Flexibel in der Mittelklasse

15.12.2000
Mit einer langen Liste von Komponenten wird die Voice-over-IP-Serie "Hipath 5000" von Siemens allen Ansprüchen gerecht. Das TK-System kann sich mit seiner Sprachqualität gut sehen lassen, wenn es auch für Teleworker nicht geeignet ist.

Von: Herbert Almus, Carsten Rossenhövel, Dr. K Plessner

Unter dem Namen "Hipath" hat Siemens eine ganze Familie von Voice-over-IP-Geräten für Firmen-Intranets zusamengefasst. Dazu gehören Telefone, Gateways und Gatekeeper, wobei alle Komponenten jeweils in verschiedenen Ausführungen zur Wahl stehen. Mit dem umfangreichen Angebot will der Hersteller nach eigener Aussage eine Gesamtlösung bieten, die an die jeweilige Kundensituation optimal angepasst ist. Die Hipath-5000-Produktreihe enthält folgende Teile:

- "Hipath 5500": Gatekeeper für mittelgroße Voice-over-IP-Netze,

- "RG 2500": Gateway für mittelgroße LANs,

- "RG 2200": Kombination aus Gateway und Gatekeeper für große Systeme,

- "Radvision L2W-323/BRI-A": für kleine LANs

- Optipoint: IP-Telefone

- Opticlient: Software-Clients für Windows-PCs

Dazu kommen Spezialgeräte wie Terminaladapter für den Anschluss von Faxgeräten und Modems.

Die Teststellung umfasste 15 Geräte: Im Kern arbeitete abwechselnd einer der Gatekeeper RG 2200 und Hipath 5500. Die Gateways RG 2500, RG 2200 und eines von Radvision mit auf Siemens angepasster Software verbanden das IP-Netz über zwei Siemens-TK-Anlagen (Hicom 112 und Hicom 300) mit den ISDN-Leitungen des Telefonnetzes. Vier IP-Telefone der Typen "Optipoint 300 Basic" und "Optipoint 300 Advanced" sowie drei PCs mit verschiedenen Voice-over-IP-Clients dienten als Endgeräte. Hinzu kam noch ein PC für die Administration und zwei Hicom-Telefonanlagen mit jeweils einem Systemtelefon.

Zum Siemens-Portfolio gehören drei verschiedene Software-Clients für Windows: Opticlient 330, eine Software im klassischen Windows-"Look&Feel" ist für durchschnittliche Ansprüche gedacht. Opticlient 360 hat ähnliche Funktionen, jedoch eine andere "Visualisierung". Und Opticlient 350 ist ein Java-Client für Profi-Telefonierer. Alle Programme unterstützen Standard-Full-Duplex-Soundkarten und gewöhnliche Mikrofone oder Headsets, der Anwender braucht also seine Hardware nicht extra aufzurüsten. Auf Wunsch kann er die "Multimediatastatur" von Siemens verwenden, die mit einem Lautsprecher, einem Mikrofon und einem Headset-Anschluss ausgestattet sind.

Standard-Soundkarten haben jedoch einen Nachteil: Wie auch bei anderen Windows-Applikationen ist nicht garantiert, dass alle Kombinationen der Opticlient-Software mit verschiedenen Soundkarten störungsfrei funktionieren. Aus diesem Grund bieten einige Voice-over-IP-Hersteller eigene Hardware zum Einbau in PCs an, die nicht nur eine Soundkarte enthält, sondern auch den "Codec"-Prozessor, der die übertragenen Daten komprimiert. Langsame PCs tun sich ohne diesen Zusatz schwer. Siemens will im nächsten Jahr eine auch für Notebooks geeignete USB-Zusatzbox mit Codec, Lautsprecher und Headset-Anschluss auf den Markt bringen.

Clients für jeden Bedarf

Wir testeten alle Softwarelösungen in verschiedenen Kombinationen, stellten Verbindungen zu anderen Opticlients, zu IP-Telefonen und ISDN-Geräten her und prüften die Stabilität und die Funktionen. Der "einfache" Windows Client Opticlient 330 verdient seinen Namen zu recht. Denn er ist für jeden Windows-Benutzer leicht zu bedienen. Und die aktiven Gespräche, das Adressbuch und andere Basisbedienelemente sind auf der Oberfläche übersichtlich angeordnet. Für alles andere muss der Anwender allerdings fleißig klicken, weil er die Menüs und Displays nicht seinen Wünschen gemäß anpassen kann.

