigt. Die psychoakustische Umsetzung der Geschwindigkeit erfolgt durch den Doppler-Effekt. Dieser beruht darauf, dass eine bewegte Schallquelle beim stehenden Zuhörer mit einer veränderten Tonhöhe wahrgenommen wird. Bewegt sich die Quelle auf den Hörer zu, erscheint die Frequenz durch die Addition mit der Bewegungsgeschwindigkeit höher als beim stehenden Objekt. Bewegt sich das Objekt vom Hörer weg, kehrt sich dieser Effekt um. Diese Frequenzänderung ist proportional zur Geschwindigkeit.

A3D ist in DirectX ab Version 5 integriert. Um den Surroundeffekt auf zwei Lautsprechern nutzen zu können, ist eine Soundkarte mit Vortex-Chip erforderlich. Es gibt allerdings auch eine Reihe von Soundkarten, die über eine Software ohne entsprechende Hardwaredecodierung zu A3D kompatibel sind.

Die zurzeit aktuelle Version von Aureal A3D ist A3D 2.0. Die neuen Features: Wavetracing, eine höhere Sampling-Rate von 48 kHz, die Unterstützung von bis zu 16 3D-Quellen und bis zu 64 3D-Reflexionsquellen. Bei Wavetracing handelt es sich um die Berechnung von Echtzeit-Reflexionen und -Hall an und um Hindernisse im Raum. Außerdem können Oberflächen mit bestimmten Reflexionseigenschaften akustisch nachgebildet werden. Des Weiteren beherrscht A3D 2.0 einen neuen Emulationsmodus über die PC-CPU, sodass auch Karten ohne Vortex 2-Chip die Effekte nachbilden können. Das geht aber deutlich zu Lasten der CPU. A3D 2.0 ist abwärtskompatibel zu 1.0 und ebenso nicht DOS-kompatibel. Ein entscheidender Nachteil von A3D ist die sehr aufwendige Implementierung für Programmierer in Spielen. Daher ist die unterstützte Basis nicht so groß wie bei EAX.

Soundkarten für A3D.

Die folgende Übersicht bietet eine Auswahl von Soundkarten für A3D.

1. Soundkarten mit Aureal Vortex 1-Chipsatz

Hersteller

Produkt

Aureal

Vortex 1 PCI

Aztech

PCI 338-A3D

Diamond

Sonic Impact S90

Genius

Soundmaker 64

Multiwave

AudioWave Digital Sound

Orchid

NuSound 3D

Pine

Schubert 64 A3D-1

Skywell

Magic Sound

TerraTec

Xlerate PCI

Turtle Beach

Montego

2. Soundkarten mit Vortex 2-Chipsatz:

Hersteller

Produkt

Aureal

Vortex 2 PCI

Aureal

Vortex 2 Super Quad 2500

Diamond

Monster Sound MX 300

Turtle Beach

Montego II

Turtle Beach

Montego II Home Studio

Turtle Beach

Montego II Quadzilla

TerraTec

Xlerate Pro PCI

Videologic

SonicVortex 2

Xitel

Storm Platinum

3. Soundkarten mit A3D-Emulation

Hersteller

Produkt

AOpen

AW 300

Aztech

PCI 368-DSP

Creative Labs

Soundblaster PCI 16

Creative Labs

Soundblaster PCI 64

Creative Labs

Soundblaster PCI 128

Creative Labs

Soundblaster LIVE! (Serie)

Diamond

Monster Sound MX 400

Guillemot

Maxi Studio ISIS

Guillemot

Maxi Sound FORTISSIMO

Videologic

Apocalypse 5D Sonic

Videologic

SonicStorm

Yamaha

WaveForce 192XG

Yamaha

WaveForce 192D Digital

Sensaura 3D Audio Technology

Der dritte große Player im Bunde ist Sensaura mit Sensaura 3D Audio Technology. Diese API für Direct Sound 3D besteht eigentlich aus mehreren Verfahren, die jeweils auf Kopfhörer, Zweilautsprecher-Systeme und Vierlautsprecher-Systeme optimiert sind.

Das Sensaura-Verfahren basiert grundsätzlich auf HRTF und Crosstalk-Cancellation. HRTF ist auch hier, wie bei EAX, für die korrekte Winkelpositionierung der Schallquelle bezüglich der Hörachse verantwortlich. Die Genauigkeit der Winkelpositionierung hängt davon ab, ob die jeweiligen Schallanteile, die für das rechte und linke Ohr bestimmt sind, nur vom "richtigen" Ohr aufgenommen werden. Das funktioniert mit Kopfhörern einwandfrei, da jede Hörmuschel einen definiert abgeschirmten Raum bildet. Mit Lautsprecherboxen gibt es allerdings das Problem des akustischen Übersprechens, also, dass Schallanteile der linken Box beispielsweise ans rechte Ohr gelangen. Dadurch wird die Positioniergenauigkeit erheblich gestört.

