Geschwindigkeit ist alles

08.09.2000
Die Netzwerkgruppe des "Institute of Electrical and Electronics Engineers" (IEEE 802) traf sich im Juli zu ihrer 67. Tagung. Das Meeting der Projektgruppe, die für die Entwicklung von LAN- und MAN- Standards zuständig ist, war dieses Mal bestens besucht. Dafür waren vor allem zwei Themen verantwortlich: Zum einen hält mit 10-Gigabit-Ethernet eine LAN-Technik bei MANs und WANs Einzug, zum anderen beschäftigen sich gleich drei Arbeitsgruppen mit der drahtlosen Datenübertragung.

Mit 851 Besuchern verzeichnete das 67. Treffen der IEEE-802-Gruppe, das dieses Mal in La Jolla nahe San Diego (Kalifornien) stattfand, einen absoluten Rekordbesuch. Mehr als ein Drittel der Teilnehmer des Plenary Meetings zog es zur 10-Gigabit-Gruppe IEEE 802.3ae. Diese stellte ihr "Blue Book" vor. Es enthält nahezu alle wesentlichen Definitionen der 10-Gigabit-Ethernet-Technik und soll als Grundlage für den ersten Entwurf eines entsprechenden Standards dienen.

Auf MAC-Ebene definierte die Gruppe mit "Open Loop" einen Mechanismus, der die unterschiedlichen Datenraten zwischen lokalem Netz und Wide Area Network angleichen soll. Der Media Access Controller (MAC) ermittelt dabei auf Senderseite die Paketlänge und verlängert die Lücke zwischen den Paketen (Inter Frame Gap, IFG) so weit, dass die mittlere Datenrate im WAN von 9,58464 GBit/s nicht überschritten wird. Die physikalische Ebene zerlegte die Arbeitsgruppe in viele Subkomponenten. Dies ist auf Grund der hohen Datenrate und der Komplexität unumgänglich. So wurden unter anderem Funktionsblöcke für die Kodierung, den Anschluss ans WAN sowie die Aufspaltung für die Übertragung mit mehreren Wellenlängen festgelegt.

Im Blue Book finden sich auch erste Spezifikationen für die optische Übertragung. So sollen bei Entfernungen bis 40 Kilometer Singlemode-Laser mit 1550 nm zum Einsatz kommen. Für zwei und zehn Kilometer legte sich die Gruppe auf einen 1310-nm-Singlemode-Laser fest. Die Übertragung erfolgt dabei seriell und binär, wie auch bei den vorangegangenen Datenraten, also weder mit mehreren Wellenlängen noch unterschiedlichen Lichtintensitäten.

Uneinigkeit über Transportmedium für 10GE

Allerdings sorgten einige Details im Blue Book bei den Teilnehmern für Unmut. Die Autoren hatten bei der Multimode-Übertragung, also dem klassischen Verfahren im LAN, nur einen WDM-Laser (Wavelength Division Multiplexing) mit 1310 nm vorgesehen. Eine 850-nm-Lösung, wie sie bereits mit Erfolg bei Gigabit-Ethernet eingesetzt wird, suchte man vergebens. Die Teilnehmer des Meetings spalteten sich daraufhin in zwei Lager: Auf der einen Seite standen die Befürworter der Übertragung über Lichtwellenleiter mit 850 nm, die zusätzlich 1310 nm akzeptieren würden. Auf der anderen Seite formierte sich eine Fraktion, die nur 1310 nm realisiert sehen möchte. Trotz eines Abstimmungsmarathons fand keine Lösung die notwendige Mehrheit von 75 Prozent.

Für die Hersteller von Chips und Komponenten für die Singlemode-Übertragung war das Treffen dennoch erfolgreich. Nahezu alle für sie relevanten Randbedingungen wurden geklärt. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass sie für Ende des Jahres erste Prototypen für 10GE ankündigten.

Im Vergleich zu den Diskussionen in der 10GE-Arbeitsgruppe verliefen die Gespräche der IEEE-802.3.af-Working-Group geradezu harmonisch. Die Teilnehmer dieses Gremiums einigten sich auf alle wesentlichen Rahmenbedingungen zur Stromübertragung über Twisted-Pair-Kabel. So wurde die Spannung auf 48 Volt DC festgelegt, die Stromstärke auf 350 mA. Berücksichtigt man den Leitungsverlust, lässt sich einem Netzwerkendgerät eine Leistung von etwa 14 Watt zur Verfügung stellen.

Die Stromübertragung erfolgt über zwei der vier Kabelpaare. Der Sender kann sich dabei aussuchen, über welche Paare er den Strom überträgt, der Empfänger hingegen muss dies akzeptieren. Dieser Festlegung ging eine detaillierte Untersuchung der aktuellen TP-Verkabelung voraus. Nach einer Analyse von Sage Research von 1998 verfügen bis zu 60 Prozent der Verkabelung in Deutschland, Österreich und der Schweiz über weniger als vier Paare. Im restlichen Europa liegt der Wert bei 20 Prozent, in allen anderen Ländern bei rund zehn Prozent. Interessant ist auch, dass rund 67 Prozent der Installationen auf Kategorie-5-Kabel basieren.

