Gefahr: IDE-Festplatten im Dauereinsatz

14.05.2003 von Christian Vilsbeck
Immer häufiger laufen IDE-Festplatten und künftig Serial-ATA-Drives in Servern und Arbeitsplatzrechnern im 24-Stunden-Betrieb. Doch die Laufwerke sind nicht für den Dauerbetrieb konzipiert. Wir erklären, welche Gefahren der Einsatz birgt.

Die Preisdifferenz zwischen IDE- und SCSI-Festplatten gleicher Kapazität ist seit Jahren unverändert groß. Ein SCSI-Laufwerk ist bis zu viermal teurer als eine vergleichbare IDE-Platte.

SCSI-Festplatten sind zwar noch immer die schnelleren Laufwerke, aber für viele Server reicht die Performance von IDE-Festplatten vollkommen aus. Der Trend, dass preisgünstige IDE-Drives das Serverfeld erobern, verwundert daher nicht. Und die Serial-ATA-Laufwerke werden dieser Trend noch verstärken. Warum also eine teure SCSI-Festplatte kaufen, wenn nicht allerhöchste Performance gefordert ist? Nur weil deren MTBF mit einer Million Stunden eine höhere Zuverlässigkeit verspricht als die einer IDE-Festplatte mit 500.000 Stunden? Damit umgerechnet über 114 Jahre verstreichen statt nur 57 Jahre, bis die Festplatte einem Defekt erliegt?

Festplattenhersteller geben in ihren Datenblättern und Werbebroschüren nicht an, wie die Berechnung dieser extrem hoch anmutenden Zuverlässigkeit zu Stande kommt. Dabei wird gern verschwiegen, dass das Gros der IDE-Festplatten im Gegensatz zu den SCSI-Drives nicht ausdrücklich für den Dauerbetrieb konzipiert ist. Laufen sie dennoch ständig, können die IDE-Drives in dieser Mission schneller einem Defekt erliegen.

So erregte IBM (nun Hitachi) Aufsehen mit der Angabe, dass die empfohlene Laufzeit der IDE-Festplatte Deskstar 120GXP 333 Stunden pro Monat betrage. Ein Monat hat immerhin 732 Stunden. Doch ganz freiwillig dürfte IBM diese Spezifikation nicht veröffentlicht haben. Ein Vorgängermodell der Deskstar 120GXP, die Deskstar 75GXP, hatte seit Anfang 2001 durch Ausfälle bei vielen Anwendern für Unmut gesorgt.

tecCHANNEL-Umfrage: IDE-Drives im Dauerbetrieb

Wie wichtig es ist, Anwender auf die möglichen Gefahren des Dauerbetriebs von IDE-Festplatten hinzuweisen, zeigt unsere tecCHANNEL-Umfrage. Wir haben die tecCHANNEL-Leser gefragt, ob und wo sie IDE-Festplatten im Dauerbetrieb einsetzen.

Von den über 1000 Befragten verwenden 54 Prozent in ihren Arbeitsplatzrechnern IDE-Laufwerke im 24-Stunden-Betrieb. IDE-Drives in Servern benutzen 27 Prozent rund um die Uhr. Bei den IDE-Dauerläufern hatten zwölf Prozent bereits mit Ausfällen zu kämpfen. Immerhin drei Prozent nehmen seit einem Defekt von einem weiteren Dauereinsatz Abstand. Und gerade mal 26 Prozent strapazieren ihre IDE-Festplatte maximal acht Stunden pro Tag.

IBM verwirrte mit 333 Stunden

Dass IDE-Festplatten keineswegs für den Marathonbetrieb, sondern eher für Etappeneinsätze geeignet sind, dokumentierte IBM (nun Hitachi) Ende 2001 mit der Vorstellung der Deskstar 120GXP. Nicht, dass es mit dieser Platte hohe Ausfallraten gegeben hätte. Für Diskussionsstoff sorgte vielmehr eine kleine - erstmals veröffentlichte - Angabe im Datenblatt der Deskstar 120GXP. Dort hieß es neben "designed to protect user data" eben auch "recommended power-on hours (monthly) 333". Die Deskstar 120GXP ist also für einen Betrieb von 333 Stunden pro Monat spezifiziert. Umgerechnet sind das elf Stunden Laufzeit pro Tag.

