Public-Cloud-Anbieter in Deutschland

Frankfurt - Hochburg der Cloud-Rechenzentren

21.08.2015 von René Büst
Nachdem Deutschland von den amerikanischen Public-Cloud-Größen anfangs stiefmütterlich behandelt wurde, tummeln sich mittlerweile immer mehr Anbieter auf dem deutschen Markt.

Rechenzentren erleben aktuell ihre Blütezeit. Wie niemals zuvor rücken die "Logistikzentren der Zukunft" immer weiter in den Vordergrund und bilden das Rückgrat der digitalen Transformation - aus gutem Grund. Im Laufe der letzten Dekade haben sich immer mehr Daten und Applikationen auf die IT-Infrastrukturen der weltweit verteilten Rechenzentren verlagert. Der Stellenwert der Rechenzentren sowie der IT-Infrastrukturen als logistisches Datenvehikel kommt daher nicht von ungefähr. Dies haben auch die deutschen Unternehmen erkannt. Über zwei Drittel (68 Prozent) der Befragten halten die Rechenzentrums-Infrastruktur für den wichtigsten Baustein ihrer digitalen Transformation.

Frankfurt ist der Cloud-Hub Deutschlands

In den vergangenen 20 Jahren hat sich in Frankfurt am Main ein Cluster von Infrastruktur-Anbietern gebildet, der Unternehmen der digitalen Ökonomie dabei hilft, ihre Produkte und Dienstleistungen am Markt zu positionieren. Diese Anbieter haben Frankfurt und dessen Wirtschaft geprägt und liefern Integrationsservices für IT und Netzwerke sowie Rechenzentrumsdienste.

Immer mehr Cloud-Anbieter haben verstanden, dass sie trotz der grundsätzlich globalen Ausrichtung einer Public-Cloud-Infrastruktur vor Ort in den Ländermärkten - und somit in der Nähe ihrer Kunden - sein müssen. Das ist eine wichtige Erkenntnis: Kein Anbieter der ernsthafte Geschäfte in Deutschland machen will, wird auf einen lokalen Rechenzentrumsstandort verzichten können.

Warum Frankfurt der bevorzugte Standort für Cloud-Rechenzentren ist, behandelt das Research Paper "Die Bedeutung Frankfurts für die Cloud Connectivity". Zu den Top 5 Gründen für Deutschlands Attraktivität gehören:

• die stabile politische Lage

• die zentrale Lage in Europa

• die hohen Datenschutzrichtlinien

• eine geographisch stabile Lage

• die hohe Wirtschaftsleistung (viertgrößte Volkswirtschaft der Welt und Nummer eins in Europa)

Cloud-Unternehmen, auf die Sie achten sollten
Adallom
Adallom hat bereits vor einigen Jahren eine Lösung für das Cloud-basierte Monitoring von Software-as-a-Service (SaaS)-Apps auf Mitarbeiter-Smartphones präsentiert.
Appirio
Der Cloud-Consulter arbeitet schon seit Jahren eng mit großen Namen wie Google, Salesforce oder Workday zusammen. Laut CEO Chris Barbin sollen dadurch Kunden und Partner besseren Zugriff auf die interne Service-Plattform erhalten, auf der sich die Designer, Entwickler und Datenspezialisten von Appirio tummeln.
Docker
Die immer größer werdende Open-Source-Plattform für Entwickler und Administratoren automatisiert das Anwendungs-Deployment, indem sie einen zusätzlichen Virtualisierungs-Layer in Linux-Systeme einbringt.
Duo Security
Das Startup möchte Unternehmen vor Einbrüchen bewahren, die durch gestohlene Mitarbeiterdaten stattfinden können.
Illumio
Illumio will sich um die Sicherheit von Rechenzentren kümmern.
Pepperdata
Der Anbieter von Optimization-Software für Hadoop-Cluster erhebt den Anspruch, Spezialist für skalierbare Systeme zu sein und will dabei helfen, Big Data-Berge im Unternehmen abzutragen.
Tray.io
Man könnte diesen Newcomer als IFTTT-Spezialist für Enterprise SaaS-Apps bezeichnen. Mit IFTTT kann man verschiedene Webanwendungen wie etwa Facebook, Evenote oder Dropbox mit einfachen Anweisungen verknüpfen. Tray.io seinerseits erklärt, man mache einfach den Umgang mit APIs simpler.
Vlocity
Ganz unbescheiden haben sich die von Oracle und Siebel stammenden Topmanager zum Ziel gesetzt, "die weltweit erste Multi-Industry Cloud Software Company auf der Salesforce1-Platform" zu werden. Bislang gibt es Apps für die Bereiche Kommunikation/Medien/Technologie, Krankenversicherung, Versicherung und öffentliche Verwaltung.

