Großer Bruder

10.03.2000
Neue Linux-Distributionen und kein Ende - der amerikanische Anbieter Caldera hatte mit "Open Linux 2.3" bisher nur eine reine Desktop-Variante im Angebot. Rechtzeitig zur diesjährigen CeBIT stellte der Anbieter aus Utah nun unter dem Namen "Open Linux eServer 2.3" den "großen Bruder" dieses Systems vor - ein für den Serverbetrieb optimiertes Linux.

Von: Frank-Michael Schlede

Die meisten Anbieter von Linux-Distributionen versuchen ihre Betriebssysteme für möglichst viele Einsatzmöglichkeiten auszulegen. Das führt beispielsweise dazu, dass eine Suse-Distribution heute mit sechs CDs ausgeliefert wird und bei der Installation eine große Anzahl von unterschiedlichen Optionen für die verschiedenen Einsatzzwecke des Systems zur Verfügung stellt.

Ein gewisser Wandel setzt jedoch bereits ein: So werden einige Linux-Systeme wie beispielsweise "Corel-Linux" oder "easyLinux" nur und speziell als Desktop-Betriebssysteme ausgeliefert, die dann in direkte Konkurrenz zu den Windows-Installationen treten sollen. Aber auch für den Serverbetrieb werden nach und nach spezielle Linux-Distributionen vorgestellt. Red Hat brachte erst kürzlich eine so genannte "Professinal"-Version des eigenen Red Hat Linux 6.1 auf den Markt, und Caldera zieht nun mit dem "Open Linux eServer 2.3" nach.

Die Caldera-Software ist im Moment nur in einer amerikanischen Version erhältlich, die aber in unserem Test keinerlei Probleme mit der deutschen Tastatur oder gar der Darstellung der Umlaute zeigte. Das System baut auf einen 2.2.14-Kernel auf, der laut Angaben von Caldera speziell für den Betrieb auf Pentium-III- und kompatiblen Systemen optimiert wurde. Bei diesem kurzen Review war es uns jedoch nicht möglich, diese Behauptung zu überprüfen. Allerdings ist nicht unbedingt als Optimierung zu bezeichnen, wenn das System standardmäßig auch auf einem Single-Prozessor-System ohne weitere Nachfrage oder einen Hinweis immer mit dem SMP-Kernel (Symmetric Multiprocessing) installiert wird, der speziell für den Multiprozessorbetrieb entwickelt wurde. Diese Problematik tritt auch bei den Desktop-Versionen von "Open Linux" auf.

Schnelle und problemlose Installation

Die Installation des Betriebssystems ist insgesamt als gelungen zu bezeichnen. Wer bereits einmal die Desktop-Variante des Caldera-Systems installiert hat, der kennt sicherlich das grafische Installationswerkzeug "Lizard", das auch hier zum Einsatz kommt. Die Hardware-Erkennung funktioniert bei den Caldera-Systemen insgesamt sehr gut und so gab es auch auf unserem Test-Server, einem Dell-Rechner mit SCSI-Controller und -Festplatte sowie einer Mach64-Grafikkarte von ATI, keinerlei Probleme. Bei der Auswahl des Installationsprofils werden unterschiedliche Server-Versionen angeboten:

- Web-Server,

- File-Print-Server,

- Network-Server und

- ein so genannter Minimum-Server.

Wir wählten die Möglichkeit aus, alle verfügbaren Pakete zu installieren, was einen Festplattenplatz von ungefähr 1,4 GByte beanspruchte. Vorsicht ist noch bei der Aufteilung der Festplatte(n) geboten. Im manuellen Modus ermöglicht es der Server zwar problemlos, bereits bestehende Unix-Partitionen in das System mit einzubinden, das Tool setzt aber automatisch die Abfrage nach einer Formatierung dieser Partition auf "ja". Wer hier nicht ein wachsames Auge auf die verschiedenen "Kästchen" der grafischen Oberfläche hat, kann beim Neustart eine böse Überraschung erleben.

