GPRS: WAP-Beschleuniger mit Internetoption

19.03.2001 von ULI BANTLE 
GPRS, der erste Vorbote von UMTS ist an den Start gegangen. Mit dem Motorola Timeport 260, dem bislang einzigen GPRS-Handy, hat tecChannel.de die neue mobile Freiheit im T-D1-Netz erprobt.

Dass neue Mobilfunk-Technologien auf Endgeräte warten, ist man seit der Einführung von WAP gewohnt. Dem Timeport 260 von Motorola gebührt deshalb zumindest das Verdienst, rechtzeitig zum GPRS-Start auf dem Markt zu sein. Den Ansprüchen an ein Handy der nächsten Generation genügt es jedoch nicht. Das Timeport bringt einen Uplink-Kanal (Senden) und zwei Downlink-Kanäle mit. Damit ist ein theoretischer Datentransfer von bis zu 26,8 KBit/s möglich. Somit stellt, anders als gewohnt, das Gerät und nicht das Netz den Flaschenhals dar. Denn das D1-Netz arbeitet anfangs mit bis zu 40,2 KBit/s (Downlink) und bietet damit mehr, als das Handy aufnehmen kann.

Die Konkurrenz von VIAG Interkom startete Ende Januar den GPRS-Service mit 53,6 KBit/s. D2-Vodafone wirbt gar mit theoretischen 107,2 KBit/s, die netzseitig zur Verfügung stehen sollen.

Das Timeport 260 entspricht ansonsten dem Modell Timeport 7389. Auf dem für WAP-Seiten eindeutig zu kleinen Display werden 4 Zeilen angezeigt. Die fünfte Zeile bleibt für die Handy-Menüs reserviert. Dass Features wie etwa ein Kalender auf dem Handy fehlen, kann man als Vorzeichen der neuen Zeit deuten: Immerhin bieten die WAP-Portale der Netzbetreiber Features wie Kalender und Spiele online an, natürlich gegen Gebühr.

Installation mit Hindernissen

Das Handy-Paket enthält den üblichen Lieferumfang plus serielles Kabel zur Verbindung zum Notebook oder PC. Für Verbindung sorgt auch eine IrDA-Schnittstelle. Wohltuend fällt bei der Inbetriebnahme auf, dass der schlanke Lithium-Ionen-Akku im Handy selbst eingeklinkt wird und nicht in der Batteriefachabdeckung. Die Installation der von Motorola stammenden Verbindungssoftware (nur CD-ROM) auf dem Notebook ist dagegen gewöhnungsbedürftig. Beim Anstecken erkennt Windows das Handy-Modem nicht wie erwartet per Plug&Play.

Wer dessen ungeachtet den GPRS-Wizard installiert, wird anschließend lästigerweise zum Neustart aufgefordert. Bei der folgenden Konfiguration bemängelt die Software dann immer noch, dass kein Modem gefunden werden kann. Erst im zweiten Anlauf wird das seriell verbundene Handy erkannt. T-D1 legt - wohl auch wegen der englischsprachigen Motorola-Software - eine bebilderte Schnellanleitung für die Installation bei. Von einem Neustart des PC ist darin übrigens nicht die Rede.

Anschließend sind der Access Point Name (APN) des Providers einzugeben sowie Verbindungsart, Benutzername und Passwort. Dass die IP-Adresse dynamisch vergeben wird, ist voreingestellt. Ein Hinweis, ob bei der IP-Adresse etwas zu ändern ist, fehlt auf der Anleitung. Im nächsten Menü muss noch der DNS eingetragen werden, den man wie die vorangegangenen Daten der TD1-Anleitung entnimmt. Anschließend zeigt auch das DFÜ-Netzwerk von Windows die zuvor im proprietären Wizard eingegebenen Daten an.

