Genaue Ortsbestimmung

11.05.2001
Ortsbezogene Angebote gehören zu den Diensten, die in Mobilfunknetzen für Umsatz sorgen sollen. Für ihren Einsatz sind exakte Informationen über den Standort des Nutzers notwendig. TK-Ausrüster, Kartenproduzenten und Datenlieferanten arbeiten daran, die Positionsbestimmung besser, die Karten genauer und die Ortsdaten detaillierter zu machen.

Von: Dr. Thomas Hafen

Drei Dinge braucht ein Unternehmen, um ortsbezogene Dienste anbieten zu können: Den Standort des Kunden, eine Karte, die mit den Standortdaten etwas anfangen kann, also geocodiert ist, und Informationen, die mit der Karte verknüpft sind.

Die Lokalisierung ist in den meisten Fällen kein Problem - schließlich weiß der Anwender in der Regel, wo er sich befindet. Ort, Postleitzahl, Straße und Hausnummer einzutippen, ist mit einem handelsüblichen WAP-Handy (Wireless Application Protocol) eher mühselig, geht aber mit Organizern und Personal Digital Assistants (PDA) sowie den neuen Smartphones recht problemlos. Der "Nokia 9210 Communicator beispielsweise verfügt über eine Tastatur, die Smartphones "Accompli 008" von Motorola und "WA 3050" von Sagem sowie Ericssons "R380s" besitzen wie die meisten PDAs einen Touchscreen und lassen sich mit einem Stift bedienen.

Der Mobilfunkbetreiber kann die Position des Handybesitzers aber auch direkt feststellen. Bei den Methoden zur Standortbestimmung unterscheidet man zwischen Netz- und Geräteverfahren. Auch Kombinationen beider Typen - so genannte Hybridlösungen - sind möglich. Die netzgestützte Lokalisierung verarbeitet Informationen wie die ID der Funkzelle, in der sich der Teilnehmer eingebucht hat, sowie Signaleigenschaften, beispielsweise Laufzeit oder Abschwächung. Diese Methoden erfordern einen Ausbau der Hard- oder Software im Netz, können aber jedes Standard-handy orten. Bei gerätegestützten Techniken sind dagegen spezielle Mobiltelefone erforderlich oder zumindest Software-Updates in den vorhandenen Geräten. Die Entwicklung ortbarer Handys und entsprechender Netze wird vor allem in den USA vorangetrieben: Hier müssen nämlich von Gesetzes wegen alle Netzbetreiber ab Oktober 2001 gewährleisten, dass Notrufe (so genannte E-911 Calls) geortet werden können.

Nicht jeder Mobilfunkteilnehmer will jedoch immer und überall lokalisierbar sein. Die Vorgaben der US-Behörde FCC (Federal Communications Commission) erlauben es deshalb, dass der Nutzer die so genannte Automatic Location Identification (ALI) abschalten kann, auch wenn dies eigentlich dem Sicherheitsgedanken widerspricht. Auch in Europa werden wohl automatische Lokalisierungsverfahren nur dann Akzeptanz finden, wenn dem Handybesitzer selbst die Entscheidung überlassen wird, ob er geortet werden kann oder nicht.

Geräteabhängige Verfahren verbessern Ortung

Derzeit wird von den deutschen Carriern nur die Zelle identifiziert, in der sich der Nutzer eingebucht hat. Die Zellinformation wird mit den geografischen Standortdaten der Basisstation verbunden. Die Genauigkeit ist bei diesem Verfahren von der Zelldichte abhängig: Während sich in Innenstädten eine Position auf etwa 100 Meter genau bestimmen lässt, sind es auf dem Land einige Kilometer.

Vom European Telecommunications Standards Institut (ETSI) bereits standardisiert ist das "Timing Advance (TA) with Cell-ID". Hierbei wird zusätzlich zur Zellinformation das TA-Signal benutzt. Timing Advance kompensiert die Laufzeitunterschiede, die sich aus dem Abstand zwischen Handy und Basisstation ergeben. Die Basisstation ermittelt die Zeit, die der Sendeburst vorverlegt werden muss, damit das Signal im vorgesehenen Zeitschlitz eintrifft und teilt ihn dem Mobiltelefon mit. Der Zeitunterschied ist umso größer, je weiter das Gerät von der Basisstation entfernt ist. In Gebieten mit geringer Funkzellendichte lässt sich mit dieser Information der Aufenthaltsradius des Nutzers eingrenzen.

