Bewerbung und Karriere

Frauen müssen über ihre Leistungen sprechen

03.07.2015 von Karen Funk
Frauen verkaufen sich bei der Bewerbung (und im Job) oft unter Wert, hat Birgit Zimmer-Wagner von Bewerber Consult beobachtet. Die Personalexpertin verrät, wie Frauen besser Karriere machen.

Frau Zimmer-Wagner, Sie haben vor kurzem auf der Messe Women & Work viele Kandidatinnen in Sachen Karriere beraten. Welches Thema hat die Frauen am meisten umgetrieben?

Birgit Zimmer-Wagner: Selbstvermarktung. Viele Frauen wollten wissen, wie kann ich am besten zeigen, was ich zu bieten habe, und reicht das für den Job, den ich mir vorstelle? Wie kann ich meine Unterlagen, meinen Lebenslauf verbessern? Wie falle ich auf und wie kann ich mich von anderen abheben? Aber es ging ihnen auch um das Thema Alternativen.

Alternativen zum jetzigen Job?

Birgit Zimmer-Wagner: Eher alternative Bewerbungen. Eine MBA-Absolventin etwa hat sich bei den üblichen Big Five beworben, weiß aber auch, dass sich dort zu viele bewerben. Sie wollte wissen, welche Alternativen es beispielsweise im Mittelstand gibt. Und welche Branchen da in Frage kommen auch außerhalb der IT.

Was haben Sie ihr geraten?

Birgit Zimmer-Wagner: Ich habe ihr empfohlen, sich die Maschinen- und Anlagenbau genauer anzusehen.

Warum kommen Frauen in ihrer Karriere so viel schwerer voran als Männer?

Stolpersteine für Frauen

Birgit Zimmer-Wagner: Ich habe da fünf Thesen:

1. Frauen sind zu kritisch mit sich selbst.

2. Sie trauen sich nicht, ihren eigenen Standpunkt zu vertreten.

3. Sie sind konfliktscheu und zu konsensbetont.

4. Forderungen zu stellen, fällt ihnen schwer.

5. Und Frauen übernehmen oft zu viel Verantwortung, ohne dass die Rahmenbedingungen stimmen.

Frauen lassen sich zusätzliche Verdienste oft nicht bescheinigen

Welche Rahmenbedingungen?

Birgit Zimmer-Wagner: Frauen in der IT akzeptieren häufig trotz hoher Qualifikation und Berufserfahrung, Jobs, die weit unter ihren Möglichkeiten liegen. Auf der Women & Work sprach ich mit einer Masterabsolventin, die im Ingenieurwesen mit mehreren Jahren Berufserfahrung tätig war. Nach der Kinderpause arbeitet sie nun als Teamassistentin - also Office-Management.

In unserer Beratungspraxis erleben wir auch häufig, dass Frauen von spannenden Projekten erzählen, die sie machen. Aber wenn wir uns ihre Zeugnisse ansehen, steht das nicht drin. Das heißt viele Frauen übernehmen zusätzlich zu ihrer primären Aufgabe noch andere und leisten dann deutlich mehr, als sie müssten.

Der Fehler ist also, dass sie sich diese Zusatzverantwortung nicht bescheinigen lassen?

Birgit Zimmer-Wagner: Genau. Sie sollten sich also fragen, was ist mein Job, was mache ich und was bekomme ich dafür? Ich übernehme die Position nicht, wenn ich es nicht wirklich bin. Nehmen wir eine Ärztin in der Facharztausbildung, die aber schon die Privatsprechstunde des Chefarztes leitet (was sie übrigens eigentlich nicht darf), aber mit ihrer eigenen Facharztausbildung nicht weiterkommt. Der Chefarzt zögert ihre Ausbildung heraus, denn er weiß, je schneller sie fertig wird, desto schneller geht sie in die Niederlassung oder in ein anderes Krankenhaus als Oberärztin. Er selbst befördert nur Männer in diese Position.