Der Klick ins Web

Vom Notebook aus reicht dann ein Doppelklick auf die im Wizard angezeigte GPRS-Verbindung. Das Einwählen klappt damit problemlos. Der Seitenaufbau im Internet Explorer verläuft allerdings so zäh, wie man sich das mit den im optimalen Zustand zur Verfügung stehenden 26 KBit/s vorstellen kann. Beim Laden vergeht Zeit genug, um an die verschenkten Bits zu denken, die zum theoretisch möglichen 40-KBit-Downlink fehlen. Das WAP-Angebot von T-Motion und die tecChannel-WAP-News (ohne Grafiken) zeigt das GPRS-Handy vergleichsweise zügig an.

Bei einem ersten Downloadversuch (4-MByte-Datei) aus den Redaktionsräumen heraus verabschiedete sich das Handy nach 74 Prozent geleisteter Arbeit aus der GPRS-Datensitzung und zeigte das normale Display an. Und das obwohl im Handy-Display eine optimale Netzverbindung angezeigt wurde. Währenddessen suggerierte die Animation im Download-Fenster des Internet Explorer übrigens munteren Datenaustausch.

Erst eine weitere Fehlermeldung, die bei Verbindung mit dem WAP-Portal von T-D1 auftrat, lässt auf eine defekte SIM-Karte schließen. Das Handy stürzte mit der Meldung "SIM-Karte n. registr" ab. T-D1 schickte uns daraufhin eine neue SIM-Karte zu. Im Test behauptet das Handy aber auch bei dieser Karte, sie sei nicht registriert.

Mobiler Feldversuch im Auto

Ausgerüstet mit Notebook und Handy machten wir uns zum Feldversuch in und um München auf. GPRS sollte während einer Autofahrt in freier Natur und im Stadtgebiet seine Fähigkeiten beweisen. Eine 1 MByte große Zip-Datei auf dem tecChannel.de-Server diente als Testobjekt. Der tecChannel.de-Server liefert sie über eine Standleitung mit 80 bis 200 KByte/s. Für den Test schlossen wir das Handy über das mitgelieferte Datenkabel an die serielle Schnittstelle eines Notebooks (Fujitsu Biblo B 112) an. Das Timeport bietet im Übrigen keinen Antennenanschluss, wodurch sich der Empfang im Auto nicht optimieren lässt.

Beim ersten Versuch wählten wir uns im stehenden Fahrzeug ins GPRS-Netz ein. Im Handy-Display wurde die Verbindung zum Netz als optimal angezeigt. Wir starteten den Dateidownload und fuhren los. Schon kurz nach der Abfahrt wurde die GPRS-Verbindung unterbrochen und das Handy zeigte im Display nur noch "Normalbetrieb" an.

Nach einem Neustart des Handys und der Modemverbindung via Notebook hatte es den Anschein, dass es besser klappen könnte. Bei Übertagungsraten zwischen 2,3 und 1,86 KByte/s arbeitete der Download vor sich hin - selbst als die Verbindung während der Fahrt zwischenzeitlich schlechter wurde. Nach drei Minuten oder 27 Prozent stockte der Download jedoch. Diesmal zeigte das Display, anders als beim ersten Versuch, eine bestehende GPRS-Verbindung an. Daten wanderten aber keine mehr auf die Festplatte.

Mobiles Surfen am besten im Stau

Der letzte Versuch im fahrenden Auto war der viel versprechendste. Zehn Minuten hielt die Verbindung bei Übertragungsraten zwischen 1,26 und 2,0 KByte/s. Nach 10 Minuten brach der Download erneut ab. Dieses Mal mit neuen Fehlermeldungen: Zum einen zeigte der Internet Explorer an, dass die Verbindung zur Webseite getrennt wurde. Zum anderen verabschiedete sich das Handy mit der bereits beschriebenen Meldung "SIM-Karte n. registr.". Das Handy reagierte auf keine Eingabe mehr und musste neu gestartet werden. Bei einem Gegencheck im stehenden Fahrzeug klappte der Download hingegen ohne Hindernisse. Die Übertragungsraten lagen dabei zwischen 2,4 und 3,5 KByte/s. Wer unbedingt im Auto surfen möchte hat daher bei Staus die besten Chancen auf eine gute Verbindung.