Eine Alternative mit ungewöhnlichem Design ist der Opticlient 360: In seinem so genannten "Kommunikationskreis" werden alle Aktionen mit Drag and Drop ausgeführt. Indem man einen Kommunikationspartner (repräsentiert als Icon mit Namen oder, sofern lokal eingegeben, auch als Bild) vom Rand in die Mitte zieht, ruft man ihn an. Eingehende (wartende) Anrufe erscheinen in einem Wartefeld und können durch Hereinziehen in den Kommunikationskreis aktiviert werden. Rückrufe und das Makeln laufen ähnlich ab. Damit stellt der Opticlient 360 auch Zusatzfunktionen einfach verständlich dar und ist aus unserer Sicht eine gute Lösung für nicht-technisch orientierte "Normaltelefonierer".

Dem Profi fehlen bei diesen Opticlients die Teamfunktionen und der schnelle Zugriff auch auf komplexe Anlagenfunktionen. Ihre Fenster sind so groß, dass neben der Telefonieapplikation auf dem Bildschirm kaum Platz bleibt. Call-Center-Agents tun sich damit schwer, wenn sie beim Telefonieren noch andere Arbeiten erledigen wollen. Sie brauchen Lösungen, die mit dem Bildschirmplatz sparsamer umgehen. Deshalb entwickelte Siemens die Profiprogramme Opticlient 350 und 370. Die Java-Applikation zeigt im besten Fall nur ein Fenster der Größe einer langen Textzeile. Bei eingehenden Anrufen öffnen sich konfigurierbare Pull-Down-Fenster mit dem aktuellen Gesprächszustand. Durch Klick mit der rechten Maustaste erscheinen kontextabhängige Menüs, die die jeweils zur Verfügung stehenden Funktionen anzeigen. Anrufe lassen sich mit einem Mausklick stumm schalten, auslösen oder weiterleiten. Mit Hilfe einer Liste der laufenden Gespräche verwaltet der Anwender bis zu 50 gleichzeitig aktive Anrufe - ganz klar zielt Siemens damit auf Telefonarbeitsplätze und Call Center ab. Office-Anwendungen reagieren auf Anrufe und öffnen sich mit Kontaktinformationen. Ein integrierter Anrufbeantworter zeichnet Gespräche auf und verschickt sie als Wave-Dateien in einer E-Mail an den Benutzer. Über eine offene Programmierschnittstelle können Entwickler das IP-Telefon in ihre Anwendungen einbinden.

Ein Nachteil der umfangreichen Java-Programme: Sie brauchen lange zum Starten und belegen viel Platz im Hauptspeicher. Je nach dem, welchen Rechner wir benutzten, beobachteten wir stärkere und schwächere Stabilitätsprobleme des Java-Clients. Bei einem PC fielen schließlich die Anklopffunktionen oder Haltefunktionen aus. Verantwortlich ist laut Hersteller der von Sun stammende Java-Kern für Windows, jedoch will Siemens die Startzeiten und die Stabilität verbessern.

Bei allen Clients hat uns die Softwareverteilung gut gefallen: Sämtliche Programme und Bibliotheken stellt im Siemens-Konzept ein File-Server bereit. Deshalb brauchen die Clients nicht lokal installiert zu werden. Das vereinfacht die Softwarewartung. Bei einem Software-Upgrade kämpften wir allerdings mit den Eigenheiten von Windows; denn wir mussten den aktiven TAPI-Treiber (Telephony Application Program Interface) auf jedem Client von Hand deinstallieren, dann neu installieren und neu einrichten - ein Manko des Betriebssystems. Für uns war das mit der telefonischen Unterstützung des Siemens Competence Centers schnell erledigt. In einem Unternehmen wäre es zu einem aufwändigen Roll-Out gekommen.

Zuverlässige Apparate

Damit Voice over IP richtig funktioniert, müssen alle Windows-Messaging-Programme die richtigen TAPI-Serviceprovider verwenden. Startet Opticlient mit der Siemens-TAPI und Netmeeting mit einem anderen Interface, kommt das Betriebssystem durcheinander. Hier hätten wir uns lieber einen Linux-Client gewünscht, den Siemens jedoch nicht im Angebot hat.