Karriereplanung gezielt betreiben

Was kann sie tun?

Birgit Zimmer-Wagner: Die Ärztin sollte sich mal hinsetzen und überlegen, wohin sie will. Und dann das Gespräch mit ihrem Chef suchen, ihn konfliktorientiert ansprechen. Sie muss allerdings auch damit rechnen, dass es knallt. Sie sollte also auch den Worst Case annehmen und überlegen, was mache ich, wenn es nicht klappt.

Sie haben einmal gesagt, die wenigsten Frauen machen sich über den nächsten Schritt Gedanken.

Birgit Zimmer-Wagner: Das erleben wir oft. Vor kurzem hat uns eine erfahrene Managerin im SAP-Umfeld beauftragt, sie bei ihrer Karriereentwicklung zu unterstützen. Sie wollte den Arbeitgeber wechseln. Wir haben sie gefragt, warum Sie nicht zuerst an einen Aufstieg innerhalb der jetzigen Firma denkt, die passende Karriere-Optionen anzubieten hat Sie war geplättet. Daran hat sie gar nicht gedacht.

Warum?

Birgit Zimmer-Wagner: Die Angst vor der Absage ist oft der Grund. Denn wenn man den nächsten Karriereschritt innerhalb des Unternehmens nicht schafft, dann weiß es ja jeder.

Und das ist peinlich?

Birgit Zimmer-Wagner: Nein, dann ist man unter Zugzwang, dann muss man handeln. Dann muss man sich bewegen. Oder auf der Stelle treten. Das heißt, jeder, der sich extern bewirbt, sollte sich zunächst intern nach einem Aufstieg umsehen. Es sei denn, man will nicht im derzeitigen Unternehmen bleiben. Über diesen Punkt war unsere Kandidatin sich noch gar nicht klar. Und falls eine Absage kommt, kann man ja immer noch wechseln.

Trauen sich Männer mehr?

Birgit Zimmer-Wagner: Viele Männer trauen sich das auch nicht, aber Männer netzwerken mehr, empfehlen sich gegenseitig und dann ziehen andere die Strippen. So funktioniert der Aufstieg unproblematischer.

Schwächen zu Stärken transformieren

Was können Frauen denn richtig gut?

Birgit Zimmer-Wagner: Frauen können richtig gut Konflikte schlichten, positiv auf das Team wirken und Aufgaben durchziehen. Sie können Verantwortung übernehmen und sich sozial engagiert einbringen. Außerdem brennen sie für die Aufgabe und nicht den Titel. Es geht ihnen um die Sache und nicht um Spielchen.

Das heißt ihre Schwächen sind auch ihre Stärken?

Birgit Zimmer-Wagner: In der richtigen Balance werden ihre Schwachpunkte zu Stärken.

Auf der Messe Women & Work hat sich eine Reihe Kandidatinnen beschwert, dass viele Firmen sich kaum Zeit für sie genommen und sie nur auf die Stellenausschreibungen auf der Homepage verwiesen haben. Gerade Bewerberinnen, die nicht 100prozentig in das ausgeschriebene Jobprofil passten, wurden abgewiesen. Darunter Kandidatinnen mit dem eigentlich begehrten MINT-Profil. Was lief das schief?

Birgit Zimmer-Wagner: Viele Firmen haben die Messe als reine Image-Plattform genutzt im Sinne von Employer Branding: Schaut her, wir leben Diversity. Aber sie haben sich nicht wirklich für die Bewerberinnen interessiert. Eine Diplommathematikerin mit Nebenfach Informatik klagte, dass sie bei fast allen ausstellenden Unternehmen abgeblitzt sei, weil sie nicht ins klassische Informatikerprofil gepasst hat.

Sprechen Sie mit der Fachabteilung!

Hat sie sich falsch verkauft?

