An Virtualisierung führt kein Weg vorbei

Geringere Kosten und mehr Effizienz im Rechenzentrum

08.10.2009 von Holger Eriksdotter
Ohne Zweifel ist das Thema Virtualisierung vom Hype zum realen Markttrend geworden und in den Rechenzentren der Unternehmen angekommen. Während sich die Server-Virtualisierung breitflächig durchgesetzt hat, bremst die gegenwärtige Wirtschaftskrise aber noch die Virtualisierung der Desktop- und Storage-Landschaften.

Die aktuellen Studien der Marktforscher sprechen eine klare Sprache: Die Virtualisierung der Server-Landschaften ist in vollem Gange. Mehr als die Hälfte der in diesem Jahr verkauften Server wird in virtualisierten Infrastrukturen ihren Dienst verrichten, hat IDC ermittelt. Nach Berechnungen der Analysten von Gartner steht auch dem Markt für Virtualisierungs-Software ein kräftiges Wachstum bevor: Die Ausgaben sollen in der Region Europa, Naher Osten und Afrika um 55 Prozent von 330 Millionen Euro im vergangenen auf 512 Millionen Euro in diesem Jahr zulegen. Dabei entfielen mit 294,4 Millionen Euro knapp 90 Prozent des Umsatzes allein auf Westeuropa.

Die Gründe für die Virtualisierung der IT-Landschaften sind breit diskutiert und kaum widerlegbar: Kostenvorteile bei Hardware und Administration, geringerer Bedarf an Stellfläche und Energie für Betrieb und Kühlung, einfachere Business-Continuity-Lösungen und weniger Ausfallzeiten. "IT bietet innovative Lösungen, um die Krise leichter zu überstehen und sogar Wettbewerbsvorteile zu erzielen. So wird vor allem Virtualisierung zu einem strategischen Bestandteil der Geschäftstätigkeit", kommentiert Robert Helgerth, Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Deutschland, die Ergebnisse einer von dem Softwarekonzern in Auftrag gegebenen Umfrage unter 291 IT-Verantwortlichen in deutschen Unternehmen.

Während in Zeiten knapper IT-Budgets vielerorts Investitionen gestrichen oder vertagt werden, scheint die Server-Virtualisierung davon kaum betroffen zu sein. Laut Microsoft-Umfrage wollen 80 Prozent der befragten IT-Experten dort ihre Ausgaben erhöhen, wo sich die Effizienz steigern oder Wettbewerbsvorteile erreichen lassen. Server-Virtualisierung und Konsolidierung gelten als Königsweg: Trotz Kürzungen in vielen Bereichen wollen 43 Prozent hier verstärkt investieren, nur sieben Prozent die Ausgaben senken.

Wachstumsmarkt Hosted Virtual Desktops

Anders als bei der Server-Virtualisierung verhalten sich die Unternehmen noch zurückhaltend, wenn es um Virtualisierung ihrer Desktop- und Storage-Landschaften geht. Denn während sich die Investition in eine virtualisierte Server-Architektur oft schon nach ein bis zwei Jahren amortisiert, sieht die Rechnung bei Client-Projekten anders aus. Eine Kostenersparnis lässt sich hier nicht kurzfristig durch weniger und besser ausgelastete Hardware erzielen, sondern durch vereinfachte Administration, Software-Verteilung, Patch-Management und Remote-Wartung. Virtualisierungs-Projekte im Bereich Desktop-Infrastruktur sind daher in Zeiten knapper Kassen erheblich seltener anzutreffen als im Server-Bereich.

Desktop-Virtualisierung: XenDesktop bietet drei Varianten der Desktopvirtualisierung. (Quelle: Citrix)

Doch Gartner-Analysen verheißen auch hier einen deutlichen Schub. Zwar macht die Server-Software mit einer Steigerungsrate von 54,3 Prozent auf 244,8 Millionen Euro den weitaus größten Teil des Markts für Virtualisierungs-Software aus. Die höchste Wachstumsrate aber verzeichnet das Marktsegment Hosted Virtual Desktops (HVD): Von zwölf Millionen Euro im Jahr 2008 soll der Umsatz mit HVD-Software in diesem Jahr auf 56,2 Millionen Euro steigen und damit mehr als vervierfachen.

Mangelndes Verständnis für Storage-Virtualisierung

Auch die Speicher-Virtualisierung hinkt dem Server-Markt weit hinterher. Die Gründe dafür sind vielfältig: Während der Einstieg in die Server-Virtualisierung durch schrittweise Migration einzelner Systeme relativ einfach zu bewerkstelligen ist – oft angefangen mit Entwicklungs- und Test-Umgebungen -, entfaltet die Virtualisierung der Storage-Landschaft erst dann ihren vollen Effekt, wenn sie systemübergreifend die ganze oder zumindest große Teile der IT-Infrastruktur einbezieht. Das macht entsprechende Storage-Projekte langwierig und unübersichtlich. Zudem fehlt in vielen Unternehmen noch das Verständnis für komplexe Speicher-Virtualisierungskonzepte.