Während der Installation werden auch die Parameter für die Netzwerkanbindung abgefragt, sodass nach Reboot und Neustart der Linux-Server zur Verfügung steht. Sowohl in persönlichen Gesprächen auf der diesjährigen CeBIT als auch auf der eigenen Web-Site wurde von Caldera-Mitarbeitern hervorgehoben, wie einfach und schnell der Server durch den Einsatz des Werkzeugs "webmin" zu administrieren sei. Auch im insgesamt etwas spärlichen "Systems Administrator’s Guide", der als ungefähr 150 Seiten umfassende Broschüre in englischer Sprache mitgeliefert wird, nimmt dieses Werkzeug einen breiten Raum ein. Allerdings muss der ungeübte Administrator schon etwas suchen, bis er den Hinweis findet, wie er denn nun Zugriff auf dieses Konfigurationswerkzeug erhält. Hier wäre es sicher praktisch gewesen, im ansonsten gut konfigurierten KDE-Desktop des Superuser-Accounts einen direkten Zugriff zu integrieren. So findet man erst nach einigem Suchen heraus, dass die Oberfläche einfach über einen Aufruf der Form "http://localhost:1000" zu erreichen ist.

Konfiguration mit dem Browser

Bei "webmin" handelt es sich um eine Browser-gestützte Oberfläche, die eine weitgehende Konfiguration eines Unix-Systems ermöglicht. Das Werkzeug besteht im Prinzip aus einen Web-Server, der einige CGI-Dateien verwendet, die in Perl geschrieben sind. Da alle Änderungen und Konfigurationen auf diese Art und Weise nur in den Standarddateien des Linux-Systems vorgenommen werden, ist man beim Einsatz dieses Werkzeug immer auf der sicheren Seite: Änderungen werden nur in den entsprechenden Systemdateien vorgenommen, ganz gleich ob sie nun unter "webmin" oder "per Hand" direkt in den Unix-Dateien vorgenommen werden. "webmin" unterstützt ein Modul-Konzept, das beispielsweise auch die Einbindung von Java-Applets erlaubt. Hier stellt der Caldera-Server unter anderem einen Telnet-Client zur Verfügung, der ein direktes Einloggen unter "webmin" erlaubt.

Unsere Versuche mit dem "webmin"-Tool zeigten, dass es sich dabei um eine grundsätzlich sehr praktische Lösung handelt, die es dem Administrator deutlich erleichtert, einen Linux-Server zu verwalten. Auch hat man sich bei Caldera bemüht, alle Verwaltungsaufgaben in diese Oberfläche zu integrieren. Leider scheinen einige Skripts, die dabei zum Einsatz kommen, noch nicht ganz ausgereift zu sein. So wird beispielsweise bei der Samba-Konfiguration ein String "Workgroup" fest in die Konfigurationsdatei geschrieben, der dadurch den Eintrag der eigenen Arbeitsgruppe unwirksam macht. Erst durch manuelle Bearbeitung der "smb.conf" war dieses Problem zu beheben. Insgesamt ist das Arbeiten mit dieser Oberfläche aber sehr gut gelöst. So finden sich bei den meisten Einträgen auch gleich die entsprechenden Links auf die verschiedenen Hilfe-Seiten auf dem Server oder im Web. Allerdings fanden wir auch hier noch einige Ungereimtheiten: So werden beispielsweise die "Linux How-To’s" mit einem Link in die KDE-Oberfläche integriert. Klickt man allerdings auf diesen Eintrag, so erscheint eine Fehlermeldung, dass die entsprechenden Dateien nicht installiert wurden.

Insgesamt machte der Caldera-Server in unserem Kurztest einen soliden und zuverlässigen Eindruck. Die Installation verläuft sehr gut und die Verwaltung ist durch die Integration von "webmin" gut gelungen. Zum Lieferumfang gehören neben den üblichen Server-Programmen wie Apache-, Mail-, Samba- und DHCP-Server auch eine 30-Tage-Testversion von IBMs Websphere (eine E-Business-Paket) und eine Vollversion von "Visual Age for Java", ebenfalls von IBM. Trotzdem ist der Verkaufspreis von 399 Mark für dieses Paket relativ hoch, auch wenn in diesem Preis 90 Tage Installationssupport durch Caldera eingeschlossen sind. Unter den Begriff "System Administrator’s Guide" erwartet man allerdings weitaus mehr als das mitgelieferte Heft, das im Prinzip nur die grafischen Oberflächen erläutert. Unbedingt positiv muss man jedoch vermerken, dass Caldera im Gegensatz zu anderen amerikanischen Anbietern verstanden hat, dass ein Linux-Release ohne ISDN-Unterstützung nicht brauchbar ist: "kisdn" und die Kernel-Module werden mitgeliefert. Allerdings hat es die ISDN-Anbindung auch hier nicht "geschafft", bis ins Handbuch zu gelangen.