Böse Zungen behaupteten, IBM wollte sich nach den Erfahrungen mit der Deskstar 75GXP durch die 333-Stunden-Spezifikation absichern. Das könnte ein Grund sein, im Prinzip war IBM aber nur ehrlich. Der Hersteller legte mit der 333-Stunden-Angabe erstmals offen, was der Rest der Plattenindustrie gern verschweigt: IDE-Festplatten sind im Allgemeinen nicht für den Dauerbetrieb ausgelegt.

Die 333 Betriebsstunden pro Monat spiegeln laut IBM den typischen Einsatz einer Desktop-Festplatte wieder. Das mag im Durchschnitt zutreffen, nur sorgte diese Angabe für Verunsicherung bei den Anwendern. Was passiert, wenn die Deskstar 120GXP Tag und Nacht läuft, und das über Monate hinweg?

Wie uns IBM mitteilte, lässt sich die Deskstar 120GXP auch zuverlässig im Dauerbetrieb verwenden. Nur erhöhe sich proportional zur längeren Laufzeit die Ausfallwahrscheinlichkeit. Ist die Festplatte länger als 333 Stunden pro Monat in Betrieb, so müsse laut IBM "keineswegs davon ausgegangen werden, dass die Festplatte innerhalb kürzester Zeit einen Defekt aufweisen wird".

IBM hat nach wenigen Monaten die 333-Stunden-Spezifikation wieder aus den Datenblättern der Deskstar 120GXP entfernt. "Die Veröffentlichung der Power-on Hours löste eine gewisse - unberechtigte - Verunsicherung aus", so Uwe Kemmer von der IBM Technology Group gegenüber tecCHANNEL. Es stellt sich die Frage, ob die Festplatte durch das Löschen einer Zeile aus dem Datenblatt ausfallsicherer ist.

Unklare Herstellerangaben

Nicht nur IBM (nun Hitachi) empfiehlt für seine IDE-Festplatten eine bestimmte Nutzungsdauer pro Monat. Auch der Rest der Festplattengilde verwendet die Power-on Hours (POH) als Grundlage für die Zuverlässigkeitsberechnungen ihrer Laufwerke. Seagate und Western Digital gehen ebenfalls von einer Nachtruhe für ihre IDE-Drives aus. Design und Komponenten der Laufwerke seien für dieses "Laufzeitverhalten" ausgelegt. Etwaige Angaben finden sich allerdings nicht in den Datenblättern der IDE-Platten.

Western Digital erklärte gegenüber tecCHANNEL, dass die Zuverlässigkeitsangaben ihrer IDE-Festplatten auf einer Laufzeit von 60 Stunden pro Woche basieren. Das entspricht im Monat nur 240 Stunden und liegt somit noch unter IBMs POH-Angabe von 333 Stunden. IDE-Festplatten von Seagate werden im typischen Betrieb noch weniger genutzt. Zumindest nimmt der Hersteller dies bei der Auslegung seiner Festplatten an: acht Stunden pro Tag und fünf Mal die Woche. Daraus resultiert eine durchschnittliche Laufzeit von 173 Stunden pro Monat.

Wäre eine IDE-Festplatte wirklich für den Dauerbetrieb geeignet und konzipiert, müsste der POH-Wert 732 Stunden pro Monat betragen. Davon scheint Maxtor auszugehen. Denn laut Thomas Astheimer, Manager Customer Engineering bei Maxtor, weisen deren IDE- und SCSI-Festplatten keine qualitativen Unterschiede auf. Beide Laufwerksgattungen seien für den Dauerbetrieb ausgelegt. Ein Blick in die Datenblätter von Maxtors IDE- und SCSI-Festplatten lässt allerdings doch ein paar Unterschiede erkennen. Während das aktuelle SCSI-Drive Atlas 10K IV eine Ausfallrate von kleiner 0,7 Prozent verspricht, müssen IDE-Drives mit kleiner 1,0 Prozent auskommen.

Abstrakte MTBF-Zahlen

Die Festplattenhersteller reden bei ihren Laufwerken viel von "best reliability". Doch wie ist Zuverlässigkeit eigentlich definiert? Die Lebenserwartung einer Festplatte spezifiziert der MTBF-Wert (Mean Time Between Failure), das ist der Durchschnittswert für die Zeitspanne zwischen Ausfällen des entsprechenden Geräts. Der MTBF-Wert hat sich industrieweit als anerkanntes Instrument für die Fehlerhäufigkeit etabliert und findet nicht nur bei Festplatten Verwendung.

