Freiheit mit Jobgarantie

14.12.2001
Was an Universitäten und in der öffentlichen Verwaltung seit langem gang und gäbe ist, wird auch in der IT-Branche zunehmend beliebter: Unternehmen ermöglichen ihren Mitarbeitern längere Auszeiten, so genannte "Sabbaticals". Doch nicht nur gestresste Angestellte profitieren von den Programmen. Zunehmend nutzen Firmen die Jobpause als Mittel, um bei flauer Auftragslage Personalkosten zu sparen.

Von: Tanja Goller

Schon in der Bibel stand der jüdische Feiertag Sabbat für Ruhe und Entspannung. Heute bieten Unternehmen ihren Angestellten so genannte "Sabbaticals" an, um ihnen eine berufliche Atempause zu ermöglichen. Unter diesem Begriff vereinen sich Modelle, die einem Arbeitnehmer eine längere Auszeit ermöglichen, ohne dass er seinen Job verliert. Die Dauer dieses Langzeiturlaubs beträgt in der Regel zwischen drei Monaten und einem Jahr. Der Trend zum längerfristigen Ausstieg stammt aus den USA, wird aber auch hier zu Lande zunehmend beliebter.

Eines der ersten deutschen Unternehmen, das seinen Beschäftigten ein Sabbatical ermöglichte, war der Autohersteller BMW. Seit 1994 nahmen rund 200 Mitarbeiter pro Jahr durchschnittlich zwei bis drei Monate Auszeit. Unter anderem bieten auch Firmen wie der Hard- und Softwarehersteller Hewlett-Packard, der Autoproduzent VW, die Unternehmensberater McKinsey und Roland Berger, der Energiekonzern Veba, die Kölner Elektrizitätswerke oder die Werbeagentur Springer & Jacoby solche Jobmodelle an.

Auch viele Firmen aus der kriselnden IT-Branche ziehen nach. Dabei steht nicht nur das Wohl der Mitarbeiter im Vordergrund. In zunehmendem Maße entdecken IT- und TK-Firmen nämlich das Sabbatical als Instrument, um in Zeiten sinkender Nachfrage Personalkosten zu sparen, ohne Stellen abbauen zu müssen. Sobald die Konjunktur wieder anzieht, kann das Unternehmen dann auf seine qualifizierten und eingearbeiteten Mitarbeiter zurück-greifen.

Auszeit kann Arbeitsplätze schaffen

Die Langzeitferien können aber auch helfen, neue Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen. Wenn vorübergehend frei werdende Stellen neu besetzt werden, erhalten Arbeitslose unter Umständen die Chance auf einen beruflichen Einstieg.

Mitarbeiter, die sich für ein Sabbatical interessieren, müssen häufig gegen Vorurteile ankämpfen. Wer Langzeiturlaub nimmt, gilt als faul, nicht belastbar und wenig zielstrebig. Häufig scheuen die Chefs auch den organisatorischen Aufwand und wollen sich weder um die Vorbereitung noch um einen geeigneten Vertreter kümmern. Dabei profitieren beide Seiten von einer solchen Auszeit. Der Arbeitnehmer kann beispielsweise Stress abbauen, reisen, sich der Familie widmen oder sich weiterbilden. Der Arbeitgeber schützt seine Angestellten vor Überlastung und lässt sie neue Ideen entwickeln.

"Unsere Mitarbeiter kommen hoch motiviert zurück", bestätigt Siemens-Pressesprecherin Sabine Metzner. Der Elektrokonzern ermöglicht seiner Belegschaft seit 1997 eine Auszeit von maximal sechs Monaten. Mehr als 200 Beschäftigte machten bisher davon Gebrauch. Einzige Voraussetzung ist, dass sie mindestens seit einem halben Jahr im Betrieb beschäftigt sind. Metzner erläutert die Gründe für das Programm: "Mitarbeiter verlangen vermehrt nach Teilzeitmodellen, um ihr Leben flexibler gestalten zu können." Besonders Hochschulabsolventen seien an derartigen Angeboten interessiert. "Wir müssen auf diese Wünsche eingehen, wenn wir den Kampf um die besten Talente gewinnen wollen."

Für die Finanzierung der Auszeit gibt es verschiedene Möglichkeiten. Bei manchen Unternehmen verzichtet der Mitarbeiter anteilig auf sein Gehalt. So arbeitet beispielsweise ein Siemens-Angestellter, der eine halbjährige Auszeit nimmt, drei Jahre darauf hin. In dieser Zeit bekommt er nur 83 Prozent seines Lohns. Denselben Betrag erhält er auch über den gesamten Sabbatzeitraum, einschließlich der Sozialabgaben, die das Unternehmen weiterhin für ihn bezahlt. Bei BMW wird das Jahresgehalt pro Freizeitmonat um jeweils ein Zwölftel gekürzt. Hewlett-Packard nutzt ein anderes Modell. Die Angestellten dürfen dort ihre Überstunden und Urlaubstage auf einem Lebensarbeitszeitkonto so lange sammeln, wie sie wollen. Das Konto kann dann nach Absprache als "Freizeitblock" genutzt werden. Auch eine unbezahlte Freistellung mit Arbeitsplatzgarantie ist bei einem Sabbatical möglich.

Kein Anspruch auf den alten Arbeitsplatz

Damit der berufliche Ausstieg auf Zeit nicht zum Karrierekiller wird, sollten Arbeitnehmer und Arbeitgeber schon vorher festlegen, welche Änderungen bei Gehalt oder Position der Mitarbeiter nach seiner Rückkehr zu erwarten hat. In der Regel besteht nach längerer Abwesenheit kein Anspruch mehr auf den ursprünglichen Arbeitsplatz. Nur wenn im Arbeitsvertrag Tätigkeit und Abteilung genannt sind, kann der Angestellte auf seinen alten Job bestehen.

So verlockend der lange Urlaub auch sein mag, Sabbaticals bergen auch Risiken. Die Rückkehr ist besonders dann schwierig, wenn während der Abwesenheit Fusionen oder Umstrukturierungen völlig neue Bedingungen geschaffen haben. Auch bei Beförderungsrunden gerät der Abwesende leicht in Vergessenheit. Der Hagener Unternehmensberater Ewald Kock hält gleich gar nichts von der betrieblichen Auszeit: "Ich rate jedem Unternehmen davon ab, dieser Modeerscheinung zu folgen." Es laufe grundsätzlich etwas falsch, wenn Arbeitnehmer auf diese Weise Stress abbauen müssten. (haf)

Zur Person

Tanja Goller

studiert Germanistik in Augsburg.