Tablet-PC in der Arbeit

Fünf Überraschungen beim iPad-Einsatz

11.02.2011 von Nicolas Zeitler
Das iPad von Apple verändert in Unternehmen das Arbeiten. Führungsgremien entscheiden schneller, Anwender fühlen sich beim Surfen überwacht. Ein CIO berichtet vom Testlauf mit iPads.

Während viele Unternehmen noch diskutieren oder zögern, statten andere Organisationen ihre Mitarbeiter schon mit iPads aus - und erleben Überraschungen: Probleme treten dort auf, wo man sie gar nicht vermutete, manche Befürchtung stellt sich hingegen als unbegründet heraus.

Das erfuhr CIO Rob Rennie vom Florida State College in Jacksonville (USA). 350 Apple-Tablets hat er bisher an Angehörige der Hochschule ausgegeben - an Mitarbeiter der IT-Abteilung, Angestellte in der Verwaltung, Dozenten und Studenten. Der Test ist die erste Phase eines Projekts, in dem bis Jahresende 1000 iPads im Umlauf sein sollen, dann auch in Bibliotheken und Laboren.

iPad - Die beliebtesten Apps
Platz 1: ReaddleDocs for iPad
Die Menschen bewahren ihre Dokumente heute an vielen verschiedenen Orten auf: Zu Hause, in der Arbeit, auf mobilen Geräten oder als E-Mail-Anhang - nicht zu vergessen die diversen Cloud-Dienste wie Dropbox, die iDisk oder Google Docs. ReaddleDocs für das iPad stellt sich nun an, diese grundverschiedenen Quellen in einer einzigen Anwendung zusammenlaufen zu lassen, damit sie zentral verwaltet werden können. Die App öffnet diverse Textdateien und Office-Dokumente und unterstützt auch Markierungen für PDF-Files. Dabei lassen sich Dokumente aus den bereits genannten Quellen importieren und lokal auf dem iPad nutzen. Zwei weitere clevere Funktionen sind die integrierte AirPrint-Unterstützung sowie das WiFi-Sharing-Feature. Damit lassen sich Dateien vom und zum iPad über den Browser eines PCs verschieben. Sogar als Netzlaufwerk kann das Tablet dann eingebunden werden. Voraussetzung ist jedoch, dass sich alle Gerät im gleichen LAN befinden.
Platz 2: ADAC Maps
Für seine Mitglieder hat der ADAC eine eigene iPad-App mit Informationen rund um den Straßenverkehr im Programm. Die Anwendung ist Routenplaner und Reiseführer in einem, mit Vorschlägen für Sehenswürdigkeiten, Wetterinformationen und Tipps zu Vergünstigungen als ADAC-Mitglied. Hierfür greift der ADAC auf die etablierte Kartenbasis von NAVTEQ zurück, die genau so auch in kostenpflichtigen Navigationslösungen zum Einsatz kommt. Insbesondere mit seinen aktuellen Stau- und Verkehrsinformationen bietet ADAC Maps einen praktischen Mehrwert bei der Reiseplanung.
Platz 3: Night Stand HD
Mit der App Night Stand HD Lite kann das iPad endlich auch als Wecker verwendet werden. Die App erlaubt die Erstellung von multiplen Alarmen, beispielsweise nur für die Wochentage und andere Alarmzeiten für Samstag und Sonntag. Neben vordefinierten Wecktönen lässt sich auch aus dem iPod-Repertoire ein Musikstück auswählen – allerdings nur in der kostenpflichtigen Pro-Version.
Platz 4: Taschenrechner X
Der fehlende Taschenrechner des iPads ist ein echter Mangel, der sich jedoch leicht über den App Store abstellen lässt. Eine Gratis-Möglichkeit dazu ist der "Taschenrechner X Kostenlos". In der Hochkant-Ansicht bietet die App alle Grundfunktionen an, die man von einem gewöhnlichen Taschenrechner erwartet. Hält man das iPad horizontal, dann aktiviert sich der wissenschaftliche Rechner. Die kostenpflichtige Ausgabe bietet noch zusätzliche Themes, was jedoch zu verschmerzen ist. Im normalen Betrieb zeigt die App keinerlei störende Werbung an. Einzig ein dezenter Hinweis auf die Kauf-Version versteckt sich hinter einem Menüpunkt.
Platz 5: Dragon Dictation
Dragon Dictation wandelt das gesprochene Wort in Schrift um - und das mit erstaunlicher Präzision. Gerade bei längeren Texten zahlt es sich schnell aus, anstatt einen Text selbst zu tippen, einfach auf die Fähigkeiten der App zu vertrauen. Aber selbst wenn Dragon Dictation einmal daneben greift, können Fehler in der Transkription leicht händisch ausgebessert werden. Das größte Manko er Freeware sind eventuelle Datenschutzbedenken. Dragon Dictation räumt sich das Recht ein, sämtliche Transkriptionen zur Verbesserung des Services auszuwerten. Mit einbezogen werden dabei auch Namen aus dem Adressbuch.