Bei SCSI-Festplatten liegt der MTBF-Wert typischerweise bei einer Million Stunden. Hält das Laufwerk also 114 Jahre durch, ehe es einem Defekt erliegt? Nein, die Komponentenlebensdauer von Festplatten ist nur auf fünf Jahre ausgelegt. Die hohen MTBF-Werte von Festplatten sind daher irreführend, weil sie nichts über die tatsächliche Lebensdauer aussagen. Vielmehr ist die MTBF ein Indiz für die Ausfallwahrscheinlichkeit des Laufwerks. Beispiel: 1000 Festplatten mit einer MTBF von je einer Million Stunden sind ein Jahr lang im Betrieb. Dann ist auf Grund der MTBF davon auszugehen, dass 8,5 Drives einem Defekt erliegen. Die MTBF errechnet sich aus der Anzahl von Samples multipliziert mit den Betriebsstunden geteilt durch die Ausfälle im Testzeitraum.

Anschaulicher als der MTBF-Wert ist die jährliche Ausfallrate AFR. Sie gibt die Ausfallwahrscheinlichkeit einer Festplatte in Prozent an. Die AFR errechnet sich aus den monatlichen Ausfällen pro installierter Basis multipliziert mit dem Faktor 12 (für ein Jahr). Ein typischer AFR-Wert ist 0,9 Prozent. Es besteht auch ein direkter Zusammenhang zwischen der AFR und der MTBF: AFR % = 1/MTBF x POH x 100. Aus Gründen der Anschaulichkeit finden sich immer seltener Angaben über die MTBF in den Datenblättern der Festplatten. Hersteller wie Maxtor veröffentlichen deshalb nur noch die AFR.

Knackpunkt: Power-on Hours

Hat eine Festplatte eine MTBF von 500.000 Stunden, so gilt dieser Wert nur, wenn sie unter den vom Hersteller vorgegebenen Bedingungen arbeitet. Die Zuverlässigkeit einer Festplatte hängt wesentlich von der Belastung und der Umgebung ab.

Ein entscheidendes Kriterium bei der Kalkulation der MTBF sind die Power-on Hours der Festplatte. Für SCSI-Festplatten verwenden alle Hersteller einen POH-Wert von 732 Stunden pro Monat. Dies entspricht umgerechnet einem 24-Stunden-Betrieb an sieben Tagen pro Woche. Bei IDE-Festplatten variieren die zur Berechnung verwendeten Power-on Hours von Hersteller zu Hersteller. Die MTBF von IDE-Festplatten ist also nicht mit der von SCSI-Drives vergleichbar. Auch die MTBFs von IDE-Drives untereinander lassen sich nur begrenzt vergleichen.

Wird eine IDE-Festplatte mit einer POH-Spezifikation von 333 Stunden pro Monat im Dauerbetrieb eingesetzt, so gilt keineswegs mehr der ursprüngliche MTBF-Wert für die Zuverlässigkeit des Laufwerks. Laut IBM (nun Hitachi) nimmt die Ausfallwahrscheinlichkeit proportional zur längeren durchschnittlichen Laufzeit zu.

Etwas genauer spezifiziert Seagate den Zusammenhang zwischen Ausfallwahrscheinlichkeit und Power-on Hours mit der MTBF-Adjustment-Curve: Eine Festplatte ist mit 2400 Stunden pro Jahr Laufzeit angegeben (je zehn Stunden an fünf Tagen pro Woche). Lässt man dies Laufwerk nun 7680 Stunden pro Jahr laufen (Dauerbetrieb), so sinkt die MTBF um den Faktor 1,8. Nutzt jemand die Platte dagegen nur 492 Stunden pro Jahr (zirka zehn Stunden pro Woche), so erhöht sich die Zuverlässigkeit um den Faktor 2.

Faulheit wird belohnt

"Wer sich viel bewegt, lebt länger" lautet ein Sprichwort. Das gilt allerdings nicht für Festplatten. Je mehr sich deren Köpfe bewegen und je häufiger Schreib- und Lesezugriffe erfolgen, desto die Lebensdauer der Platte.