Die getesteten Telefone Optipoint 300 Basic und Optipoint 300 Advanced unterscheiden sich hauptsächlich in ihrer Hardware, denn sie nutzen die gleiche Programmbasis. Im "Basic"-Modell sind zudem einige Softwarefunktionen gesperrt, darunter das komprimierende Übertragungsprotokoll G.723.1, ohne das dieses Gerät nicht für Teleworking geeignet ist. Andere Beschränkungen sind durch das sehr kleine, einzeilige Display mit nur 20 Zeichen bedingt. So lässt sich das Telefon nur über kryptische Ziffernkombinationen und ohne eine Menüführung konfigurieren. Allerdings lassen sich beide Telefone über einen eingebauten Web-Server von außen einstellen, was dieses Manko der Basic-Variante teilweise wieder ausgleicht. Auch Software-Upgrades sind über FTP zentral steuerbar, sodass eine unternehmensweite Umstellung zügig ablaufen kann.

Beim "Advanced"-Modell ist die Bedienerführung gut gelungen und entspricht dem Standard moderner Anlagentelefone. So vermittelt der Umgang mit den Geräten den soliden Eindruck, den man von herkömmlichen Apparaten gewohnt ist. Der Rufaufbau dauert allerdings etwas lange; bis zu zwei Sekunden vergehen nach dem Eintippen der letzten Ziffer bis zum ersten Klingeln. Dass man die Rufnummer mit der "Ok"-Taste bestätigen muss, ist lästig, aber notwendig, weil das System sonst das Ende der Rufnummer nicht erkennt und zunächst auf weitere Eingaben wartet.

Beide Telefone unterstützen derzeit nicht die Stromversorgung über den Ethernet-Anschluss, sodass ein zusätzliches Netzteil notwendig ist. Auch fehlt ein interner 2-Port-Hub oder ein Ethernet-Switch und man braucht zwei separate Kabel bis zum nächsten "großen" Switch.

Im ersten Testszenario kamen Hipath 5500 als Gatekeeper und RG 2500 als Gateway zum Einsatz. Dieses Paar hat Siemens für Voice-over-IP-Netze mit maximal 500 Endgeräten und 30 ISDN-Verbindungen über das Gateway vorgesehen. Nach unserer Klassifikation (siehe Seite 78/79) ist das eine "mittelgroße" Anlage. Die beiden Geräte gaben im Test nicht den geringsten Anlass zur Klage. Unsere Testanrufe mit Systemtelefonen über die beiden Hicom-TK-Anlagen liefen in beiden Richtungen problemlos. Das Testpaar hat einige Eigenschaften, die erst in größeren Netzen üblich sind: Ein zentraler Anrufbeantworter mit benutzerbezogenen Mailboxen, der die eingegangenen Sprachnachrichten als E-Mail verschickt, gehört zum Gatekeeper. Das Gateway unterstützt auch den "Q.SIG"-Standard, der bei der Verbindung mit einer TK-Anlage dazu dient, Telefonfunktionen in das Voice-over-IP-Netz zu übermitteln. Der ISDN-Port nimmt auch Faxe entgegen und leitet sie nach dem "T.128"-Standard ins Voice-over-IP-Netz weiter.

Die Hipath 5500 arbeitet jedoch ausschließlich im Alleinbetrieb. Der Anwender kann nicht mehrere Server parallel schalten, um dadurch die Verfügbarkeit zu erhöhen oder die Kapazität zu erweitern. Allerdings kommuniziert der Gatekeeper mit mehreren Gateways.

Wird der Server zu knapp, muss das Unternehmen auf das High-end-Gerät RG 2200 umsteigen. Darin sind ein Gatekeeper und ein Gateway zusammengefasst. Das Gerät leitet derzeit maximal 60 und demnächst 120 Gespräche gleichzeitig ins ISDN-Telefonnetz weiter. Nach Aussagen des Herstellers sollen in künftigen Softwareversionen zu Gunsten der Kapazität mehrere dieser Gatekeeper zu koppeln sein.

Beide Gatekeeper sind auf PCs installiert und arbeiten mit Windows NT. Im Sinne der Verfügbarkeit sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass die Geräte ausschließlich für Voice over IP genutzt werden, weil die Stabilität offener Windows-Server bei weitem nicht die für die Telefonie erforderliche Qualität erreicht.

Zur Demonstration eines Call-Center-Einsatzes bauten wir einen Test mit Gatekeeper RG 2200 und einigen Opticlients auf. Eine für mittelgroße Call-Center-Anwendungen geeignete Software ist im Gatekeeper integriert. Die automatische Rufverteilung testeten wir erfolgreich; das Java User Interface war sehr übersichtlich und entspricht professionellen Anforderungen.

