Grundlagen: HiFi- und Kino-3D-Sound

17.07.2000 von Christian Reul
Die dreidimensionale akustische Wiedergabe hat eine lange Geschichte mit vielen Evolutionsschritten hinter sich. Dieser Artikel informiert Sie über vergangene, derzeitige und zukünftige Standards.

Im täglichen Leben sind wir es gewohnt, Schallquellen recht präzise zu orten. An einer weniger belebten Kreuzung ist es beispielsweise ohne weiteres möglich, die Richtung und grob die Geschwindigkeit herannahender Autos zu bestimmen. Wir bilden im Gehirn mit Hilfe der Information unserer Ohren ein dreidimensionales Modell der wirklichen Klangwelt. Diesen Eindruck auch im Kino oder beim Fernsehen zu vermitteln ist seit langer Zeit das Bestreben der Ingenieure und Medienkonzerne.

Im weiteren Verlauf des Artikel stellen wir Ihnen die im Kino und Fernsehen benutzten Surround-Verfahren vor. In einem eigenen Artikel erfahren Sie, warum diese Verfahren für Soundkarten ungeeignet sind und wie Raumklang am PC realisiert wird.

Grundlagen des Hörens

Das räumliche Hören entsteht durch Intensitäts- und Laufzeitunterschiede des Schalls von der Quelle zu den Ohren. Damit lässt sich der Winkel, in dem sich die Schallquelle zum Hörer befindet, sehr genau bestimmen. Intensitätsunterschiede einer Schallquelle lassen sich sehr einfach durch eine Rechts/Links-Ortung darstellen. Befindet sich die Schallquelle näher am linken Ohr, ist dort die Intensität des Geräusches und damit das subjektive Schallpegelempfinden höher als am rechten Ohr. Wir stufen die Quelle dann als "weiter links" ein. Dieser Effekt lässt sich sehr einfach an der heimischen Stereoanlage mittels des Balancereglers nachempfinden. Durch die Veränderung der Balance von rechts nach links scheint eine Quelle zwischen den Boxen zu wandern.

Die Laufzeitunterschiede des Schalls helfen auch mit, die Tiefeninformation zu transportieren. Wird eine Schallquelle sowohl für das rechte als auch für das linke Ohr gleichmäßig leiser, scheint sie sich gerade von uns wegzubewegen. Doch damit ist erst eine unvollständige Lokalisation möglich. Kommt noch ein Hallanteil hinzu, ist die räumliche Tiefe geradezu perfekt auszuloten. Doch Hall ist nicht gleich Hall. Unterschiedliche Raumformen und Materialien spielen eine große Rolle, da so unterschiedliche Effekt auftreten. Die Dämpfung bestimmter Frequenzen im Hallanteil und die Nachhallzeit sind deshalb ein wichtiger Faktor bei der Lokalisation einer Schallquelle in der Tiefe eines Raumes.

In den Anfängen der Stereofonie Ende der 50er-Jahre ging man davon aus, dass sich das Prinzip der "zwei Ohren" komplett umkehren lasse, dass also mittels zweier Lautsprecher die komplette Rauminformationen naturgetreu wiedergegeben werden kann.

Aber mit der Stereotechnik lassen sich Tiefeninformationen nur äußerst rudimentär wiedergeben. Denn Lautsprecher sind keine ideale physikalische Quelle. Sie produzieren frequenzabhängige Phasenverschiebungen und Sekundärreflexionen, die das Ohr irritieren. Daher kam es in den 70er-Jahren zu den ersten kommerziellen Quadrofonie-Systemen.

Von der Quadrofonie zu Dolby Digital

Die HiFi-Quadrofonie basiert auf einer durchgängigen Aufzeichnung von vier unabhängigen Kanälen. Das bedeutet, dass herkömmliche Stereo-LPs (oder heute CDs) nicht den gewünschten Quadro-Genuss bringen können. Aus diesem Grund konnte sich Quadrofonie nie richtig durchsetzen.

