Kommunikationsdienste vereint

Google Wave im Beta-Test

12.11.2009 von Matthias Sternkopf
Google Wave, eine Art Kombination aus E-Mail, Chat und gemeinsamer Dokumentenbearbeitung, soll die Kommunikation deutlich verändern. In einer geschlossenen Beta muss die Plattform derzeit beweisen, ob sie das Potenzial dazu hat.

Am 27. Mai 2009 stellte Google auf der Entwicklerkonferenz Google-I/O seinen neuen Kommunikationsdienst Google Wave vor. Wave ist eine Browser-basierte Server-Software, die mehrere Kommunikationsdienste vereint. So können synchrone, in Echtzeit übertragene Chats stattfinden, die sich noch in mehrere Ebenen unterteilen lassen. Jeder Schritt dieser Chats – Google nennt sie Waves kann auch im Nachhinein von allen Teilnehmern editiert und mit Multimedia-Inhalten gefüllt werden. Diese Waves werden als ein Dokument behandelt. Nutzer, die zu einer bereits bestehenden Wave hinzukommen, können mit einer Replay-Funktion chronologisch nachverfolgen, welcher Teilnehmer für welche Beiträge beziehungsweise Veränderung innerhalb der Wave verantwortlich ist.

Geschlossene Gesellschaft: Derzeit ist noch eine Einladung von Google für einen Login nötig.

In einer Wave lassen sich verschiedene Multimedia-Inhalte integrieren. Dazu gehören standardmäßig einfache Abstimmungs-Tools, Google Maps, Google-Suchergebnisse, Bildergalerien oder Videoinhalte. In Zukunft sollen hier dank einer offenen API noch zahlreiche von Dritten programmierte Inhalte folgen. Einige solcher sogenannten Gadgets und Robots sind bereits erhältlich. So lassen sich zum Beispiel mittels eines Twitter-Robots alle eingehenden Tweets beobachten und selbst verfassen. Auch spielerische Anwendungen wie beispielsweise ein Online-Schachspiel kann man auf der Plattform realisieren.

Neue Wave: Das Starten einer neuen Wave erinnert stark an eine klassische E-Mail.

Ende September wurden 100.000 Nutzer in eine geschlossene Beta von Google Wave eingeladen. Noch befindet sich Google Wave in einem sehr frühen Entwicklungsstadium. Wave stürzt hin und wieder ab, einige Features funktionieren nicht immer einwandfrei, andere sind nur äußerst umständlich zu aktivieren. Dennoch gibt die frühe Beta einen guten Eindruck davon, was Google Wave ist und wohin die Reise gehen soll: Google möchte mit Wave nicht weniger als ein neues Paradigma für elektronische Kommunikation und Zusammenarbeit schaffen.

Bildergalerie:
Google Wave
Derzeit ist noch eine Einladung von Google für einen Login nötig.
Google Wave
Das Starten einer neuen Wave erinnert stark an eine klassische E-Mail.
Google Wave
Der Kommunikationsdienst besteht grundsätzlich aus drei Spalten mit vier Elementen.
Google Wave
Das Karten-Tool von Google lässt sich problemlos in Waves einfügen und mit Markierungen versehen.
Google Wave
Google Wave erlaubt es, in jedem Dokument direkt Kommentare zu hinterlassen.
Google Wave
An der Zeitleiste über der Wave kann die Entstehungsgeschichte des Dokuments nachvollzogen werden.
Google Wave
Google-Moderator: Hier werden die Google- Wave- Beta-Tester aufgefordert, eigene Verbesserungsvorschläge zu machen.

So funktioniert Google Wave

Die Oberfläche von Google Wave ist in drei Spalten aufgeteilt, insgesamt gibt es vier Module. Die erste Spalte ganz links besteht aus zwei Elementen. Das obere dient zur Navigation; das darunterliegende zeigt die eigenen Kontakte. In der mittleren Spalte werden alle aktiven Waves angezeigt, vergleichbar mit einer Inbox. Die rechte Spalte zeigt die Inhalte geöffneter Waves an. Hier können bestehende Waves bearbeitet oder neue Waves angelegt werden.

Google Wave: Der Kommunikationsdienst besteht grundsätzlich aus drei Spalten mit vier Elementen.

Wenn eine Wave bearbeitet wurde, rutscht sie in der Inbox an die oberste Stelle und wird gefettet dargestellt. Kontakte, die in Google Wave online sind, erhalten einen kleinen grünen Punkt neben ihrem Icon. Alle Elemente lassen sich minimieren und erscheinen zusammengeklappt am oberen Bildschirm. So lässt sich zum Beispiel das Element mit den Wave-Inhalten bildschirmfüllend darstellen und damit die Arbeitsfläche vergrößern.

Google Maps: Das Karten-Tool von Google lässt sich problemlos in Waves einfügen und mit Markierungen versehen.

Wird eine neue Wave gestartet, erscheint ein leeres Eingabefeld. Die hier eingegebenen Texte können wie von einem E-Mail-Client gewohnt formatiert werden. Außerdem lassen sich verschiedenen Multimedia-Inhalte wie Youtube-Videos, Google Maps, Bilder, Links oder diverse Robots (dazu im Abschnitt "Wave Erweiterungen: Gadgets und Robots " mehr) einfügen. Bei einem Klick auf den „Done“-Button lädt Google Wave den Nutzer mit einem Pop-Up ein, die gestartete Wave mit anderen Nutzern aus der Kontaktliste zu teilen.

