Gemeinsam gegen IT-Fachkräftemangel

08.06.2001
Um dem Mangel an qualifizierten IT-Fachleuten zu begegnen, setzen immer mehr Unternehmen auf die Aus- und Weiterbildung im eigenen Haus. Die Allianz-Gruppe, weltweit einer der führenden Versicherungs- und Finanzdienstleister, deckt ihren Fachkräftebedarf durch ein Ausbildungskonzept, bei dem Versicherungskaufleute eine Zusatzqualifikation in Informatik erwerben können. Partner für dieses Projekt ist IBM Global Services.

Von: Petra Adamik

"Das Berufsbild des Versicherungskaufmanns mit einer Zusatzausbildung in Informatik ist bei uns schon vor zehn Jahren angeboten worden", erinnert sich Gabriele Bieringer, bei der Allianz in München Referatsleiterin IT Aus- und Weiterbildung. "Dabei wurde auf die eigentliche Qualifikation zum Versicherungskaufmann eine sechsmonatige Schulung aufgesetzt, bei der das notwendige IT-Know-how vermittelt wurde." Zwischenzeitlich ist dann der Mitarbeiterbedarf bei der Allianz zurückgegangen, weshalb das Projekt nicht weiterverfolgt wurde. Seit etwa drei Jahren allerdings hat sich das Blatt wieder gewendet, denn der Versicherungskonzern, welcher eines der größten europäischen Rechenzentren mit rund 1000 EDV-Profis betreibt, braucht IT-Nachwuchs. Deshalb wurde das Projekt neu gestartet. "Seit 1999 bieten wir die Doppelqualifikation wieder als Ausbildung an, allerdings mit einem etwas anderen Konzept", erklärt Gabriele Bieringer.

Breites Ausbildungsspektrum

Die Konzeption für die Schulung hat die Allianz im engen Schulterschluss mit IBM Global Services erstellt. Für den Partner IBM hat man sich entschieden, weil der Computerriese schon beim ersten Projekt mit im Boot war und man seinerzeit sehr gute Erfahrungen machte. "Deshalb lag es nahe, auch die neue Ausbildung wieder mit diesem Partner durchzuführen", so Gabriele Bieringer. Darüber hinaus war es der Allianz wichtig, mit einem Schulungsspezialisten zu arbeiten, der das Projekt über mehrere Jahre begleitet. "Dafür gibt es bei einem großen Anbieter einfach mehr Sicherheit", bringt es Frau Bieringer auf den Punkt. "Da wir hinsichtlich der Informationstechnik eine breite Palette abdecken müssen, sind wir zudem auf einen Partner angewiesen, der ein großes Portfolio vorweisen kann, dessen Spektrum vom Mainframe bis hin auf die PC-Ebene reicht."

Die Ausbildung mit Doppelqualifikation wird in Stellenanzeigen und im Internet gezielt ausgeschrieben, damit sich von vornherein nur Bewerber melden, die sich sowohl für die Versicherungsbranche als auch für die Informationstechnologie interessieren. Rund zweieinhalb Jahre dauert die Ausbildung zum Versicherungskaufmann, die mit einer Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer (IHK) beendet wird. Daran angeschlossen ist eine sechsmonatige Zusatzausbildung zum Informatiker beziehungsweise zum Anwendungsprogrammierer. Im Lernzentrum der Allianz wird während der Ausbildung spezielles IT-Fachwissen vermittelt. Das gilt sowohl für den Großrechner- als auch für den PC-Bereich. Nach abschließenden Tests und bestandener Prüfung winkt in der Regel eine Übernahme und eine Festanstellung.