Zur Beurteilung der empfundenen Sprachqualität testeten wir die Verbindung zwischen den beiden Gateways RG 2500 und RG 2200. Eine ISDN-Sprachprobe wurde dem ersten Gateway vorgespielt, von diesem in IP-Pakete umgewandelt, die das Voice-over-IP-Netz durchliefen und beim zweiten Gateway landeten. Dieses machte daraus wieder ein ISDN-Signal.

Die Sprachproben hat das Messprogramm "Tiqus/SQA der Firma Vierling" erzeugt und nach dem ITU-Standard "P.800" mit dem Algorithmus "Tosqa" der Telekom-Abteilung T-Nova automatisch analysiert. Die Messskala "Mean Opinion Score" (MOS) stellt die subjektiv empfundene Verständigungsqualität auf einer fünfwertigen Skala dar: von mangelhaft (1), ausreichend (2) und gut (3) bis zu sehr gut (4) und ausgezeichnet (5).

Gut verständliche Sprache

Der Wert 5 ist aus theoretischen Gründen über ISDN-Leitungen nicht zu erreichen; der ISDN-Referenzwert liegt bei 4,2. Analoge Leitungen schaffen etwa 3,3-3,8. Unsere Messungen ergaben einen MOS-Wert von 3,58. Auf dem Gateway RG 2200 ließen sich das Codierungsverfahren und andere H.323-Parameter leider nicht vorkonfigurieren. Die mit der G.723.1-Komprimierung geplanten Tests fielen demnach aus. Das Ergebnis MOS 3,58 bewegt sich im erwarteten Bereich; denn es entspricht dem Mittel zwischen der Qualität eines reinen ISDN-Telefongesprächs und einer analogen Sprachverbindung. Dies konnten wir bei Hörtests nachvollziehen: Sofern das Ethernet richtig konfiguriert ist, sodass es Voice-over-IP-Daten priorisiert, entspricht die Verständlichkeit der Telefonie der an einem normalen Telefon. Bedingt durch die zweifache Umwandlung der Signale in IP-Pakete und Daten ist die "glasklare" ISDN-Qualität nicht mehr vorhanden, was die Gesprächspartner jedoch nur bei genauem Hinhören merken dürften.

Siemens schlägt für die Integration von IP-Telefonen in Home Offices oder in Teleworking-Arbeitsplätze vor, die Geräte am Standort des Mitarbeiters aufzustellen oder den Laptop mit einer Voice-over-IP-Software auszustatten und an das Unternehmensnetz zu koppeln. Für den Heimarbeiter erscheint das IP-Telefon dann wie eine Nebenstelle seines Unternehmensnetzes. Dabei werden die Gesprächsdaten in IP-Paketen über die ISDN- oder DSL-Datenleitung des Home Office verschickt. Vorteil dieser Lösung ist, dass kein zweiter ISDN-Kanal für Sprache benötigt wird und die Gespräche zentral abgerechnet werden.

Damit die Benutzer IP-Gespräche und Daten gemeinsam übertragen können, darf die Voice-over-IP-Verbindung nur wenig Bandbreite benötigen. Dazu setzt Siemens das Codierungsverfahren G.723.1 ein, das netto nur rund 6 kBit/s beansprucht. Es lässt damit noch genügend Bandbreite für die Datenübertragung frei.

Das Teleworking simulierten wir im Labor mit dem WAN-Emulator "Storm" der Firma Shunra. Das Gerät manipuliert Pakete und Paketfolgen, sodass es ISDN-Leitungen und IP-Providernetze mit verschiedenen Qualitätseigenschaften nachahmt. Es lässt den Tester folgende Faktoren festlegen, von denen Sprachqualität in Voice-over-IP-Netzen im wesentlichen abhängt (Grenzwertangaben nach ITU-T G.114):

- Jitter: Dieser Effekt führt zu Varianzen in den Paketabständen, die das Telefon ausgleichen muss;

- Paketverlust: Aussetzer bei bis zu fünf Prozent verlorenen Paketen muss das Telefon glätten. Größere Verluste sind technisch bedingt, aber auch abhängig vom Codierungsverfahren;

- Latenz: 150 ms und mehr erschweren die Duplex-Sprachkommunikation, also Verbindungen, bei denen beide Partner gleichzeitig reden dürfen.

