Geschäfte übers Internet

10.11.1999
Eine ganze Reihe von Unternehmen beweist mittlerweile, daß Onlinegeschäfte kein Humbug mehr sind. Im Rahmen einer dreiteiligen Artikelserie versuchen wir, am Beispiel von Anwendungen den Nutzen von E-Commerce aufzuzeigen.

Von: Kai-Oliver Detken

Allzu viele strapazieren gegenwärtig das Schlagwort vom "Elektronischen Handel". Tatsächlich herrscht jedoch Uneinigkeit darüber, was E-Commerce oder E-Business überhaupt ist.

Im Prinzip ist E-Commerce eine Mixtur aus vier IT-Techniken:

- Electronic Messaging: E-Mail und Fax,

- "Collaborative Computing Environments" (CCE): unternehmensweite digitale Bibliotheken für die Zusammenarbeit und das Wissensmanagement,

- "Electronic Data Interchange" (EDI) in Form des elektronischen Dokumentenaustausches und Zahlungsverkehrs und

- "Electronic Publishing" für Marketing: Werben, Verkaufen und Kundenunterstützung.

Die Manager vieler Unternehmen reduzieren E-Commerce auf den letztgenannten Punkt. Für sie ist das Internet primär ein Instrument, um Waren und Dienstleistungen zu verkaufen.

Doch damit ist das Potential des elektronischen Handels bei weitem nicht ausgeschöpft. Zum einen verbessert die neue Form des Handels die interne Kommunikation und die Kooperation zwischen Unternehmenseinheiten, zum anderen die Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern. Diese Punkte scheinen vor allem in Deutschland noch wenig bekannt zu sein. Rund zwei Drittel aller deutschen Unternehmen haben keine klare Strategie für ihren Auftritt im World Wide Web. Nur 36 Prozent erreichen über das Internet überhaupt ihre Zielgruppe. Dies ergab eine Umfrage unter mehr als 80 namhaften Konsumgüterherstellern und Handelsunternehmen, die das Marktforschungsunternehmen Intouch (Bad Homburg) durchführte. Mehr als 60 Prozent der Unternehmen erhoffen sich demnach von der Präsenz im Web einen positiven Einfluß auf ihr Image. 37 Prozent haben dabei vor allem das Branding zum Ziel, also den Ausbau der Firmen- oder Produktmarke. Nur sieben Prozent der befragten Firmen betrachten das Internet als eigenständiges Marketinginstrument.

Der elektronische Handel läßt sich grob in zwei Hauptkategorien einteilen: von Unternehmen zu Konsument (E-Commerce; "E-to-C") und Geschäfte von Unternehmen zu Unternehmen (E-Business, "B-to-B"). Nach einer Studie von IDC ist gegenwärtig der B-to-B-Bereich wichtiger: Im Jahr 2001 sollen rund 80 Prozent des gesamten weltweiten E-Commerce-Umsatzes von 220 Milliarden Dollar auf diesen Bereich entfallen. Die Business-to-Business-Kommunikation stellt hohe Anforderungen in bezug auf Betriebs- und Datensicherheit sowie Standardisierung. Neben dem Marketing gehören der Vertrieb oder das Abwickeln von Geschäften zu den Anwendungsfeldern, ebenso Forschung und Entwicklung, etwa im Rahmen des "Simultaneous Engineering".

Ein Paradebeispiel für den erfolgreichen Einsatz von E-Commerce im Business-to-Business-Sektor ist Cisco Systems. Der Netzwerkanbieter hat Bestellwesen, Auftragsverfolgung, Kundenberatung, Fernwartung, Software-Distribution und Onlinedokumentation ins Web verlagert und wickelt fast 60 Prozent aller Kundenkontakte online ab. Bestellt und bezahlt dagegen ein Endverbraucher Waren und Dienstleistungen über das Internet, ist von einer Business-to-Consumer-Transaktion die Rede. In diesem Segment stehen die Funktionen Marketing und Vertrieb im Vordergrund. Zudem müssen die E-Commerce-Dienste einfach zu handhaben sowie die Angebote ansprechend aufbereitet sein.

Viele Anwender steigen mit einer Unternehmenspräsentation in die kommerzielle Nutzung des Internet ein. Die Homepage des Unternehmens wird als "elektronische Visitenkarte" betrachtet und nicht, wie das heute noch oft der Fall ist, als reine Werbefläche genutzt. Die Inhalte beschränken sich meist auf einen Überblick über das Unternehmen, also das Tätigkeitsgebiet oder die Struktur.