Konzeption und Dokumentation

Die konzeptionelle Beratung für das Gesamtprojekt erfolgte durch die Spezialisten aus dem IBM-Bereich Learning Services, die dann auch die Feinabstimmung der einzelnen Ausbildungsmodule übernahmen. "Ein weiterer Schwerpunkt unseres Engagements in diesem Projekt lag auf der Dokumentation aller Abläufe und Projektergebnisse", berichtet Rainer Erne, der seitens IBM in das Projekt eingebunden war und immer noch ist. Diese Form des Wissensmanagements ist laut Erne notwendig, damit für alle Beteiligten sämtliche Informationen zur Verfügung stehen, auch wenn Kursteilnehmer oder Ausbilder wechseln. So erstellten die Schulungsspezialisten von IBM ein Handbuch für Lehrer sowie die Kursunterlagen. Darüber hinaus schrieben sie einen Leitfaden für die Integration der IT-Ausbildung in das Allianz-Lernforum (ALF), eine Intranet-gestützte Lern- und Kommunikationsplattform für die Erstausbildung bei der Allianz.

"Generell kommen die Ausbilder aus den Reihen der Allianz, da ja auch das IT-Wissen im Hinblick auf die Bedürfnisse des Versicherungskonzerns vermittelt wird", berichtet Rainer Erne. "Lediglich zu speziellen Seminaren, in denen es beispielsweise um die Welt der Großrechner geht oder in denen Grundlagen der Informatik gelehrt werden, kommen die Dozenten von der IBM ins Spiel."

Module vermitteln Wissen

Die Ausbildung orientiert sich eng am Bedarf der Allianz. Dazu gehört das Versicherungsfachwissen, das die Bayerische Versicherungsbank (BVB) in zeitlichen Abschnitten von vier bis acht Wochen unterrichtet. Dem folgen die notwendigen Blöcke in den Berufsschulen.

Im hauseigenen Schulungszentrum wird IT-Wissen vermittelt. Dazu gehört neben Grundkenntnissen in Informatik sowie im PC-Bereich auch Großrechner-Know-how. Darüber hinaus lernen die Azubis auch das Programmieren von Anwendungen und den professionellen Umgang mit Datenbanken.

"Natürlich spielt bei der IT-Grundausbildung auch das Internet eine Rolle, weshalb auch HTML-Programmierung auf dem Lehrplan steht", so Gabriele Bieringer. Gegen Ende der Ausbildung steigen die Kursteilnehmer dann auch noch in das Client/Server-Computing sowie die objektorientierte Programmierung ein. "Die breit gefächerte Wissensvermittlung aus allen Bereichen der IT ist notwendig, weil die Leute nach bestandener Prüfung in der Anwendungsprogrammierung arbeiten sollen", erklärt Frau Bieringer. "Nur wenn sie sowohl in der Versicherungs- als auch in der IT-Welt sattelfest sind, werden die Ergebnisse ihrer Arbeit den Anforderungen des Konzerns entsprechen, weshalb die Messlatte für diese Ausbildung sehr hoch liegt."

Abgerundet wird der Ausbildungsgang durch weitere Schulungen, denn bei der Allianz legt man auch Wert auf so genannte "Soft Skills". Dazu gehören Themen wie "Lernen lernen", "Präsentieren" sowie "Grundlagen der Kommunikation" oder "Teamentwicklung" und "Projektmanagement".

Wer im Laufe der Ausbildung feststellt, dass ihm der Weg zur Doppelqualifikation zu steinig ist und die IT-Welt nicht die seine oder ihre ist, wird nicht weiter in die Rolle gepresst, sondern hat die Chance, nur den Beruf des Versicherungskaufmanns zu erlernen und mit der IHK-Prüfung abzuschließen. "Diese Möglichkeit sehen wir als großen Vorteil der Doppelausbildung, denn häufig wissen die Bewerber anfangs noch gar nicht, wo und was sie eigentlich arbeiten wollen", berichtet Gabriele Bieringer.

Trotz des interessanten Ausbildungsspektrums ist die Nachfrage nach der Doppelausbildung noch nicht so groß, wie man es sich bei der Allianz wünscht. "Viele Bewerber bringen die Allianz nur mit Versicherungen in Verbindung und wissen nicht, dass dahinter mittlerweile auch ein großer IT-Konzern steckt, der reizvolle Aufgaben zu bieten hat", schildert Gabriele Bieringer die Situation. Das liegt ihrer Ansicht daran, dass dieses Berufsbild noch nicht so bekannt ist und vielen potenziellen Bewerbern nicht klar ist, welche attraktiven Aufgaben sich aus der Doppelqualifizierung ergeben können. (wk)