- Bandbreite: Geringe Leitungsbandbreite begrenzt den für Voice-over-IP-Pakete verfügbaren Durchsatz und verlängert die Paketlaufzeit.

Empfangsstörungen im WAN

Es wurden zwei Szenarien getestet: Erstens die Anbindung des IP-Telefones Optipoint 300 Advance in das Firmennetz über eine simulierte ISDN-Leitung mit einer Bandbreite von 64kBit/s (bidirektional) und zweitens über eine simulierte ADSL-Verbindung mit einer Bandbreite von 768 kBit/s Downstream und 128 kBit/s Upstream. Vom genannten Telefon ausgehend wurden verschiedene Endgeräte im fiktiven Firmennetz angerufen, wobei zwei Mitarbeiter unter verschiedenen Verkehrsbedingungen die Qualität einer Sprachprobe beurteilten.

Der WAN-Emulator beschnitt die Bandbreite jeweils bei beiden Senderichtungen (Upstream und Downstream). Außerdem hat er Pakete verworfen (Packetloss) und verzögert (Latency und Jitter).

Die Sprachqualität bei einem ungestörten Netz (Referenzmessung) war sehr gut; wie bei den Tiqus-Sprachqualitätsmessungen stellten wir nur geringe Unterschiede zur ISDN-Qualität fest. Das betraf jedoch nur die Kommunikation zwischen den Hardware-gestützten IP-Telefonen. Ein mitunter dumpfer Klang trat bei Gesprächen zwischen Optipoint und Opticlient auf. Inwieweit der Client selbst oder seine Plattform (PC, Soundkarte, Headset) dafür verantwortlich war, konnten wir nicht entscheiden. Tendenziell war die Sprachqualität des Java-Clients (Opticlient 350) besser.

Die WAN-Szenarien hatten auf die Sprachqualität erwartungsgemäß nachteilige Effekte. Dabei stellten wir Unterschiede zwischen der komprimierten und der normalen Übertragung fest. Die Kompression führte teilweise zu einem leiernden, schlingernden Klang. Das ist kein Wunder, denn die Kompression nach G.723.1 spart zwar sehr viel Bandbreite, hat aber auch eine schlechtere Sprachqualität als G.711. Im unkomprimierten Fall verursachte der Paketverlust einen zerhackten Sprachempfang. Das ist einleuchtend, denn im ISDN-Szenario steht zu wenig Bandbreite für mit G.711 kodierte Datenströme zur Verfügung, die netto 64 kBit/s zur Sprachkodierung nutzen. Deshalb sind für ISDN nur die komprimierenden Codierungsverfahren wie G.723.1 zu empfehlen. Dadurch fällt das preisgünstigere IP-Telefon Optipoint 300 Basic als Home-Office-Gerät aus, denn es unterstützt keine Sprachkomprimierung.

Im ADSL-Szenario konnten wir nicht eindeutig bestimmen, welche Codierungsart besser war. Mit zunehmender Verschlechterung der simulierten Leitungsgüte wurde die Verständigung schwieriger: Während die Telefone einen Paketverlust von einem Prozent oder drei Prozent problemlos ausglichen, war ab einem Paketverlust von circa sechs Prozent keine Kommunikation mehr möglich.

Für Teleworking nicht geeignet

Die Ergebnisse überraschen nicht sehr; denn hohe Paketverluste kann Voice over IP prinzipiell nicht ausgleichen. Eine etwas bessere Performance hätten wir uns dennoch gewünscht, da Siemens das Teleworking explizit als Anwendung ihrer Voice-over-IP-Lösung anbietet. Nach den Testergebnissen ist es dafür jedoch nur eingeschränkt, und zwar unter besonders guten Netzbedingungen geeignet.

Wer keine direkte ISDN-Leitung zum Unternehmen hat, sondern eine DSL-Leitung über einen Internet-Provider, sollte vom Teleworking mit der Siemens Voice-over-IP-Lösung besser absehen. Ob andere Anbieter hier bessere Sprachqualität bieten, wird sich im Laufe der Testreihe zeigen. (kpl)

Zur Person

Herbert Almus

ist Leiter des European Advanced Network Test Center (EANTC), das unter anderem unabhängige Tests von Netzwerkequipment durchführt.

Carsten Rossenhövel

ist im Vorstand der EANTC AG und leitet die Abteilung Research & Development.