Die Teilnehmer der IEEE-Arbeitsgruppe legten zudem fest, woran der Sender erkennt, ob ein Endgerät mit Strom versorgt werden kann oder nicht. Sie einigten sich dabei sowohl auf die von Lucent vorgeschlagene Widerstandsmethode als auch auf das von Nortel Networks favorisierte Kondensator-Dioden-Verfahren. Zusätzlich wird die Einspeisung ins Kabel von dritter Seite unterstützt (Mid-Span Insertion).

Höhere Datenraten und größere Reichweiten bei Funk-LANs

Die drahtlose Datenübertragung ist weiter auf dem Vormarsch. Dies spiegelt sich auch in den Aktivitäten des IEEE wider. So arbeiten mittlerweile drei Working-Groups des Gremiums an entsprechenden Standards:

- IEEE 802.11 (Wireless LAN) an Normen für drahtlose lokale Netze,

- IEEE 802.15 (Wireless Personal Area Network) an Spezifikationen für funkgestützte Netze mit einer Reichweite von wenigen Metern sowie

- IEEE 802.16 (Broadband Wireless Access) an Regelungen für die Datenübertragung in Stadt- beziehungsweise Regionalnetzen (MANs).

In der 802.11-WLAN-Gruppe haben sich zwei neue Studienkreise gebildet. Ihr Ziel ist, die Datenrate bei 802.11b von bisher maximal 11 MBit/s auf über 20 MBit/s erhöhen. Dabei geht es nicht nur um eine höhere Übertragungsgeschwindigkeit, sondern auch um einen besseren Durchsatz.

Standard auf Basis von "Bluetooth"

An der Standardisierung der drahtlosen Netzwerke im Low-Cost-Bereich arbeitet die Gruppe 802.15 WPAN. Im Prinzip geht es darum, Netzwerke mit minimaler Sendeleistung und einer maximalen Reichweite von zehn Metern aufzubauen. Die Initiative setzt auf den Arbeiten der Bluetooth-Allianz auf, der mittlerweile 1500 Firmen angehören. Die 802.15-Gruppe plant, im April nächsten Jahres einen Standard zu veröffentlichen.

Allerdings hinkt die Entwicklung des Marktes noch etwas hinterher. So haben die Halbleiterhersteller mit unerwarteten Schwierigkeiten zu kämpfen. So ist es ihnen bis jetzt nicht gelungen, die gesamte Funktionsvielfalt in einem Chip zu integrieren. Das ist aber der Schlüssel zu der angestrebten Low-Cost-/ Low-Power-Lösung. Langfristig ist die bestehende Datenrate von "nur" 1 MBit/s nicht ausreichend, und so verwundert es auch nicht, dass eine Arbeitsgruppe (802.15.3) bereits an einer Technik für Datenraten von 20 MBit/s arbeitet.

Im Gegensatz zu den beiden genannten Gruppen, die sich mit der drahtlosen Datenübertragung im lokalen Netz beschäftigen, entwi-ckelt 802.16 BWA Normen für Funknetzwerke in Metropolitan Area Networks, also Netzen zwischen Gebäuden oder innerhalb von Städten.

Resilient Packet Ring: Protokoll für redundanten Ring

So wie es aussieht, könnte es bald eine neue Gruppe innerhalb der IEEE 802 geben; eine entsprechende Studiengruppe ist bereits aktiv - die "Resilient Packet Ring Study Group" (RPRSG). Sie soll ein Übertragungsprotokoll für eine Ringstruktur entwickeln, die hohe Übertragungsraten mit Redundanz kombiniert. Der Hintergrund ist, dass es trotz der Möglichkeiten, die der Bridge-Standard 802.1D bietet, sehr lange dauern kann, bis ein Netz im Fehlerfall neu konfiguriert ist. Bei Datenraten von 10 GBit/s ist das problematisch. So möchte sich IEEE 802 nun mit einer Übertragungsform beschäftigen, die Fehler in extrem kurzer Zeit behebt, das heißt innerhalb weniger Millisekunden.

Die angedachte Lösung soll sowohl die MAC- als auch die physikalische Schicht beschreiben. Das Ganze erinnert stark an FDDI — mit einer Topologie in Form eines Doppelrings bei gegenläufigen Datenrichtungen. Auch im Fehlerfall reagiert das System ähnlich: So wird dann der innere Ring mit dem äußeren verbunden, um den Datenfluss wieder herzustellen. Die Gruppe hat vor, Spezifikationen für mehrere Datenraten zu entwickeln: 622 MBit/s, 1 GBit/s sowie 10 GBit/s. Zusätzlich wollen die Mitglieder einen Mechanismus für die Verteilung von Bandbreite definieren. Die Technik ist primär für das MAN und das Weitverkehrsnetz konzipiert, aber natürlich sind leistungsfähige LANs nicht ausgeschlossen.

Bis jetzt hält sich das Interesse an dieser Gruppe noch in Grenzen. In La Jolla nahmen an der Sitzung gerade einmal 20 Fachleute teil. Fast alle, sprich 15 Mitglieder, stammten von unterschiedlichen Firmen. Vertreten waren unter anderem Cisco, Nortel, Vitesse, PMC-Sierra, Sun Microsystems, Conexant, Sprint und Extreme Networks. (re)

Dirk S. Mohl

ist Projektleiter im Entwicklungsbereich Highspeed Networks, Division Automation and Network Solutions bei der Richard Hirschmann GmbH & Co.