Genaue Position durch Satellitennavigation

Geräteabhängige Verfahren sollen in Zukunft Lokalisierungen auf wenige Meter genau möglich machen: Diese Methoden nutzen entweder mehrere Basisstationen zur Ortung oder sie berechnen den Standort mithilfe von Satelliten-Navigationssystemen. Ohne Satelliten kommt "Enhanced Observed Time Difference" (E-OTD) aus: Bei dieser Technik misst das Handy die Laufzeit eines Signals zu drei verschiedenen Basisstationen. Aus den Zeitunterschieden und der Position der Stationen kann dann der Standort des Nutzers auf bis zu 50 Meter genau bestimmt werden. Einer der ersten Anbieter von E-OTD-Systemen ist Cambridge Positioning System. Mit "Cursor" bietet das englische Unternehmen ein Paket an, das bestehende GSM-Netze (Global System for Mobile Communication) E-OTD-fähig machen soll.

Obwohl Testversuche in Europa, Asien und den USA erfolgreich verliefen, ist eine Einführung derzeit nicht in Sicht. Offensichtlich wollen die Netzbetreiber erst einmal abwarten, ob sich ortsabhängige Dienste etablieren lassen, bevor sie in eine Infrastruktur investieren, die ohnehin bald durch UMTS (Universal Mobile Telecommunications System) ersetzt wird.

Handys mit "Global Positioning System" (GPS) sind dagegen bald auf dem Markt. Auf der CeBIT stellte der finnische Hersteller Benefon mit "Track" und"Esc" solche Geräte vor. Beide Handys können bis zu zwölf Satelliten zur Ortung nutzen und damit eine Position auf zehn Meter genau bestimmen. Mit "Navtalk II GSM" will der GPS-Spezialist Garmin ebenfalls bald ein GPSfähiges Mobiltelefon bieten. Die Markteinführung ist für September geplant.

Obwohl GPS eine sehr genaue Ortsbestimmung ermöglicht, hat es auch einige Nachteile: Das Signal ist relativ schwach, weshalb eine hohe Empfangsleistung notwendig ist. Der resultierende Energieverbrauch reduziert die Betriebsdauer eines solchen Gerätes erheblich. Solange zudem das europäische Satellitensystem Galileo noch nicht installiert ist, sind Mobilfunkbetreiber auf die amerikanischen und russischen Militärs angewiesen. Die USA betreiben GPS/Navstar (Navigation System with Timing and Ranging) und Russland das Pendant Glonass (Global Navigation Satellite System). Bis Mai letzten Jahres wurde das GPS-Signal für die zivile Nutzung gezielt gestört und die Ortung damit wesentlich ungenauer gemacht. Eine Garantie dafür, dass diese Störmaßnahmen in Zukunft unterbleiben, gibt es nicht.

Die Navigation funktioniert außerdem nur bei direktem Sichtkontakt zu den Satelliten - also nicht in Gebäuden oder dicht bewaldeten Gebieten. Hier soll "Assisted GPS" (A-GPS) Abhilfe schaffen. Es funktioniert auch in Gebäuden, da es mit Differential GPS ein Signal nutzt, das neben der Satelliteninformation auch Daten eines oder mehrerer stationärer Empfänger auswertet. Außerdem verarbeitet A-GPS auch Ortungsinformationen aus dem Netzwerk, beispielsweise E-OTD. Die Kombination von beidem erlaubt eine Genauigkeit im Meterbereich, eine Ortung in Gebäuden und wesentlich höhere Betriebszeiten.

Standortbestimmung allein reicht jedoch nicht aus - so genau sie auch sein mag. Die so gewonnenen geografischen Daten müssen mit einer Karte verknüpft werden. Für diesen Zweck werden zwei Typen von Kartenmaterial eingesetzt: Vektor- und Rasterkarten. Die Unterschiede sind prinzipiell dieselben wie bei Vektor- und Pixelgrafik: In Vektorkarten werden Objekte durch Punkte, Linienzügen und Flächen definiert, Daten können über Objektnummern mit den geografischen Informationen verknüpft werden. Diese Karten zeichnen sich durch hohe Genauigkeit aus und benötigen wenig Speicherbedarf. Sie werden beispielsweise in Autonavigations-Systemen benutzt. Da jedoch die Verarbeitung der Vektordaten sehr rechenintensiv ist, eignen sie sich nicht für die Anwendung in mobilen Geräten.