Deshalb setzt Sensaura zusätzlich auf Crosstalk-Cancellation. Dazu wird ein bestimmter Signalanteil aus jedem Kanal herausgefiltert und gegenphasig mit den jeweils gegenüberliegenden Boxen abgestrahlt. Das Ergebnis am Ohr ist idealerweise die subtraktive Überlagerung der unerwünschten Schallanteile mit dem gegenphasigen Signal - also die Auslöschung.

Die Entfernung einer Schallquelle zum Hörer wird bei Sensaura durch Hall und Filterung realisiert. Für die virtuelle Positionierung einer Quelle in einer Entfernung von 1 m bis 5 m mischt Sensaura Hallanteile hinzu. Über 5 m findet eine zusätzliche Höhenabsenkung statt, um die natürliche Filterung durch die Luft über größere Distanzen zu simulieren.

Sensaura: MacroFX und ZoomFX

Um im sehr nahen Bereich eine genauere Positionierung von Schallquellen zu ermöglichen, hat Sensaura noch einen neuen, zusätzlichen Algorithmus entwickelt: MacroFX. Optimiert werden dadurch Distanzen unter einem Meter. Dabei wird die Verteilung der Schallanteile dreidimensional um den Hörer berechnet. Dieser Algorithmus wird als Ergänzung von HRTF verwendet und auch von Direct Sound 3D kontrolliert. Durch die besondere Erweiterung des Nahfeldes können mit MacroFX folgende besonderen 3D-Effekte generiert werden:

Mit MacroFX können fünf definierte Zonen um den Kopf herum angesprochen werden. Zone 0 im Modus für weite Entfernungen, Zone 1 mit HRTF und Hall, Zone 2 mit dem MacroFX Nahfeld-Algorithmus, Zone 3 "Flüstermodus" linkes Ohr, Zone 4 "Flüstermodus" rechtes Ohr und Zone 5 mit "Im-Kopf-Lokalisation".

Als Bonbon bietet Sensaura eine Emulation von Aureals A3D und EAX . Dabei werden nicht alle Funktionen vollständig unterstützt, aber es ist eine gute Möglichkeit, EAX auf einem ESS- oder Yamaha YMF-Chip überhaupt zu interpretieren.

Soundkarten für Sensaura

Die folgende Übersicht bietet eine Auswahl von Soundkarten für Sensaura. Eine ständig aktualisierte Auflistung finden Sie auch auf der Homepage von Sensaura.

Soundkarten für Sensaura

Hersteller

Produkt

TerraTec

DMX X-Fire

Diamond

Sonic Impact S100

Guillemot

Maxi Sound Fortissimo

TerraTec

SoundSystem DMX

Yamaha

XG-Quad

Yamaha

XG-Movie 5.1

Yamaha

192 XG

VideoLogic

SonicStorm Pro

Hoontech

Soundtrack Digital XG

Powercolor

Baton 724

Labway

Xwave D1X Series

Labway

Xwave D2X Series

Labway

Xwave J8X Series

Labway

Xwave J9X Series

AOpen

AW744

AOpen

AW724

AOpen

AW300

AOpen

AW230

A-Trend

Xwave-192

Innoware

ESS Maestro-2 PCI Sound Card

Innoware

YAMAHA XG 724 PCI Sound Card

Fazit

Welchem 3D-Soundverfahren gehört die Zukunft? Auf der Gewinnerseite dürfte mit Sicherheit EAX stehen. Durch die partielle Implementierung in Direct X 8.0 ist dank Microsoft für eine weite Verbreitung gesorgt.

Aber auch Sensaura kann dank universeller Einsatzmöglichkeiten und Emulation von EAX und A3D gut punkten. Für Sensaura 3D Audio spricht noch die breite Hardwareunterstützung, die einen Einsatz auf vielen schon bestehende Plattformen problemlos ermöglicht. Wer sich für eine neue Soundkarte entscheidet, sollte darauf achten, dass die Hardware mindestens einen dieser Standards unterstützt.

Mit A3D konnte Aureal einen Quasi-Standard für 3D-Sound schaffen, der neben EAX von Creative Labs unter Spiele-Entwicklern akzeptiert ist. Das Problem ist nur: Der kalifornische Hersteller ist pleite. Im April hat das Unternehmen Gläubigerschutz nach Chapter 11 beantragt. Nachdem das gesamte Top-Management gekündigt hat, ist das Überleben der Firma und des Standards höchst zweifelhaft. (nha)