Platz 6: Remote Desktop
Remote Desktop ist ein nützliches App für das iPad, wenn der Zugriff auf den Windows-PCs notwendig ist. Die Bildschirmgröße des iPad ermöglicht eine gute Bedienung des Desktops. Durch die zusätzlichen Mausfunktionen von Remote Desktop lassen sich über den Touchscreen die meisten Aufgaben komfortabel durchführen. Mit der kostenlosen Version Remote Desktop Lite kann jeder die Funktion des Apps bereits gut ausprobieren, hier fehlen nur die erweiterten Maus- und Tastaturfunktionen.
Platz 8: iCab Mobile
Safari ist auf dem iPad ein sehr guter Browser, jedoch vermisst man schnell viele Funktionen, die gerade auf dem großen Bildschirm sinnvoll eingesetzt werden könnten. iCab Mobile ist ein alternativer Browser für das iPad und bringt viele solcher Features mit. Die App besitzt einen Download-Manager der Dateien transparent auf dem iPad speichern kann und zum späteren Export über die Dokumentenverwaltung in iTunes zur Verfügung stellt. Weiterhin sehr praktisch ist der Vollbild-Modus. Hier werden alle UI-Elemente ausgeblendet, sodass nur noch die Internetseite selbst zu sehen ist. Seit Update 5.0 unterstützt iCab Mobile nun auch den Synchronisationsdienst Firefox Sync. Damit lassen sich Bookmarks, offene Tabs und die Browser-Historie auch auf dem iPad weiterverwenden - das Tablet wird zur eleganten Verlängerung des Heimrechners. Da es sich um eine Universal-App handelt, kann iCab Mobile auch auf dem iPhone und iPod touch benutzt werden.
Platz 9: Wunderlist HD
Bei Wunderlist HD handelt es sich um die iPad-Version der namensgleichen Aufgabenverwaltung. Wie von einer To-do-App zu erwarten, bietet auch Wunderlist HD die üblichen Funktionen für Erinnerungen, der Aufgabenpriorisierung und Task-Organisation an. Die Gratis-App punktet dafür im Design und den Synchronisationsfunktionen. Kostenlose Clients stehen für alle großen Plattformen zur Verfügung. Und auch auch dem PC lassen sich ganz einfach per Programm oder Browser neue Tasks erstellen. Wunderlist HD ist bereits ab iOS Version 3.2 lauffähig und hat auch auf dem iPad der ersten Generation keine Performanceprobleme. Die App wird regelmäßig mit Updates versorgt. Damit werden Fehler bereinigt, wie etwa gelegentliche Abstürze. Zudem kommen immer wieder Komfortfunktionen hinzu wie etwa eine autmatische Speicherfunktion. Die Synchronisierung von Task funktioniert meist gut, hin und wieder muss eine Synchronisation jedoch manuell angestoßen werden.
Platz 10: Gesetze im Internet
Fazit: Gesetze im Internet ist eine komplette Sammlung beinahe aller Bundesgesetze, wie sie auch auf der Webseite des Bundesministeriums für Justiz zu finden sind. Hierdurch wird garantiert, dass die angezeigten Gesetze jederzeit der aktuell dort verfügbaren Fassung entsprechen und wenigstens als schnelles Nachschlagewerk dienen können. Denn Vorsicht: Auch das Bundesinnenministerium warnt, dass geltendes Recht nur durch die im Bundesgesetzblatt vorgestellten Fassungen repräsentiert sei, nicht jedoch durch die im Internet zu findenden Texte. Das Interface ist sehr übersichtlich geraten: Dank der (wenigstens auf dem iPad) zweispaltigen Darstellung kann schnell durch Gesetzbücher gestöbert werden, und eine Volltextsuche in Kürzel oder Klarnamen erleichtert das Finden bestimmter Vorschriften immens. Auch die einzelnen Paragraphen lassen sich per Volltextsuche innerhalb eines Gesetzbuches finden. Die Genese des betreffenden Paragraphen lässt sich jederzeit per Popup einblenden, ein Weiterblättern funktioniert durch eBook-Reader-artige Wischbewegungen. Praktisch ist auch die Offline-Speicherfunktion, mit der sich Gesetzbücher lokal speichern und somit später auch ohne Internetverbindung lesen lassen. Auch eine Favoritenfunktion ist enthalten, sodass jederzeit schnell auf die für den eigenen Fachbereich relevanten Regelwerke zugegriffen werden kann. Im Gegensatz zu teuren Konkurrenzprodukten, die oft per Abonnement bezogen werden müssen, ist die App auch noch kostenlos. Sie benötigt iOS 3.1.3 oder neuer, und der Download ist 1,2 MB groß.