Birgit Zimmer-Wagner: Beide Parteien haben aneinander vorbeigeredet. Die Personaler haben gefragt, warum die Kandidatin die Programmiersprache XYZ nicht kann, und die Diplommathematikerin konnte in den Gesprächen nicht vermitteln, dass sie Algorithmen entwickeln kann und sich davon die Programmierung ableitet. Sie kann vom theoretischen Wissen her viel mehr als viele Informatiker. Eigentlich hätte die Kandidatin darauf bestehen sollen, mit jemanden aus der Fachabteilung zu sprechen. Aber selbst namhafte Unternehmen hatten keine Spezialisten dabei. Einige Bewerber sprachen vom reinen "Lebenslauf-Shopping" - Einsammeln von Unterlagen mit ungewissem Ausgang.

Was können denn Personaler tun, damit ihnen solche Perlen nicht durch die Lappen gehen?

Birgit Zimmer-Wagner: Unternehmen sollten Personal entwickeln, also vom Menschen aus denken, nicht nur von der Position, der Struktur aus. Sie sollten überlegen, wo hat der Kandidat Stärken und Schwächen. Wo will er hin. Und wie können wir ihn dabei unterstützen. Erst im zweiten Schritt sollten Personaler überlegen, welche Position haben wir dafür.

Sie beraten nicht nur ITler, sondern auch viele Ärzte. Was können Informatikerinnen von Ärztinnen lernen?

Birgit Zimmer-Wagner: Ärztinnen können schneller entscheiden, weil sie in ihrem Beruf im schnell Entscheidungen treffen müssen. Das wenden sie auch in der Karriereplanung an. Sie sagen konkret, hier habe ich einen Termin, so sieht mein Schichtplan aus, aber an dem und dem Tag hätten sie Zeit für ein Karriere-Coaching. Wir wickeln die Terminierung per E-Mail ab, und ich erhalte meist schon vor dem ersten Gespräch konkrete Informationen und Zielvorstellungen der Klientinnen. Außerdem investieren Ärzte leichter in eine professionelle Karriereberatung.

ITler wollen das am liebsten umsonst. Viele sagen: Für den Job gebe ich kein Geld aus! Sie kommen meist auch zu spät zur Karriereberatung - erst nach einem Burnout oder wenn die Kündigung droht.

Jede Kandidatin, die Karriere machen will, sollte sich fragen: Was kann ich und was will ich?
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Was können Frauen tun, damit es mit der Karriere besser klappt?

Birgit Zimmer-Wagner: Jede Kandidatin sollte sich überlegen: Was kann ich, was will ich und was ist möglich?

Was ist am schwersten?

Birgit Zimmer-Wagner: Am meisten Schwierigkeiten bereitet es Frauen, ihre Erfolge anzuerkennen und zu sehen. Wenn wir unsere Klientinnen fragen, was ihre Erfolge sind, ist die erste Reaktion häufig: Ich habe keine. Oder wenige. Erst wenn sie nachdenken, schreiben sie drei Seiten - aber mit dem Kommentar, das sei ganz normal. Das erleben wir übrigens auch bei Männern, aber nicht so ausgeprägt.

Das Fundament ist also, was kann ich. Dann kann man ableiten, was der nächste Schritt sein könnte.

Wie kommt frau dann an den Job?

Birgit Zimmer-Wagner: Sie sollten die klassische Bewerberautobahn verlassen, sprich nur nach Stellenanzeigen gucken. Diese machen nur 30 Prozent aller vakanten Stellen aus. Bewerberinnen sollten überlegen, welche Messen könnten interessant sein, Initiativbewerbungen angehen, ihr Netzwerk aktivieren. Dann bekommen sie auch Einladungen zum Vorstellungsgespräch. Oft klappt das über das Einholen von Referenzen. Unter der Hand bekommt man dann oft Tipps, wo es gerade offene Positionen gibt.

Die Personalexpertin Birgit Zimmer-Wagner von Bewerber Consult coacht und berät Akademiker und Führungskräfte in Bezug auf ihre individuelle Karriere- und Strategieplanung.