Denn nur eigens vierkanalig aufgenommene Tonträger bringen den gewünschten Effekt. Eine vierkanalige Codierung auf einer Vinylplatte war in den 70ern ein teures und aufwendiges Verfahren. Die seitliche Bewegung des Schneidestichels schnitt die Stereoinformation in das LP-Master . Die vertikale Richtung wählte man auf Grund ihres begrenzten Frequenzumfanges für die weniger kritischen hinteren Kanäle.

Ein spezieller Tonabnehmer im Plattenspieler, ein Vierkanalverstärker sowie vier Boxen waren Pflicht, um eine ansprechende Raumdarstellung zu erhalten.

Dolby Surround

Der nächste Schritt auf dem Wege zum Raumklang wurde durch Dolby Surround eingeleitet. Mit immer größerer Verbreitung von Videorecordern in den 80er-Jahren gewann im Heimvideobereich die analoge und anfänglich dreikanalige Codierung von Videosound immer mehr an Bedeutung.

Im Gegensatz zur Quadrofonie verwendet Dolby Surround das Kanalcodierungsschema Rechts - Links - Surround. Surround enthält das kombinierte Signal hinten links und rechts. Der Surround-Kanal wird phasenverschoben in die beiden vorderen Kanäle codiert. Das hat den Vorteil, dass man nur zwei Kanäle übertragen muss und mit einem normalen Stereoverstärker eine gute Stereowiedergabe erzielen kann. Mit einem analogen Dolby Surround Decoder kann das Surroundsignal extrahiert und ein Raumklang erzeugt werden.

Der Nachteil ist, dass sich die codierte Information nicht wieder vollständig rekonstruieren lässt. Um diese "Fehler" zu kaschieren, ist das Surroundsignal in den Höhen gedämpft. Da das menschliche Ohr Geräusche mit steigender Frequenz besser orten kann, werden durch die fehlenden hohen Anteile die Unzulänglichkeiten nicht so stark wahrgenommen. Eine verzögerte Wiedergabe des rückwärtigen Signals verstärkt den Raumeindruck zusätzlich.

Dolby Pro Logic

Der nächste Schritt zur Verbesserung des Dolby Surround Sound war die Einführung des Dolby Pro Logic-Decoders. Dieser bringt zusätzlich einen vierten Kanal mit ins Spiel - den Center-Lautsprecher - und nimmt eine dynamische Lautstärkeanpassung vor: Wenn er feststellt, dass ein Kanal lauter ist als die anderen, werden die leiseren Kanäle noch etwas in der Lautstärke abgesenkt, um die Kanaltrennung scheinbar zu verbessern. Der Begriff scheinbar wird dem Effekt am ehesten gerecht, weil diese Pegelanpassung nichts mit dem ursprünglichen Lautstärkeverhältnis zu tun hat. Einen handfesten Vorteil bietet der zusätzliche Center-Lautsprecher, der gerade bei Dialogen die Positionierbarkeit der Sprecher verbessert. Durch die Codierung aller vier Kanäle in die zwei Stereospuren ist aber auch bei Dolby Pro Logic der Raumeindruck nicht optimal.

Dolby Digital

Endgültig Schluss mit der Codierung mehrerer Kanäle in nur zwei Stereospuren macht die aktuelle digitale 5.1-Codierung, allgemein auch als Dolby Digital oder, nach dem benutzten Kompressionsverfahren, auch als AC 3 bezeichnet. Im professionellen Kinobereich heißt das Verfahren Dolby Surround Digital, welches auf eine größere Anzahl von Surround-Lautsprechern zugreift, aber nicht mehr Kanalinformationen bietet. Das Dolby-Digital-Verfahren ist für private Anwender an die DVD gebunden. Sie ist zurzeit das einzige verbreitete Medium, das acht unabhängige Tonkanäle zur Verfügung stellt.

Dolby Digital ist das verbreitetste Surround-System auf DVD. Es beinhaltet fünf voneinander getrennte Kanäle für Raumklang-Informationen: Vorn rechts - Mitte (Center) - vorn links - hinten rechts - hinten links. Zusätzlich steht ein weiterer Kanal mit Bassinformationen zur Verfügung. Dieses Signal kann an einen zusätzlichen Subwoofer angeschlossen werden, der das Bassfundament unterstützt. Er trägt auf Grund der mangelnden Positionierbarkeit tieffrequenter Signale nicht zur Ortbarkeit bei.