"Die Hochschulleitung verlangte iPads vor allem fürs Berichtswesen", erzählte Rennie unserer amerikanischen Schwesterpublikation CIO.com. Eleganter als bisher in ausgedruckten Excel-Tabellen ließen sich auf dem Tablet-PC Budgets, Personalangelegenheiten und der Stand von Projekten darstellen, so die Erwartung der Verwaltungsspitze. Studenten und Wissenschaftler erhofften sich Komfort beim Lesen von eBooks, PDF-Handouts und beim Surfen im hochschuleigenen Internet-Angebot. Rennies IT-Personal will mit dem iPad von unterwegs Systeme überwachen.

Kurz nachdem das iPad auf den Markt kam, ließ Rennie das Projekt an der Hochschule anlaufen. Über die fünf größten Überraschungen berichtet der CIO.

1. Die Chefs lieben das iPad in Meetings

"Ich war überrascht, wie schnell die Hochschulleitung sich ins iPad verliebt hat", sagt der CIO. Die Führungsmannschaft seien die ersten gewesen, die nach dem neuen Gerät gefragt hätten. CEO, CFO, der stellvertretende Personalleiter und die Vorsitzenden der einzelnen Fakultäten bekamen jeweils ein iPad in die Hand. "Mittlerweile ist das ihr bevorzugtes Arbeitsgerät, die Laptops nutzt kaum noch jemand", berichtet Rennie.

Entscheidungen in Besprechungen fallen dank des neuen Geräts wesentlich schneller. Wenn früher jemand in einer Sitzung das Notebook aufgeklappt habe, sei das gar nicht gut angekommen, erzählt Rob Rennie. Die Folge: Fehlten Fakten zu einem Thema, wurde es schlichtweg vertagt.

Braucht das Gremium heute Informationen als Grundlage für eine Entscheidung, sucht einer der Kollegen einfach per iPad nach den Daten. "Jeder hat die Fakten unter seinen Fingerspitzen", sagt Rennie.

2. Unerwartete Ablehnung

Weit weniger begeistert als die Hochschulleitung zeigten sich die Dekane und das Lehrpersonal gegenüber dem iPad. Die Dekane hatten vor allem Sorge, Studenten könnten sich den Computer nicht leisten oder ihn nicht bedienen. Dozenten fürchteten, wenn Geld für iPads ausgegeben werde, fehle es für andere IT-Geräte, die sie für wichtig halten.

Rennie musste ihnen erst das Konzept der "Consumerization" erklären: Jeder Anwender soll alle Aufgaben erledigen können, mit dem Gerät seiner Wahl. Wer sich als Student kein iPad leisten kann, der könne ja weiterhin mit einem gewöhnlichen Notebook alle Anwendungen nutzen.

Für die Mehrheit der Hochschüler ist die Finanzierung laut Rennie allerdings kein Problem - entweder können sie sich das iPad leisten oder sie bekommen Beihilfe für die Anschaffung. Den 20 Prozent, die weder ein Stipendium noch ausreichendes Vermögen haben, will das Florida State College künftig iPads verleihen.