Wer GPRS im fahrenden Auto dagegen nur für den WAP-Betrieb einsetzt, braucht solche Unbilden nicht zu ertragen. In unserem Test ließen sich zumindest die angesurften WAP -Seiten ohne Störungen aufrufen.

Mehr Freude bringt GPRS stationär im Freien. Bei frühlingshaften Temperaturen lässt sich sogar ein Hauch der neuen Freiheit erahnen, die von den Werbestrategen der Netzbetreiber versprochen wird. Die Verbindung ist bei wenig schwankenden Übertragungsraten (zwischen 2,20 und 2,31 KByte/s) stabil. Nach 7,43 Minuten ist die MByte-Datei übertragen. Zwei weitere Versuche bestätigten das Ergebnis. Die Übertragungsraten sanken dabei allerdings zwischenzeitlich auf 1,34 KByte/s.

Der Preis der Freiheit

T-D1 liefert sein GPRS-Gerät mit voreingestelltem "T-D1 GPRS eco"-Tarif aus. Der Kunde zahlt bei einem bestehenden Vertrag für "GPRS eco" nicht mehr Grundgebühr als bisher. Die Einwahl in das GPRS-Netz kostet pro Tag 49 Pfennige. Bis 31. März entfällt diese Einwahlgebühr. Pro angefangenem 10-KByte-Datenblock sind im "eco-Tarif" satte 69 Pfennige fällig. Im Tarif "T-D1 GPRS pro", der für Vielnutzer gedacht ist, zahlt der Kunde zusätzlich zu seiner Handy-Grundgebühr monatlich 19,95 Mark. Die 10-KByte-Pakete kosten dann jeweils nur 19 Pfennige. Laut T-D1 ist GPRS bundesweit verfügbar.

Bei der Konkurrenz von D2 kostet die GPRS-Aktivierung einmalig 11,50 Mark. Im monatlichen Basispreis von 19,95 ist 1 MByte Übertragungsvolumen inklusive. Danach kosten 10 KByte wie bei D1 pro 19 Pfennige. D2 wirbt mit theoretischen Übertragungsraten von bis zu 107 KBit/s und einer Netzabdeckung von 97 Prozent. Da von den Herstellern derzeit aber keine Geräte angekündigt sind, die mehr als vier Kanäle bündeln, liegt auch bei D2 die derzeitig maximal erreichbare Übertagungsrate bei 53 KBit/s.

VIAG Interkom verlangt mit 9 Pfennigen deutlich weniger für die 10-KByte-Pakete. Eine zusätzliche Grundgebühr ist nicht fällig. Die Einwahl ins GPRS-Netz kostet bei VIAG 49 Pfennige pro Tag. GPRS soll im gesamten VIAG-Interkom-Netz zur Verfügung stehen. Die bundesweite Abdeckung erfolgt laut VIAG Interkom über Roaming-Abkommen mit D1.

Die Nutzungsbeispiele, die T-D1 im Internet aufzeigt, sind ausschließlich auf WAP-Seiten ausgelegt. Die T-Motion-Startseite etwa schickt 3 KByte an das Handy. Die Abfrage der Börsenkurse addiert weitere 6 KByte. In der Summe könnte man damit die Börsenkurse für 9 KByte oder 69 Pfennige abfragen, plus anteilig 49 Pfennige Einwahlgebühr.

Dass T-D1 keine Beispiele für die Internetnutzung bietet, dürfte seine Gründe haben. Bei einem Preis von 69 Pfennigen pro 10 KByte müsste unsere 1-MByte-Testdatei schon außerordentlich wichtige Informationen enthalten um sie für rund 70 Mark (19,45 Mark bei "GPRS pro") herunterzuladen. Selbst eine Stippvisite im Internet gilt es bei den derzeit vorherrschenden Tarifen, wohl zu überlegen. Die Startseite von T-D1 (mit Popup-Banner) etwa verschlingt rund 85 KByte und damit wegen des angefangenen 10-KByte Pakets 6,21 Mark (9x69 Pfennige) im "eco"-Tarif (17 Mark im "pro"-Tarif). Bevor man einem Link folgt, sollte man per WAP den Kontostand abfragen. Selbst der Gelegenheitssurfer wählt also am besten die höhere Grundgebühr für "GPRS pro".