Auf Grund der getrennten Kanäle für alle Rauminformationen hat Dolby Digital gegenüber dem analogen Surround einen deutlichen Vorsprung. Es lassen sich wesentlich präzisere Effekte realisieren und ein größerer Frequenzumfang ausschöpfen. Durch den höheren Signalrauschabstand fällt das Grundrauschen bei Zimmerlautstärke auch nicht mehr ins Gewicht.

Die technischen Eckdaten für das Dolby-Digital-Format sehen folgendermaßen aus: Die Hauptkanäle können in einem Frequenzumfang von 3 Hz bis 20 kHz codiert werden und für den Sub-Kanal stehen 3 Hz bis 120 Hz zur Verfügung. Die Untergrenze von 3 Hz ist dabei nicht realistisch, da die meisten Decoder bei rund 20 Hz einen Filter aufschalten, der Verstärker und Lautsprecher vor der Überlastung durch Infraschall- Signale schützen soll. Üblich sind Abtastfrequenzen von 44,1 kHz oder 48 kHz. Beide werden von gängigen Decodern unterstützt. Außerdem besteht die Möglichkeit, ein Stereosignal zu extrahieren, sodass Kompatibilität zu bestehenden Stereosystemen ermöglicht wird.

Nahezu alle aktuellen PC-DVD-Laufwerke verfügen über einen digitalen Ausgang, an dem das Dolby Digital 5.1 Signal anliegt. Wer eine Soundkarte mit digitalem S/PDIF-Eingang besitzt, mag in Versuchung kommen, dieses Digitalsignal direkt in die Soundkarte einzuspeisen. Doch Vorsicht! Da der Dolby-Digital-Ausgang ein codiertes Signal abgibt, wird über einen normalen S/PDIF-Eingang nur ein Rauschen mit vielen hochfrequenten Anteilen wiedergegeben, das bei höherer Lautstärke leicht die Hochtöner der angeschlossenen Boxen ins jenseits befördert. Es ist unbedingt ein externer Decoder oder Verstärker mit Decoder erforderlich. Dann steht auch dem DVD-Genuss über einen PC mit eingebautem DVD-ROM nichts mehr im Wege.

THX und DTS

Neben Dolby Digital gibt es noch weitere 3D-Soundcodierungen.

DTS

Das Digital Theater Soundsystem (DTS) wurde erstmals 1993 mit Erscheinen von Stephen Spielbergs Jurassic Park eingeführt. Dazu mussten damals mehrere Tausend Kinos mit DTS-Abspielgeräten ausgestattet werden. Die Besonderheit an DTS war, dass der 35mm-Film den analogen optischen Ton-Track integriert hatte, aber der Sound im DTS-Format synchron von mehreren CDs kam. Im Film ist ein Timecode untergebracht, der Bild und CD-Sound synchronisiert. Setzt die Synchronisation mit dem CD-Player kurzzeitig aus, wird auf die Standard-Analogspur des Films zugegriffen.

DTS entspricht von der Kanalverteilung her dem Dolby Digital 5.1. Durch eine höhere Datenrate verspricht es aber eine noch bessere Klangqualität. Während Dolby Digital nur 640 KBit/s vorsieht, ist DTS für 4096 KBit/s spezifiziert. Das Verfahren erlaubt eine Kodierung von maximal 8 Kanälen bei einer Samplerate von bestenfalls 24 Bit. Die Abtastfrequenzen liegt zwischen 8 und 192 kHz.

THX

Dolby Digital und THX werden häufig als konkurrierende Formate dargestellt. Rein technisch gesehen sind es aber zwei sich ergänzende Systeme. Während Dolby Digital die Aufteilung der Signale und ihre Codierung/Decodierung beschreibt, ist THX für die Lautsprecher und Raumakustik zuständig. THX setzt also auf Dolby Digital auf.