„Storage-Virtualisierung in dem Sinne, dass durch die besonders effiziente Virtualisierung nahe an der Speicherebene eine klare Trennung zwischen der logischen und physikalischen Schicht möglich wird, verstehen nur 38 Prozent der Befragten“, sagt Analyst Denis Mrksa von Techconsult. Für seine Studie aus dem vergangenen Jahr hat er 203 deutsche IT-Entscheider befragt. Im Hinblick auf Speichervirtualisierung mangle es noch an Lösungsverständnis und praktischen Umsetzungsmöglichkeiten. „Hier sind die Anbieter gefragt, ihre Lösungen dem Anwender näher zu bringen und ihn bei der Entwicklung ganzheitlicher Virtualisierungskonzepte zu unterstützen“, resümiert Mrksa.

1-1 Zoning bei Fibre-Channel: Der größere Aufwand bei der Storage-Anbindung hat den Vorteil, dass sich die Applikations-Server nicht gegenseitig stören können.

Nach Einschätzung von IDC befindet sich der Speicher-Markt gerade im Umbruch. Zwar bestehe in den Unternehmen nach wie vor Interesse an Virtualisierungslösungen, in erster Linie gehe es derzeit aber darum, kurzfristig Kosten zu reduzieren. Aufgrund knapper Budgets würden deshalb Ausgaben für neue Projekte vorerst auf Eis gelegt und statt dessen vor allem günstigere Storage-Lösungen angeschafft, die schnelle Abhilfe bei drängenden Problemen versprechen, schreiben die Marktforscher in ihrem aktuellen Storage-Report "Understanding User Needs in a Changing Economic Climate.“

Dem Siegeszug der Server-Virtualisierung indes steht das alles nicht entgegen. Waren die ursprünglichen Auslöser für Virtualisierung meist Kostensenkungen durch Konsolidierung oder eine verbesserte Auslastung der Server, wird jetzt wichtiger, was sich bisher oft nur als willkommener Nebeneffekt einstellte: einfachere und flexiblere Infrastrukturen mit deutlich mehr Agilität, höhere Service-Level bei geringerem Administrationsaufwand und Hardware-Einsatz sowie die Fähigkeit, schneller auf Business-Anforderungen zu reagieren.

Virtualisierungs-Erweiterungen in der CPU

Der Trend in Richtung Virtualisierung ist auch auf Seiten der Hardware-Anbieter unverkennbar. So hat der Prozessor-Hersteller Intel unter der Bezeichung VT-x (Intel Virtualization Technology) in seine neue Xeon-5500-Serie eine Reihe von Funktionen integriert, die schon auf CPU-Ebene den Betrieb in virtualisierten Umgebungen unterstützen. Server-Hersteller bieten Geräte an, die mit hoher Leistungsdichte, integriertem Hypervisor, Funktionen für die Virtualisierung der Netzwerkschicht und verbesserten Management-Tools speziell auf den Betrieb in virtualisierten IT-Landschaften ausgelegt sind.

Laut einer aktuellen Untersuchung von IDC werden Server zunehmend mit integrierter Virtualisierungslösung ausgeliefert. 358.000 dieser Systeme haben die Hersteller nach Angaben der Marktforscher im letzten Jahr in Westeuropa verkauft – ein Anstieg um 25,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Virtuelle CPUs: Die Virtualisierungs-Erweiterungen der neuen CPUs erlauben es den Betriebssystemen, weiterhin Ring-0-Instruktionen auszuführen, ohne dem Hypervisor in die Quere zu kommen.

Darüber hinaus gilt Virtualisierung nicht zuletzt als entscheidender Hebel für den energieeffizienten Betrieb der Rechenzentren. Nach einer Untersuchung der Experton Group erachten Unternehmen Konsolidierung und Virtualisierung als besonders wichtige Teildisziplinen von Green IT. „Konsolidierungs- und Virtualisierungsprojekte sind immer noch auf dem Vormarsch, daran hat auch die allgemeine Wirtschaftskrise nichts geändert“ sagt Wolfgang Schwab, Senior Advisor bei der Experton Group.

Ein Grund dafür sei die damit zu realisierende effizientere Auslastung von Ressourcen, aber auch die Möglichkeit, Administrationsaufwand sowie Platz- und Klimatisierungsbedarf zu reduzieren, und damit Themen zu adressieren, die für die IT insgesamt wichtig seien. „Das liegt nicht daran, dass die IT-Verantwortlichen ihre ‚Grüne Seite’ entdecken, sondern dass sie unvernünftiges Verhalten einfach nicht mehr bezahlen können“, kommentiert Schwab die Ergebnisse der aktuellen Green-IT-Studie der Experton Group. (ala)