Änderungen nachvollziehen

Jetzt kann jeder Nutzer der Wave, ähnlich wie bei einem Chat, eigene Beiträge unter dem Text anhängen. Aber das Dokument kann auch direkt bearbeitet werden, um zum Beispiel Kommentare zu verschiedenen Passagen zu verfassen. Diese Kommentare können über ein kleines Sprechblasensymbol auf- und zugeklappt werden. Diese Kommentare können auch als „Privat“ markiert werden, um die Nachricht nur an bestimmte Nutzer der Wave zu richten. Jede Antwort stellt eine neue Wave dar, zu der andere Nutzer eingeladen werden können. Die Antwort kann ebenfalls kopiert werden, um außerhalb der bereits bestehenden eine neue Wave zu starten.

Inline Comment: Google Wave erlaubt es, in jedem Dokument direkt Kommentare zu hinterlassen.

Jede Veränderung an der Wave durch andere Nutzer kann in Echtzeit Buchstabe für Buchstabe am Bildschirm nachverfolgt werden. Wenn Nutzer zu einer umfangreichen Wave eingeladen werden, kann über die Playback-Funktion genau protokolliert werden, wie die gesamte Konversation zustande kam.

Playback: An der Zeitleiste über der Wave kann die Entstehungsgeschichte des Dokuments nachvollzogen werden.

Über eine Zeitlinie kann hier wie eine Art Slideshow gestartet werden, die zeigt, wer wann was an der Wave verändert hat. Ähnlich wie in Googlemail können Waves mit Tags versehen werden, um sie zu indizieren und später besser wiederfinden zu können. Außerdem können Ordner erstellt und die verschiedenen Waves mittels Drag and Drop verschoben werden. Auch an eine File-Upload-Funktion wurde gedacht, die leider in der Beta noch nicht einwandfrei funktionierte.

Wave-Erweiterungen: Gadgets und Robots

Wave kann dank einer Open-Source-Struktur und offener APIs ähnlich wie Firefox von beliebigen Programmierern erweitert werden. Diese Erweiterungen unterteilen sich in Gadgets und Robots. Gadgets sind Inhalte, die direkt in den Waves als Elemente zu sehen sind. Dazu gehören auch die bereits von Google zur Verfügung gestellten Gadgets wie das Abstimmungs-Tool und Google Maps. Externe Programmierer spendierten Google Wave zum Beispiel eine Benachrichtigungsfunktion per E-Mail, wenn Waves verändert werden. Auf Ribbit kann dagegen ein Gadget heruntergeladen werden, dass alle Teilnehmer einer Wave eine Telefonkonferenz führen lässt.

Google-Moderator: Hier werden die Google-Wave-Beta-Tester aufgefordert, eigene Verbesserungsvorschläge zu machen.

Robots sind dagegen E-Mail-Adressen, die einer existierenden Wave als Kontakt hinzugefügt werden können, um diese um zusätzliche Funktionen zu erweitern. So wird beim Hinzufügen des Tweety-Bots Google Wave zu einem Twitter-Client. Alle eingehenden Tweets werden angezeigt, und neue können verfasst werden. Mit dem Bloggy-Bot können Beiträge direkt auf dem eigenen Blogspot-Blog publiziert werden. Dieser Robot funktioniert allerdings in der Beta noch nicht einwandfrei. Mit dem Bot Polly the Pollster lassen sich umfangreiche Umfragen erstellen und verteilen. In den Bereichen Gadgets und Robots sind in Zukunft noch spannende Entwicklungen zu erwarten.

Fazit

Das elektronische Kommunikationsverhalten hat sich seit der Erfindung der E-Mail vor 40 Jahren stark geändert, und viele Entwickler machen sich seit langer Zeit Gedanken, wie die Zukunft der Kommunikation aussehen könnte. Google Wave wählt dabei einen interessanten Ansatz. Nur wenig ist in Google Wave tatsächlich neu, dafür wird alles übersichtlich in einer integrativen Umgebung präsentiert, dank Cloud-Computing-Ansatz unabhängig von Ort, Betriebssystem und Versionsnummer. Mit Google Wave lassen sich Arbeitsgruppen organisieren, um Projekte gemeinsam zu entwickeln und Prozesse genau zu dokumentieren – und das besser als per E-Mail. Es verschwinden keine Attachements, alle arbeiten am gleichen Dokument. Durch geschlossene Gruppen entsteht weniger Spam, die Verwaltung von Sendern und Empfängern ist übersichtlicher.

Theoretisch ist auch vorstellbar, dass alle Kommunikationsdienste in Google Wave gebündelt werden. Facebook, Twitter, Xing, Mail-Accounts, Blogs – alle über ein Interface. Doch ob Google Wave tatsächlich wie von Google prophezeit die E-Mail ablösen wird, darf bezweifelt werden. Für den Massenmarkt ist das ganze System derzeit noch zu kompliziert, die Möglichkeiten zu umfangreich, die Bedienung nicht intuitiv genug.

Dennoch ist der Ansatz interessant. Doch auch bei Google Wave wird sich wie bei vielen anderen neuen Diensten erst nach einer gewissen Zeit zeigen, für wen es tatsächlich nützlich ist. Ein gutes Konzept sind hierbei sicherlich die offenen APIs, die Google Wave flexibel und anpassungsfähig halten. Schon jetzt gibt es zahlreiche nützliche Gadgets und Robots. Bleibt abzuwarten, wie die Nutzer reagieren und ob Google Wave nun Arbeitsprozesse optimiert oder doch nur Zeit verschlingt. (mje)