Das geht so weit, dass Dolby-Digital-Kinoprozessoren sogar THX-zertifiziert sind. Der Lucasfilm THX-Standard legt zum einem die Raumparameter wie die Nachhallzeit oder die Absorption bestimmter Frequenzen fest. Zum anderen werden die Anordnung und die Daten der Boxen sowie die Leistungsparameter der verwendeten Endstufen genau beschrieben. Dadurch soll gewährleistet sein, dass in den verschiedenen THX-Kinos immer der gleiche Sound zur Verfügung steht.

Dolby Digital Surround EX und SDDS

Ein erweiterter Dolby Digital-Standard ist Dolby Digital Surround EX. Dabei wird dem Digital 5.1 System noch ein weiterer Surround-Kanal hinzugefügt. So stehen dann für die hinteren Lautsprecher nicht nur die Rechts/Links-Informationen zur Verfügung, sondern auch ein hinterer Surround-Center-Kanal. Die Ortbarkeit des Surround-Signals wird so noch einmal verbessert. Gegenwärtig ist Surround EX allerdings nur für Kinos verfügbar.

Sony Dynamic Digital Sound

Sony Dynamic Digital Sound (SDDS) ist ein eigenständiger Standard, der zurzeit nur in entsprechend ausgerüsteten Kinos verwendet werden kann. SDDS setzt auf acht getrennte Kanäle für Toninformationen. Diese werden digital auf einen 35-mm- Kinofilm optisch aufgebracht.

Ähnlich der Pits auf einer CD sind die Soundspuren durch verschieden lange, mikroskopisch kleine Balken auf den Randspuren des Films aufgebracht. Sie werden von einem digitalen SDDS-Decoder im Projektor ausgelesen und idealerweise einer Achtkanal-Audioanlage zugeführt. Für den Heimbereich gibt es keine Möglichkeit, SDDS zu decodieren oder SDDS-codierte Bildträger zu bekommen.

LPCM und MPEG

Für reine Musik-DVDs ist LPCM im Gespräch. Dieses Format ist unkomprimiert und unterstützt Abtastfrequenzen bis 96 kHz, was dem heutigen Studiostandard entspricht. Der Nachteil liegt in der immensen Datenmenge, die hierbei anfällt. Für die Videodatei auf der DVD wäre wohl kaum noch ausreichend Platz, um einen Abend füllenden Film unterzubringen. Daher könnte das Format nur einmal für absolute Highend-Tonaufnahmen mit Surround-Effekten interessant werden.

MPEG

Grundlagen für die Standardisierung digitaler Musik und Filme schafft die MPEG. Dies ist eine Organisation der ISO (International Standard Organisation), ein Zusammenschluss weltweiter Industriefirmen zur Schaffung von Normen.

Seit 1988 legt die MPEG Standards zur Codierung fest. Der erste, MPEG1, ist der Standard, auf dem Video-CD und MP3s basieren. MPEG2 ist die Grundlage für Set-Top-Boxen (digitales Fernsehen) und DVDs. Multimedia auf Webpages wird im Standard MPEG4 beschrieben.

Die aktuelle Ausgabe ist MPEG7, der als Multimedia Content Description Interface angeführt wird. Dahinter verbirgt sich ein einheitlicher Code für multimediale Inhalte auf verschiedenen Hardwareplattformen. Mit MPEG7 soll ein einheitliches Datenformat für die verschiedensten Anwendungen geschaffen werden. So sollen zum Beispiel 3D-Audioformate auf unterschiedlicher Hardware immer die gleichen Effekte bringen. Auf der anderen Seite soll MPEG7 Anwendungsschnittstellen definieren, die sich neben Audio und Video auch auf Webinhalte, Spiele und andere Applikationen beziehen.

Fazit

Von den verschiedenen Surround-Varianten, die in "Lichtspielhäusern" und Heimkinos eingesetzt werden, sind heute hauptsächlich Dolby Digital und zusätzlich THX im Einsatz. Die anderen Surround-Verfahren sind zweitrangig, da sie nie richtig Fuß fassen konnten. Das liegt zum einen am guten Marketing von Dolby. Zum anderen liegt es am Erfolg der DVD, denn sie setzt fast ausschließlich auf Dolby Digital. (nha)