Standortbestimmung genügt nicht

Rasterkarten dagegen bestehen aus einer regelmäßigen Anordnung kleiner Quadrate, den "Rasterpunkten". Daten können mit der geografischen Information verbunden werden, indem einem Rasterpunkt ein bestimmter Wert zugewiesen wird. Die Karte lässt sich schnell aufbauen, ist also prinzipiell für mobile Anwendungen geeignet. Doch da die Genauigkeit der Karte vom verwendeten Raster abhängt, das wiederum direkt proportional zur Speichergröße ist, müssen beim Detailreichtum Abstriche gemacht werden. Rasterkarten für Internet oder Handy sind deshalb in der Regel weniger ansprechend als gedruckte Landkarten.

Für viele Dienste sind Karten notwendig, in denen jedes Haus mit einer geografischen Koordinate verknüpft ist. Die beiden Hauptanbieter von digitalisiertem Kartenmaterial - Tele Atlas und Navigation Technologies (Navtech) - liefern zwar bereits für viele Gebiete solche Karten, doch meist kommen nur für Ballungsgebiete hausnummerngenaue Karten zum Einsatz.

Zusatzinformationen erweitern Basisdienste

Kartenmaterial allein reicht jedoch nur für sehr einfache ortsbezogenen Dienste aus - zum Beispiel die Standortangabe in einer fremden Stadt und deren Darstellung auf dem Display. In den allermeisten Fällen müssen weitere Informationen über die Standorte der so genannten "Points of Interest" (POI) hinzukommen. Dazu zählen Flughäfen, Bahnhöfe, Krankenhäuser, Werkstätten, Tankstellen, Hotels, Restaurants und so weiter. Die Kartenanbieter liefern diese zum Teil gleich mit: In der Deutschlandkarte von Tele Atlas sind fast 165 000 POIs verzeichnet. Navtech kennt 45 verschiedene POI-Kategorien und hat in seinem Datenbestand bisher über eine Million dieser Punkte gesammelt.

Doch der Nutzer wird sich auch mit diesen Informationen nicht zufrieden geben: Beim nächsten Kino will er schließlich nicht nur wissen, wo sich dieses befindet, sondern auch, welche Filme dort laufen und ob es noch Karten für seinen Lieblingsfilm gibt. Firmen wie Map & Guide, Vodafone, Passo oder Wigeogis führen Kartenmaterial und POI-Informationen mit Öffnungszeiten, Fahrplänen und Veranstaltungsprogrammen zusammen. Sie nutzen Informationsmakler wie Schober.com oder erhalten die Filialverzeichnisse direkt von Firmen und Branchenverbänden. Diese können im Gegenzug den Dienst nutzen und ihren Kunden anbieten.

Geoinformationen bringen Wettbewerbsvorteile

Die Einsatzmöglichkeiten geografischer Informationen beschränken sich jedoch nicht auf Location Based Services: Die Verknüpfung von Firmen- oder Institutionsdaten mit Standortdaten bringt im Wettbewerb wesentliche Vorteile. So kann eine Firma die Standorte neuer Filialen sehr viel besser auswählen, wenn sie geografische und soziografische Daten mitberücksichtigt. Die Darstellung von Verteilungsdaten in Form von Karten anstelle seitenlanger Listen erleichtert die Planung erheblich, da Gebiete mit Über- oder Unterversorgung einfacher zu erfassen sind.

Wie Gemeinden Millionen sparen können, indem sie geografische Informationssysteme nutzen, zeigt das Beispiel Bern: Die Stadt setzt "G Coordinator" der Firma Geotask ein und koordiniert damit sämtliche Erdarbeiten. Das Managementtool erfasst die geografischen Daten der geplanten Baumaßnahmen und stellt sie grafisch dar. Der Koordinator sieht auf einen Blick, wenn mehrere Projekte denselben Straßenabschnitt betreffen und kann verhindern, dass dieser mehrmals aufgegraben wird.