Die Auslastung einer Festplatte ist definiert als Duty Cycle. Der Wert beschreibt den Anteil von Positionier-, Schreib- und Lesezugriffen während des Betriebs. Bei IDE-Festplatten gelten 20 Prozent, bei SCSI-Drives 30 Prozent als typische Auslastung.

Der Einsatz einer IDE-Festplatte in Serverumgebungen erhöht nicht nur die Power-on Hours, sondern auch die Duty Cycles. Entsprechend verkürzt sich durch diesen Umstand die Lebensdauer von IDE-Festplatten zusätzlich, wenn sie in Servern arbeiten. Eine Erhöhung der Auslastung lässt natürlich auch bei SCSI-Festplatten die Ausfallwahrscheinlichkeit steigen. SCSI-Drives sind jedoch bereits für eine höhere Grundauslastung konzipiert.

Die Zahl der vom Duty Cycle abhängigen Komponenten einer Festplatte hängt direkt mit der Anzahl der eingesetzten Plattern zusammen. Das betrifft vor allem die Magnetköpfe sowie die Aktuator-Einheit. Hat eine 1-Scheiben-Festplatte eine AFR von 0,8 Prozent, so erhöht sich laut Seagate die Ausfallrate um 0,2 Prozent je weiterer Magnetscheibe. Eine 4-Scheiben-Version hätte demnach eine jährliche Ausfallrate von 1,4 Prozent. Bei Seagate basiert die MTBF-Angabe in den Datenblättern bei allen Platten einer Familie jeweils auf dem 2-Scheiben-Modell. Maxtor bezieht seine Zuverlässigkeitsberechnungen auf alle Kapazitäten der jeweiligen Produktfamilie. Hier wird nicht nach bestimmten Modellen gemessen, so Thomas Astheimer von Maxtor.

Wie stark die MTBF einer Festplatte vom Auslastungsverhältnis abhängt, zeigt die Grafik Duty Cycle. Sinkt die durchschnittliche Auslastung eines 4-Plattern-Laufwerks von beispielsweise 70 auf 20 Prozent, so steigt die MTBF um den Faktor 1,65.

Kühle Köpfe leben länger

Das Datenrettungsunternehmen Ibas bekommt sehr oft defekte SCSI-Festplatten aus Servern zugesendet. Nicht, weil die Platten per se unzuverlässig wären, im Gegenteil, der Ausfallgrund ist Überhitzung durch mangelnde Kühlung.

Festplatten sind komplexe elektromechanische Geräte, deren Zuverlässigkeit stark von der Umgebung abhängt. Neben relativer Luftfeuchtigkeit, Spannungsversorgung, Schock und Vibration ist vor allem zu hohe Temperatur ein potenzieller Datenkiller. Sowohl die Zuverlässigkeit der Elektronik als auch der Mechanik - Spindelmotor und Lager - hängt stark von der Umgebungstemperatur sowie einem adäquaten Luftstrom ab.

Die Festplattenhersteller geben stets einen zulässigen Temperaturbereich für den Betrieb der Laufwerke an. Meist liegt dieser im Bereich von 5 bis 55 Grad Celsius. Die Zuverlässigkeitsangaben wie MTBF oder AFR basieren dabei auf einer bestimmten Normtemperatur. Hier machen die Hersteller unterschiedliche Angaben: Maxtor nennt für die SCSI-Platte Atlas 10K IV 30 Grad, IBM/Hitachi für das IDE-Laufwerk Deskstar 180GXP 40 Grad und Seagate beispielsweise für die Barracuda ATA V 25 Grad Celsius.

Wie sich die Ausfallwahrscheinlichkeit einer Festplatte mit der Temperatur verändert, zeigt IBM in der Illustration Temperatureinfluss. Jedes Grad Celsius über der Normtemperatur senkt die Zuverlässigkeit um zwei bis drei Prozent. Nur 5 Grad mehr, und die Ausfallwahrscheinlichkeit steigt bereits um zehn bis 15 Prozent. Andererseits erhöht sich aber auch die Zuverlässigkeit, wenn die Betriebstemperatur der Festplatte unterhalb des Normwerts verweilt. Von Seagate gibt es ähnliche Untersuchungen: Läuft eine Festplatte bei 100 Prozent Duty Cycle statt bei "kühlen" 25 Grad bei 40 Grad Celsius, so verdoppelt sich bereits die Ausfallwahrscheinlichkeit. Bei einer Temperatur von 56 Grad Celsius vervierfacht sich laut Seagate der AFR-Wert sogar.

