Gefragt ist Integration

19.05.2000
Auf dem 47. Treffen der Internet Engineering Task Force (IETF) in Adelaide (Australien) stand vor allem ein Thema im Mittelpunkt: die bessere Abstimmung von Internet-Standards auf die Anforderungen von drahtlosen Endgeräten.

Von: Petra Schlatter, Dr. Georg Carle

Handys, mit denen der Benutzer auf IP-Daten zugreifen kann, oder "Personal Digital Assistants" (PDAs) mit Funkanbindung stellen die Internet-Standardisierungsgremien vor neue Herausforderungen. So stand denn auch auf dem 47. Treffen der IETF in Australien die Frage im Mittelpunkt, welche Änderungen an Internet-Standards notwendig sind, um drahtlose Endgeräte besser zu unterstützen. Im IETF Plenary wurden die aktuellen Techniken für mobile Systeme vorgestellt. Zu den bekanntesten zählt das "Wireless Access Protocol" (WAP). Diese Lösung setzt auf IP auf; mit ihrer Hilfe können Provider Datendienste für Handys und PDAs über unterschiedliche Links anbieten, etwa GSM und CDMA-Systeme (Code DivisionMultiple Access). Entwickelt wurde das Protokoll vom WAP-Forum (www.wapforum.org), also einem Industrie-Konsortium, und nicht von der IETF. WAP umfasst Funktionen auf folgenden Ebenen: Link, Transport und Anwendung. Auf der Anwendungsschicht stellt das Wireless Application Protocol Mechanismen bereit, über die ein drahtloses Endgerät (Client) dem WAP-Server mitteilt, auf welche Weise es Informationen darstellen kann. Der Server und die WAP-Gateways passen die Inhalte dann entsprechend an. Ein weiteres Element von WAP ist ein Transaktionsprotokoll, das auf der Ebene oberhalb von UDP/IP einen Dienst zur Verfügung stellt. Er ähnelt der von der IETF standardisierten Lösung, die zur Übertragung von Web-Seiten TCP/IP und HTTP miteinander verknüpft.

Das größte Manko des Wireless Application Protocol ist, dass es kein Standard ist. Das heißt, die WAP-Endgeräte sind auf die Server und Gateways des jeweiligen Dienstanbieters angewiesen und nicht automatisch in der Lage, mit allen Internet-Endgeräten zu kommunizieren. Außerdem kann ein Serviceprovider festlegen, auf welche Server und Endgeräte seine Kunden zugreifen dürfen. Das eröffnet dem WAP-Dienstanbieter beispielsweise die Möglichkeit, die Verwendung bestimmter Zugangsseiten ("Portale") oder Suchmaschinen vorzuschreiben.

Anders sieht es in Japan aus. Dort startete im Februar 1999 mit "I-Mode" ein IP-Datendienst für Handys. Er hat mittlerweile fünf Millionen Nutzer mit stark steigender Tendenz. Während WAP eine Speziallösung ist, die in wesentlichen Punkten von Internet-Standards abweicht, basiert der aktuelle I-Mode-Dienst wie auch dessen nächste Generation in weit größerem Maße auf Normen. So kommen bei Web-Diensten HTTP und TCP/IP zum Einsatz. Die Teilnehmer des Meetings waren sich im Anschluss an die Vorträge darüber einig, dass die IETF versuchen sollte, TCP und HTTP an die Anforderungen drahtloser Endgeräte anzupassen. Dann wären IP-basierte Handys und PDAs in der Lage, auf alle Internet-Dienste direkt zuzugreifen. Außerdem würde dies verhindern, dass Firmen inkompatible Speziallösungen entwickeln.