Ein weiterer Schritt in Richtung elektronische Geschäftsabwicklung sind Onlinekataloge. Der Nutzer kann durch das Angebot blättern und häufig mit Hilfe von Recherchefunktionen gezielt nach Produkten suchen. Viele Onlinekataloge lehnen sich stark an die gedruckten Versionen an. Deshalb kann der Anbieter solcher Werke auf eine vorhandene Logistik und Geschäftsinfrastrukturen zurückgreifen.

Vom elektronischen Katalog ist der Weg zum Onlinevertrieb nicht mehr weit. Der Kunde muß "nur" die im Onlinekatalog aufgeführten Produkte bestellen und eventuell elektronisch bezahlen können. Wer einen Onlineshop einrichtet, muß beachten, daß der Bestellvorgang an die Unternehmensstruktur beziehungsweise die Logistik angepaßt wird. Es gibt viele Produkte, die in digitaler Form über das Internet ausgeliefert werden können, etwa Software oder Musik. Bei solchen Gütern ist es möglich, den Verkauf und Lieferprozeß über das Internet abzuwickeln und damit Kosten zu sparen.

Geradezu ideal für den Einsatz von E-Commerce sind Auktionen und der Börsenhandel. Mit Onlineauktions-

systemen können Informationen über Produkte, Preise, letzte Gebote oder Börsenkurse über das Internet verteilt werden. Die Vorteile: kurze Reaktionszeiten, Ortsunabhängigkeit, ein breites Informationsangebot und eine größere Zielgruppe.

Web-Auftritt und Onlinekataloge

"Electronic Data Interchange" (EDI) ist der Datenaustausch auf elektronischen Wege, und zwar unabhängig vom Datenformat. Das Verfahren wurde bereits Ende der 70er Jahre in der Automobilindustrie eingeführt und kommt bei Kunden-Lieferantenbeziehungen zwischen Unternehmen zum Zuge, also im Business-to-Business-Bereich. Der Datenaustausch zwischen den Firmen erfolgt auf der Basis von Standardformaten. Die Anwendungssysteme werden also praktisch über die Unternehmensgrenzen hinweg miteinander gekoppelt. Heute nutzen EDI-Anwendungen vor allem Punkt-zu-Punkt-Verbindungen oder Mehrwertdienste, sogenannte "Value Added Networks" (VANS), die teils auf öffentlichen, teils internationalen privaten Netzen aufsetzen. Ein Standard für EDI über das Internet ist noch in Arbeit.

Ein Nachteil des Verfahrens ist die große Zahl von Protokollen, Dateitransfersystemen und Formaten, die verwendet werden. Durch den Einsatz von Electronic Data Interchange im Internet werden nun auch kleinere Unternehmen "EDI-fähig". Bislang waren herkömmliche EDI-Systeme sehr teuer, so daß sich der Einsatz bei kleinen Transaktionsaufkommen nicht rentierte. Bei einer Internet-Lösung stellt in der Regel der größere Partner die Infrastruktur zur Verfügung und ermöglicht kleinen und mittelständischen Unternehmen, sich anzubinden.

EDI kann als Untermenge von E-Commerce betrachtet werden: Beim "Elektronischen Datenaustausch" werden ausschließlich formatierte Dokumente bearbeitet, vom Angebot bis zur Mahnung. E-Commerce umfaßt dagegen weitergehende Konzepte, insbesondere alle informations- und kommunikationstechnischen Hilfsmittel zur Verbesserung der Geschäftsabläufe. Fast alle Stufen des Geschäftsprozesses zwischen Kunde und Lieferant, von der Produktankündigung über Werbung, Kataloge, Bestellwesen bis hin zu Zahlungsverkehr und Support, lassen sich mit elektronischen Hilfsmitteln schnell und direkt durchführen.

Im Gegensatz zu EDI nehmen bei E-Commerce auch Konsumenten am elektronischen Geschäftsleben teil. Nicht nur Computer kommunizieren miteinander, sondern Menschen greifen direkt und interaktiv in Geschäftsprozesse ein. Wichtige Anforderungen, die zu denen von EDI hinzukommen, sind Multimediafähigkeit, Interaktivität, der Austausch freier Dokumente und die Möglichkeit zur schnellen Auswahl aus Produktangeboten (elektronischen Katalogen).

Im nächsten Teil der Serie werden wir einige Projekte vorstellen und auf die Wirtschaftlichkeit von E-Commerce/E-Business eingehen. (re)