Public-Cloud-Provider & ihre Rechenzentren

Ein Blick auf die derzeit wichtigsten Public-Cloud-Anbieter für den deutschen und europäischen Markt zeigt, dass sich bereits die Hälfte für Frankfurt als Rechenzentrumsstandort entschieden hat. Dass sich ein deutsches Rechenzentrum auszahlt, zeigt insbesondere Amazon Web Services (AWS). Die Cloud-Region in Frankfurt (bestehend aus zwei Rechenzentren), die AWS im Oktober 2014 eröffnet hat, ist nach Angaben von Geschäftsführer Martin Geier die international am schnellsten wachsende AWS Region aller Zeiten. Weiterhin lässt sich festhalten, dass die deutsche AWS-Region den deutschen Cloud-Markt beflügelt hat. Auf der einen Seite begrüßen AWS-Kunden die Möglichkeit, ihre Daten physisch im eigenen Land zu speichern. Auf der anderen Seite helfen die Anstrengungen von Amazon Web Services ebenfalls lokalen Anbietern wie ProfitBricks, die davon indirekt - aber spürbar - in Form eines konstanten Kundenzuwaches profitieren.

• Als stärkster Verfolger der Amazon Web Services hat es Microsoft bisher immer noch nicht geschafft, mit einem Rechenzentrum nach Deutschland zu kommen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund unverständlich, dass Microsoft seit vielen Jahren auf dem deutschen Markt präsent ist und die Bedenken und Anforderungen deutscher Unternehmenskunden kennen müsste. Microsofts Anstrengungen in der Cloud sind groß und zeigen eine klare Linie. Allerdings wird Microsoft seine deutschen Kunden nur mit einem lokalen Rechenzentrum endgültig überzeugen und damit deren Anforderungen bedienen können. Gerüchten zufolge wird Microsoft im zweiten Quartal Pläne für ein Rechenzentrum in Deutschland verwirklichen. Eine Strategie könnte dann darin bestehen mit einem großen lokalen Partner zu arbeiten, wie es auch Salesforce mit T-Systems praktiziert. Derzeit setzt Microsoft auf Technologie-Partnerschaften (Cloud OS Partner Networks) mit lokalen Managed-Services-Providern, die anhand von Azure Pack eigene Azure-basierte Cloud-Umgebungen aufbauen.

• Im Rahmen der CeBIT hat VMware die GA (General Availability) seines deutschen Rechenzentrums offiziell vorgestellt. Die Vorzeichen stehen prinzipiell gut für den Anbieter. Zum einen ist auf der Anwenderseite ein Großteil der On-Premise-Infrastrukturen mit VMware-Technologien virtualisiert. Zum anderen suchen Kunden Mittel und Wege, um ihre bestehenden Workloads (Anwendungen, Systeme) ohne großen Aufwand und Anpassungen auf eine Cloud-Umgebung zu migrieren. Allerdings, auch wenn VMwares eigenes Public-Cloud-Angebot sich auf standardisierte Workloads konzentriert, begibt sich das Unternehmen damit in direkten Wettbewerb zu seinen zahlreichen Partnern (Cloud-Hoster, Managed-Services-Provider), die Angebote auf Basis von VMware-Technologien aufgebaut haben.