Workshop des IAB

Parallel zum IETF-Meeting veranstaltete das "Internet Architecture Board" (IAB) einen Workshop zum Thema Internet-Standards und drahtlose Endgeräte. Neben den zwölf Mitgliedern des IAB nahmen an ihm fünfzehn Experten teil. Sie diskutierten über

- Link-Techniken wie "Bluetooth" für so genannte "Body Area Networks" zur Kommunikation zwischen IP-Geräten, die der Nutzer mit sich führt,

- "Mobile IP", vor allem IPv6, in zellularen Mobilfunknetzen sowie Lösungen für die Authentifizierung, Autorisierung und das Accounting (AAA) und

- wie sich die Arbeiten einzelner Working Groups der IETF an bestehenden und neuen Protokollen auf die Aktivitäten anderer Gruppen auswirken können. Mit diesem Problem befasst sich auch die Arbeitsgruppe "Weird" (Web Elucidation of Internet Related Developments). Verursacht wurde es durch die wachsende Zahl der IETF-Arbeitsgruppen (gegenwärtig sind mehr als 100 aktiv) und die damit verbundene Fülle von Drafts und RFCs. Für die Experten in einem Gremium wird es dadurch immer schwieriger, alle Änderungen nachzuvollziehen, die sich durch die Aktivitäten anderer Gruppen ergeben.

Die IAB erarbeitete im Rahmen des Workshops mehrere Empfehlungen, welche die wichtigsten Problembereiche abdecken. Eine besagt, dass ein intensiver Dialog zwischen der IETF und denjenigen Organisationen anzustreben ist, die Spezifikationen für drahtlose Endgeräte und Funknetze erarbeiten. Das sind in erster Linie das WAP-Forum und das Mobile Wireless Internet Forum (MWIF). Hinzu kommen das Third Generation Partnership Project (3GPP) sowie das Industriekonsortium 3G.IP. Sie arbeiten an Spezifikationen für UMTS-Systeme (Universal Mobile Telecommunications System) auf Grundlage des Internet-Protokolls.

Außerdem wurde deutlich, dass sich Network Address Translation (NAT) nicht für drahtlose IP-Dienste eignet. Denn ein zellulares Netz eines solchen Dienstes wird durch eine große Domäne repräsentiert. Wenn dort nur ein NAT-System (Gateway, Router) zum Einsatz kommt, entwickelt es sich schnell zu einem Flaschenhals. Werden dagegen mehrere NAT-Boxes verwendet, führt das zu bislang ungelösten Koordinationsproblemen.

Ein weiterer Punkt des Workshops betraf die TCP-Staukontrolle. Sie geht prinzipiell davon aus, dass Paketverluste durch Überlast in einem Netzknoten verursacht werden. Kommen jedoch drahtlose Endgeräte ins Spiel, müssen Mechanismen vorhanden sein, die erkennen, ob für Datenverluste eine Überlastsituation oder Bitfehler auf dem drahtlosen Link verantwortlich sind. Was das Internet-Protokoll angeht, scheint nach Ansicht des IAB für die drahtlosen Endgeräte IPv6 wesentlich attraktiver zu sein als IPv4. Um die Kommunikation mit IPv4-Knoten sicherzustellen, sollten zum Übersetzen von IPv6- und IPv4-Adressen allerdings keine NAT-Systeme eingesetzt werden, sondern Alternativen wie Gateways auf Anwendungsebene. Um eine bestimmte Dienstequalität (Quality of Service, QoS) unterstützen zu können, müssen zudem die bisherigen IETF-Lösungen angepasst werden, speziell Intserv und Diffserv. Das gilt für den Fall, dass mehrere Router-Übergänge (Hops) im Festnetz in Verbindung mit einem letzten Hop über einen Funkkanal auftreten.

Weitere Bereiche, in denen eine Anpassung an drahtlose Endgeräte berücksichtigt werden muss, sind die Authentifizierung, Autorisierung und das Accounting (AAA) in Szenarien mit mehreren administrativen Domänen sowie Proxies zur Steigerung der Leistungsfähigkeit. (re)

Zur Person

Dr. Georg Carle ist stellvertretender Leiter des Kompetenzzentrums "Global Networking" am Forschungsinstitut GMD Fokus. sowie Lehrbeauftragter der TU Berlin.

Petra Schlatter studierte an der Universität Stuttgart Elektrotechnik. Sie ist bei der Firma R. Hirschmann im Geschäftsbereich Automatisierungs- und Netzwerksysteme für Layer-3-Switching-Produkte zuständig.