Bei zu hohen Betriebstemperaturen kann schnell eine thermische Überlastung des Magnetscheibenstapels und des Aktuators auftreten. Dies verursacht möglicherweise Off-track-Schreibvorgänge, die korrupte Daten auf angrenzenden Zylindern zur Folge haben. Die Lager des Spindelmotors und Aktuators verschleißen bei hohen Temperaturen schneller und können zu mechanischen Schäden führen. Auch die Schmiermittel dieser Komponenten verlieren schneller an Wirkung oder verflüchtigen sich.

IDE- vs. SCSI-Drives

Ein anschauliches Statement über die Unterschiede von IDE- und SCSI-Festplatten kommt vom Laborleiter eines deutschen Datenrettungsunternehmens: "IDE-Festplatten sind billig zugeklebte Blechbüchsen." IDE-Drives sind aber erste Wahl, wenn niedrige Anschaffungskosten im Vordergrund stehen. Neben den hohen Stückzahlen sorgt eine hohe Integration durch Verwendung weniger Bauteile für günstige Preise. Mittlerweile gibt es IDE-Drives fast nur noch als Versionen mit einer oder zwei Plattern.

SCSI-Festplatten benötigen auf Grund ihrer hohen Drehzahl von 10.000 und 15.000 U/min eine aufwendigere Mechanik - IDE-Drives drehen dagegen nur mit 5400 und 7200 U/min. Einzig Western Digital hat mit der Raptor eine Serial-ATA-Festplatte mit 10.000 U/min im Angebot.

Die Magnetarmkonstruktionen sind bei SCSI wegen der deutlich kürzeren Zugriffszeiten straffer ausgelegt. Zur Realisierung der schnellen Positionierung ist der Aktuator im Vergleich zu IDE-Drives mit mehr Windungen und stärkeren Magneten ausgestattet. Die hohen Drehzahlen fordern bei SCSI-Festplatten stärkere Motoren.

Der drehzahlbedingten höheren Wärmeentwicklung sowie den Dauerlaufzeiten der Motoren tragen entsprechend angepasste Schmiermittel Rechnung. SCSI-Festplatten produzieren bei Zugriffen pro Datenmenge wesentlich weniger Vibrationen als IDE-Festplatten. Zudem sind sie unempfindlicher gegenüber Vibrationen von außen, beispielsweise durch benachbarte Laufwerke. Durch Rotationsvibrationen können sich die Festplatten gerade in Systemen mit einem Laufwerksverbund (RAID) gegenseitig beeinflussen. Die Folgen: Abbruch von Schreibvorgängen, Wiederholung von Lesevorgängen oder der Magnetkopf wird aus der Spur vibriert. SCSI-Laufwerke schaffen laut Seagate bei gleichen Rotationsvibrationen von 21 rad/s² einen 88 Prozent höheren I/O-Durchsatz (16 KByte Random Writes) als ein IDE-Laufwerk.

Die höhere Zuverlässigkeit von SCSI-Festplatten ist in den Datenblättern durch eine höhere MTBF ausgewiesen. In der Regel liegt sie zwischen 1,0 und 1,2 Millionen Stunden. Die MTBF-Werte von IDE-Laufwerken bewegen sich dagegen in einem Bereich von 500.000 bis 800.000 Stunden. Auch in der Garantiezeit unterscheiden sich die beiden Laufwerksgattungen: Die Hersteller gewähren auf IDE- im Regelfall ein, auf SCSI-Drives fünf Jahre. Eine Komponentenlebensdauer von fünf Jahren ist den IDE- und SCSI-Festplatten aber wieder gemein.

Studie: SCSI zuverlässiger

Die Diskussion um die Zuverlässigkeit von Festplatten beruht zu großen Teilen auf Theorien, Statistiken und Wahrscheinlichkeitsberechnungen. Unabhängige realitätsnahe Testergebnisse über die Ausfallsicherheit von IDE- und SCSI-Drives sind schwer zu bekommen.