Public-Cloud-Anbieter und ihre Rechenzentren in Deutschland und Europa in der Übersicht.
Foto: Crisp Research AG

• Der amerikanische Anbieter Digital Ocean ist seit April 2015 mit einem eigenen Rechenzentrum in Deutschland (Frankfurt) vor Ort. Digital Ocean ist als ein Nischenanbieter zu betrachten und konzentriert sich auf Entwickler und weniger auf Unternehmenskunden. Außerdem: wenn Digital Ocean ernsthaft gegen Amazon Web Services in den Ring steigen will, sollte das Unternehmen anfangen seinen Kunden mehr zu bieten als nur langweilige SSD-Cloud-Server und ein paar Applikationen.

• Rackspace ist noch nicht mit einem lokalen Rechenzentrum auf dem deutschen Markt vertreten, weitet sein Geschäft jedoch weiter auf den DACH-Markt aus, wobei Deutschland ein strategisch wichtiger Markt ist. Ein lokales Rechenzentrum sollte das Commitment unterstreichen. Als Managed-Cloud-Services-Provider könnte Rackspace gute Karten haben, da der Großteil der deutschen Unternehmen sich mit Managed-Cloud-Services beschäftigt.

• Aufgrund der Partnerschaft mit T-Systems wird sich Salesforce voraussichtlich in Frankfurt niederlassen. Das Rechenzentrum ist für August 2015 angekündigt.

• Aktuell ist von Google kein deutsches Rechenzentrum zu erwarten. Das spricht für Googles Grundeinstellung, sich überwiegend auf sich zu konzentrieren und die Regeln bestimmen zu wollen, anstatt auf die Bedürfnisse, Anforderungen und Sorgen seiner Kunden einzugehen. Das spiegelt sich ebenfalls im Google-Cloud-Platform-Portfolio wider. Anforderungen von Unternehmenskunden werden von Google bisher nicht berücksichtigt.