3. Flash-Seiten nicht nutzbar

Seit Apple-Chef Steve Jobs gegen Adobe Flash gewettert hat, scheint klar, dass Produkte aus seinem Haus den Standard niemals unterstützen werden. Hochschul-CIO Rennie gibt ganz offen zu, zum Apple-Lager zu gehören. Der Internet-Auftritt des Colleges ist komplett in HTML 5 gehalten.

Überrascht war Rennie, dass Studenten trotzdem auf Seiten gerieten, die auf Flash basieren. "Es kommt immer wieder vor, dass jemand auf einer Seite landet, die er braucht und in die zur Navigation Flash eingebettet ist."

In solchen Fällen bleibt den Studenten nichts anderes übrig, als die Seite auf einem anderen Weg zu besuchen. Was auf den ersten Blick wie ein dickes Minus für das iPad klingt, will Rennie als wenig gravierend ansehen. Es gebe nur wenige Seiten mit Flash, auf die Studenten zugreifen müssten. Die meisten Web-Auftritte gingen mittlerweile ohnehin zu eingebetteten Playern über, für die kein Plugin mehr nötig ist. Und Beschwerden von den Testnutzern über dieses Manko habe er kaum gehört, sagt der Uni-CIO.

4. PDF gegen ePub-Format

Wegen des angespannten Verhältnisses zwischen Apple und Adobe fürchtete Rob Rennie, dass das iPad auch das PDF-Format nicht unterstützt. Apple bevorzuge nämlich ePub-Dateien.

Seit Jahren versorgen die Dozenten am Florida State College ihre Studenten mit Lehrmaterial als PDF-Datei. Nie waren dafür große Investitionen nötig gewesen. Hätte das iPad PDFs nicht unterstützt, wäre das aus Sicht von CIO Rennie der Todesstoß für das Projekt gewesen.

Positiv überrascht war er dann, als er feststellte, wie gut sich auf dem iPad mit PDF-Dokumenten arbeiten lässt. Öffnen und lesen lassen sich die Dateien ohne weiteres. Mit einer App können sie sogar Anmerkungen an den Rand schreiben und Textstellen markieren. Die Ergänzungen werden in einem Inhaltsverzeichnis gespeichert, um sie schnell wieder zu finden.

Wie lange das so problemlos gehen wird, ist allerdings offen. PDF ist ein proprietärer Standard von Adobe - und Apple hat bereits seine harte Haltung gegen fremde proprietäre Standards untermauert. Rennie glaubt dennoch, dass iPad-Nutzer noch einige Zeit sowohl mit ePub als auch mit PDF werden arbeiten können.

5. Große Ängste beim Datenschutz

Die meisten Testnutzer an der Hochschule verwenden ihr iPad sowohl für die Arbeit als auch privat. Überrascht war CIO Rennie, wie sehr sie Angst um die Sicherheit ihrer persönlichen Daten hatten. Bevor sie die Geräte ausgaben, richteten sie sie so ein, dass die Nutzer nicht alles mit ihnen machen können. Blockiert ist zum Beispiel der Besuch bestimmter Web-Seiten. Die Testanwender fürchteten nun, ihr Surf-Verhalten werde überwacht.

Nutzt jemand standortbezogene Dienste, lässt sich mit dem iPad sogar jede seiner Bewegungen verfolgen - ebenso, wie das auch mit dem iPhone möglich ist. Rennie beteuert, er nehme solche Bedenken ernst. "Wenn ein Hochschulangehöriger einen außergewöhnlichen Lebensstil pflegt, dann gibt der Inhalt der besuchten Internet-Seiten das natürlich wieder", sagt er. "Im Hinterkopf haben die Leute Angst, dass das irgendwann ein Problem werden könnte."

Gewundert habe er sich, dass die Computernutzer an der Hochschule bisher keine Bedenken hatten, wenn sie mit ihren Notebooks arbeiteten. Sie surften damit übers Hochschul-Netzwerk. "Und da hätten wir ja erst recht Einblicke ins Surf-Verhalten haben können", sagt Rennie. Er müsse sich das Vertrauen der Anwender eben jeden Tag aufs Neue erarbeiten, meint der Hochschul-CIO.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation CIO. (cvi)