Dies befand auch die Computer Science Division der Berkeley-Universität in Kalifornien, die im Jahr 1999 die Ausfallcharakteristik einer großen Storage-Lösung untersucht hat. In einer 18 Monate währenden Testphase wurden die Fehlerraten aller Komponenten protokolliert. Das 3,2 TByte fassende Speichersubsystem bestand unter anderem aus 368 SCSI- sowie 24 IDE-Festplatten. Die Anzahl der IDE-Drives gilt allerdings nicht als statistisch adäquat.

Ausfälle in einem Speichersubsystem

Komponente

Anzahl im System

Zahl der Ausfälle

Ausfallrate

Die Ausfälle beziehen sich auf einen Dauertest von 18 Monaten. Die Daten stammen von der Berkeley-Universität in Kalifornien.

SCSI-Festplatte

368

7

1,9 %

IDE-Festplatte

24

6

25 %

SCSI-Box Backplane

46

13

28,3 %

SCSI-Box Netzteil

92

3

3,3 %

SCSI-Controller

44

1

2,3 %

SCSI-Kabel

39

1

2,6 %

Ethernet-Controller

20

1

5,0 %

Ethernet-Switch

2

1

50 %

Ethernet-Kabel

42

1

2,3 %

CPU/Mainboard

20

0

0 %

Während die SCSI-Drives mit einer Ausfallrate von 1,9 Prozent zur zuverlässigsten Komponente des Storage-Systems avancierten, wiesen die IDE-Laufwerke mit 25 Prozent die höchste Ausfallrate auf. Die IDE-Festplatten zeigten in dem 18-monatigen Dauerbetrieb eine 13-mal höhere Fehlerrate als die SCSI-Drives. Die zahlreichen Defekte der IDE-Festplatten führt die Universität teilweise auch auf die Arbeitsumgebung zurück. Während die SCSI-Drives in speziell auf gute Kühlung und vibrationsmindernd ausgelegten Anlagen betrieben wurden, mussten die IDE-Laufwerke mit handelsüblichen PC-Gehäusen vorlieb nehmen.

Anhand der Testergebnisse der Berkeley-Universität errechnet sich eine AFR von 1,27 Prozent für die SCSI-Festplatten. Der Wert liegt bereits knapp 40 Prozent über den AFR-Angaben aktueller SCSI-Drives von zirka 0,9 Prozent. Die Zuverlässigkeit des Speichersubsystems hängt jedoch im Wesentlichen auch von den restlichen Komponenten ab, wie die Berkeley-Studie zeigt. So gab es beispielsweise bei den 46 externen Festplattengehäusen 13-mal Probleme mit der Datenintegrität (zum Beispiel Probleme mit Steckverbindungen). Von den insgesamt 92 Netzteilen der SCSI-Boxen quittierten über drei Prozent den Dienst.

Veränderte Einsatzgebiete

Das Problem mit den IDE-Festplatten ist keineswegs, dass sie unzuverlässiger geworden sind. Im Gegenteil, die MTBF stieg in den vergangenen Jahren. Ein hoher Anteil der Laufwerke arbeitet aber nicht mehr in der Umgebung oder unter den Bedingungen, die sich die Plattenhersteller ursprünglich vorstellten: tagsüber an und nachts aus. Hier muss von Seiten der Hersteller klar Stellung bezogen werden. IDE-Festplatten sind nicht für den intensiven Dauerbetrieb konzipiert. Zudem sollten die Festplattenproduzenten angeben, wie sich die Ausfallwahrscheinlichkeit im Dauerbetrieb erhöht.

Neben dem Einsatz der IDE-Drives in Bürorechnern - über 50 Prozent der tecCHANNEL-Leser verwenden sie hier im Dauerbetrieb - und Servern wandern sie vermehrt in neue Devices. Vor allem die NAS-Appliances und Filer in den Preiskategorien bis 5000 Euro sind hervorzuheben. Die Geräte erweitern die Storage-Kapazität in Netzwerken und setzen meist vier IDE-Festplatten in einem RAID-Verbund ein. Ein Dauerbetrieb ist bei Netzwerk-Devices unumgänglich. Intern arbeiten in den NAS-Appliances Laufwerke "von der Stange". Unsere NAS im tecCHANNEL-Labor von Dell, IBM, Iomega, Snap Appliances verwenden IBMs Deskstar 120GXP oder Maxtors DiamondMax 160. Selbst die 2,5-Zoll-Mobile-Festplatten bleiben vom Dauereinsatz nicht verschont. Die besonders platzsparend konzipierten Blade-Server setzen auf die 2,5-Zoll-Drives.