Die schlimmsten Cloud-Ausfälle
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Sidekick
Die Besonderheit des Sidekick-Dienstes: Persönliche Daten, Adressen oder Kalendereinträge, können direkt in einer Cloud gesichert werden. So sollen alle Daten auch bei Geräteverlust schnell wiederhergestellt werden. Das versprach zumindest die Werbung. Doch gerade dieser Cloud Service hatte im Herbst 2009 einen Ausfall. Als Folge konnten alle Nutzer eine Woche lang nicht mehr auf Kontakte, Termine und andere Daten zugreifen, die auf Servern gespeichert waren, welche von Microsoft betrieben wurden. Schlimmer noch, es waren nicht einmal Backups angelegt worden. Somit gingen alle persönlichen Daten für immer verloren, sofern sie der Nutzer nicht zusätzlich lokal gesichert hatte.
Googlemail
Googlemail ist mittlerweile auch für Geschäftskunden eine lohnende Alternative zu Microsoft Exchange. Aber auch dieser Cloud-Dienst ist vor Ausfällen nicht gefeit. Eine besonders schlimmer Software-Bug sorgte dafür das rund 150000 Google-Kunden auf leere Posteingänge blickten. Alle Nachrichten, Ordner oder Notizen waren weg. Dank einer Reihe von Sicherungen konnte Google zwar alle Daten wiederherstellen, aber nichtsdestotrotz hatten Anwender tagelang keinen Zugriff auf ihre E-Mails.
Hotmail
Googlemail ist jedoch nicht der einzige Mail-Dienst mit Ausfällen. Auch Microsofts Hotmail hatte, neben einem Phishing-Angriff, bei dem zehntausend Hotmail-Konten ausgespäht wurden, mit leeren Postfächern zu kämpfen. Ein Script sollte eigentlich nur überflüssige Dummy-Accounts löschen. Leider wurden von diesem Skript auch 17 000 real existierende Accounts gelöscht. Aber auch in diesen Fall wurden alle Daten wiederhergestellt, auch wenn einige Nutzer bis zu sechs Tage auf ihre Neujahrswünsche warten mussten.
Intuit
2010 hatte Intuit mit seinen Cloud-Services wie TurboTax, Quicken oder Quickbooks zwei Ausfälle innerhalb eines Monats. Vor allem eine Störung über 36 Stunden im Juni verärgerte die Kunden. Ein Stromausfall hatte die Systeme inklusive Backups lahmgelegt – leider erlitt Intuit wenige Wochen später einen weiteren Stromausfall.
Microsofts BPOSS
Es ist nicht einfach produktiv zu arbeiten, wenn die als SaaS eingebundene Arbeitsumgebung nicht mehr erreichbar ist. Am 10. Mai stocke die Microsoft Business Productivity Online Standard Suite. So gingen E-Mails erst mit neun Stunden Verzögerung ein. Die Störung wurde zwar schnell behoben, trat aber zwei Tage später wieder auf. Noch dazu hatten einige Nutzer nicht einmal mehr die Möglichkeit sich in Outlook einzuloggen.
Salesforce.com
Eine Stunde Ausfall klingt nicht nach viel. Wenn aber ein Dienst nicht mehr erreichbar ist, über den zehntausend Firmen ihren Kundendienst laufen lassen, können 60 Minuten sehr lange sein. Der Rechenzentrumsausfall von Salesforce.com im Januar brachte einige wütende Kunden hervor.
Terremark
Der Cloud-Anbieter Terremark, der kürzlich für einige Milliarden US-Dollar von Verizon gekauft wurde, geriet Anfang 2010 wegen einer Störung in die Schlagzeilen. Am 17. März kam es zu einem Ausfall in einem Rechenzentrum in Miami. In Folge kollabierte der vCloud Express-Service und auf sämtliche Daten konnte sieben Stunden lang nicht mehr zugegriffen werden.
PayPal
Paypal ist ein großer Anbieter im Bereich E-Payment, somit hat ein Ausfall potentiell dramatische wirtschaftliche Folgen. Ein Hardware-Problem legt im Sommer 2009 den Bezahldienst für eine Stunde lang lahm. Keine schöne Erfahrung für Händler wie Kunden, die ihre Waren online ein- und verkaufen wollten.
Rackspace
Ende 2009 musste Rackspace drei Millionen Dollar an seine Kunden zurückzahlen. Der Betreiber hatte mit mehreren technischen Problemen zu kämpfen und die gehosteten Websites gingen dabei jedes Mal offline. Für die Kunden wie Justin Timberlake oder TechCrunch eine kostenintensiver Ausfall. Heute achtet Rackspace nicht nur darauf, solche Ausfälle zu vermeiden, sie informieren die Kunden auch, dass manche Ausfälle unvermeidlich sind.

Managed Service Provider in Public-Cloud-Umgebung

Ferner ist zu beobachten, dass der Kosten- und Innovationsdruck der Public-Cloud-Anbieter auf deutsche Managed Service Provider mit eigenen Rechenzentren stetig zunimmt. Das veranlasst die Anbieter dazu, ihre Strategie zu ändern und zu einem Managed Services Provider auf Public-Cloud-Umgebungen zu werden, um dort Infrastrukturen zu betreiben. Das bedeutet, dass sie die Applikationen und Systeme ihrer Kunden auf Cloud-Infrastrukturen wie denen von AWS betreiben. Nur bestimmte, kritische Workloads verbleiben in den eigenen Rechenzentren.

In Deutschland - aber auch Europa - ist Frankfurt am Main im Hinblick auf die Dichte an Rechenzentren sowie die Anbindung an die zentralen Internetknoten führend. Die kontinuierliche Verlagerung von Daten und Applikationen auf die Cloud-Infrastrukturen externer Provider hat Frankfurt zu einer Hochburg des Cloud Computing in Europa werden lassen. Strategische Investitionen von Colocation-Anbietern wie Equinix und Interxion in den Standort unterstreichen dessen Bedeutung.

Nachdem das Who-is-Who der relevanten Public-Cloud-Anbieter seinen Platz in Frankfurt gefunden hat, sieht Crisp Research einen wichtigen Trend darin, dass immer mehr internationale Anbieter in den kommenden zwei bis drei Jahren ihre Public-Cloud-Plattformen in Frankfurt aufbauen beziehungsweise weiter ausbauen werden. (fm)