Technik und Features

GPRS soll in der zweiten Ausbaustufe bis zu 115 KBit/s übertragen können. Ähnlich wie bei HSCSD kommt eine Multislot-(Zeitschlitz-)Technik zum Einsatz. HSCSD verwendet wie bei den zurzeit im GSM-Netz benutzten Sprach- und Datenkanälen Circuit-Switched-Verbindungen. Dabei wird jedem Benutzer für die Verbindung ein bestimmter Zeitschlitz fest zugewiesen: Alle 4,62 Millisekunden geht das Handy für 577 Mikrosekunden auf Sendung, bevor es die Frequenz wieder für ein anderes Gerät frei gibt. GPRS kann diese Zeitschlitze auf mehrere Benutzer dynamisch aufteilen, wodurch eine effektivere Nutzung der Übertragungsressourcen erreicht wird. GPRS ist als paketorientierte Technologie konzipiert und daher gut für TCP/IP-Anwendungen geeignet. Das heißt: Bei GPRS werden die IP-Datenpakete verschiedener Teilnehmer zeitlich nacheinander in Zeitschlitzen gesendet. Die verfügbare Bandbreite lässt sich auch hier durch asymmetrische Datenübertragungsarten effizient nutzen.

Die Abrechnung erfolgt neben einer Einwahlgebühr nach Datenvolumen. Bei diesem Tarifmodell zahlen die Kunden nicht mehr nach der Zeit, die sie online sind, sondern nach der Datenmenge, die sie empfangen. Das heißt: Gleichgültig, ob die Übertragung einer Datenmenge von 1 MByte eine Minute oder eine Stunde dauert, die Kosten bleiben gleich (hoch).

Ein weiteres kommendes Feature ist QoS (Quality of Service). Die Betreiber geben damit für die zweite Phase von GPRS eine Garantie für die verfügbare Bandbreite und damit gleich bleibende Datenraten ab (geplant sind bis zu 115 KBit/s). In der ersten Phase hingegen teilen sich mehrere Teilnehmer eine Bandbreite, so dass die Übertragungsrate je nach Anteil der Teilnehmer entsprechend sinkt.

Point-to-Multipoint-Anwendungen sollen in der zweiten Phase ebenfalls angeboten werden. Dabei handelt es sich um "Seriensendungen" eines Senders (Point) an mehrere Empfänger (Multipoint). Vorstellbar sind zum Beispiel standardisierte, in bestimmten Zeitabständen aktualisierte Meldungen wie Nachrichten oder Börsenkurse.

Fazit

Wegen der derzeitigen Tarifstruktur ist GPRS derzeit nur als WAP-Beschleuniger anzusehen. Als mobiler Internetzugang kann GPRS bei 70 Mark pro MByte im D1-Netz schnell ein Fall für die Schuldnerberatung werden. Zumindest muss der Benutzer sich ständig die Tarife ins Gedächtnis rufen, bevor er einen Link aufruft. Wer GPRS nutzen will, muss sich also genau überlegen, welchen Tarif er wählt. Neue Tarifmodelle, die teilweise gesponserte WAP-Seiten beinhalten, sind bereits angekündigt.

Dass die GPRS-Verbindung zumindest beim Test im D1-Netz öfter abreißt, ist ein weiteres Manko. Die Einschränkungen, die man durch das aktuelle Motorola-Handy bei der Übertragungsrate hinnehmen muss, dürften dagegen schon bald der Vergangenheit angehören. Zumindest sind, auch von Motorola, für die Zeit nach der CeBIT neue Endgeräte angekündigt, die 53,6 KBit/s übertragen. Ericsson will etwa das R520M bringen, Samsung das SGH-Q100. (uba)