Dem Trend entsprechend bieten die Festplattenhersteller nun vermehrt spezielle IDE-Festplatten an, die auf Dauerbetrieb ausgelegt sein sollen. Im folgenden Abschnitt geben wir einen Überblick.

Spezielle 24/7-IDE-Festplatten

Fujitsu hat bereits im März 2002 eine spezielle 24/7-Version der 2,5-Zoll-IDE-Festplattenfamilie MHR2xxxAT vorgestellt. Die 24/7-Version ist für den Dauereinsatz konzipiert und soll primär in Blade-Servern Einsatz finden. Auch IBM/Hitachi bietet von den Mobile-Festplatten Travelstar 40GN und 60GH Versionen für den Dauerbetrieb an. Statt 333 Stunden weist das Datenblatt hier 732 Power-on Hours pro Monat aus.

Maxtor gibt bei seinen IDE-Laufwerken keine Laufzeitbeschränkungen an. Dennoch hat der Hersteller im September 2002 mit der MaxLine-II-Familie speziell für den Dauerbetrieb ausgelegte IDE-Drives vorgestellt. Die Laufwerke besitzen eine MTBF von einer Million Stunden - dies entspricht dem Wert von SCSI-Festplatten. Als Einsatzgebiet für die MaxLine-II-Familie sieht Maxtor Entry-Level- und Mid-Size-Server. Maxtor bietet die IDE-Laufwerke mit Ultra-ATA/133- oder Serial-ATA-Interface an.

Western Digital steigt mit der Raptor erneut in den Festplattenmarkt für Server und Workstations ein. Gleichzeitig debütiert die Raptor als erstes Serial-ATA-Drive mit einer Umdrehungszahl von 10.000 U/min. Die Raptor soll die hohe Performance und Zuverlässigkeit von SCSI-Drives zu deutlich günstigeren Preisen bieten, so Western Digital. Laut Western Digital ist die Mechanik der Raptor - wie Lager und Aktuator - speziell für den Dauerbetrieb konzipiert. Die hohe Zuverlässigkeit der Raptor will Western Digital mit einer MTBF von 1,2 Millionen Stunden garantieren. Die Garantie beträgt ebenfalls wie für SCSI-Drives fünf Jahre.

Fazit

Die Hersteller verschweigen es gern: IDE-Festplatten sind nicht für den Dauerbetrieb konzipiert. Wer will sich schon potenzielle Absatzmärkte verschließen. Fakt ist aber, dass die Ausfallrate von IDE-Laufwerken bei intensivem Dauereinsatz steigt. Sie liegt ohnehin schon höher als bei SCSI-Drives. Für den Dauerbetrieb sind nach wie vor SCSI-Festplatten prädestiniert und bieten hier mehr Datensicherheit. Maxtors IDE-Festplatten seien zwar für den Dauerbetrieb spezifiziert, so der Hersteller. Die Ausfallrate liegt aber auch hier höher als bei den eigenen SCSI-Drives. Nicht ohne Grund hat Maxtor mit der MaxLine II spezielle IDE-Festplatten für den Dauerbetrieb im Angebot. Auch Western Digital geht diesen Weg mit dem Serial-ATA-Laufwerk Raptor.

Die von IBM (nun Hitachi) ausgelöste Verunsicherung mit der 333-Stunden-Spezifikation der Deskstar 120GXP zeigte Wirkung. Viele Diskussionen zum Thema höhere Ausfallwahrscheinlichkeit bei Dauereinsatz von IDE-Drives wurden entfacht. Zwar können auch IDE-Festplatten über Monate und Jahre hinweg durchgehend betrieben werden, nur müssen die Hersteller den Anwender über das höhere Ausfallrisiko informieren. Diese Hinweise sucht man bislang vergebens.

SCSI-Festplatten sind in der Anschaffung bei gleicher Kapazität gut viermal teurer als IDE-Laufwerke. Berücksichtigt man aber die geringere Ausfallrate von SCSI-Drives und die Kosten bei einem Defekt, so kann sich das zusätzlich investierte Geld für SCSI-Equipment schnell bezahlt machen. (cvi)