Social Media

Firmen brauchen die digitale Kaffeeküche

24.06.2013 von Uwe Küll
Die Zahl der Projektgruppen und Teams, die sich in virtuellen Räumen treffen, steigt. Wie aber können Mitarbeiter Vertrauen, Loyalität und ein Wir-Gefühl entstehen lassen, wenn der "Flurfunk" fehlt? Die Soziologin Nicola Millard empfiehlt interne Social Media und Video.

Wie sieht das Büro der Zukunft aus? Mobil ist es, 'social' auch - und Anwendungen und Daten werden weitgehend aus der Cloud kommen. Einen Vorgeschmack auf künftiges Arbeiten bieten Social-Business- und UCC-(Unified-Communication-and-Collaboration-)Lösungen, mit deren Hilfe Unternehmen bereits heute die Zusammenarbeit und Kommunikation fernab der E-Mail organisieren. An welchem Ort ein Unternehmen seine Büros hat, wird für die Mitarbeiter zusehends unwichtiger. Sie arbeiten dort, wo sie sich befinden: sei es auf Dienstreisen im Hotel, beim Kunden oder im Home Office - und sie haben dabei ständig Zugriff auf die IT des Unternehmens. Doch müssten sich Menschen nicht sehen und in persona miteinander sprechen?

Präsenzsitzungen werden seltener

Instant Messaging und Chat für den spontanen Dialog oder auch Desktop-Sharing für den gemeinsamen Blick auf ein Dokument sind laut Nicola Millard von BT ein guter virtueller Ersatz für die reale Kaffeeküche.
Foto: Privat

"Grundvoraussetzung für eine gute Zusammenarbeit ist Vertrauen", sagt Nicola Millard, Soziologin, die sich beim Netz- und IT-Dienstleister BT mit künftigen Entwicklungen beschäftigt. "Und das braucht Zeit, um zu wachsen. In Arbeitsgruppen, die auf lokaler Ebene zusammenarbeiten, gibt es Gelegenheiten, dieses Vertrauen bei einem kurzen Gespräch in der Kaffeeküche aufzubauen und zu pflegen." Die Schwierigkeit: Mitarbeiter in verteilten Teams kennen sich häufig nicht persönlich, und Präsenzsitzungen kommen wegen großer Entfernungen und enger Reisekostenbudgets, aber auch aus Zeitmangel häufig nicht in Frage. Dabei müssen die Teams vor allem eins: Ergebnisse liefern. Zur Beschäftigung mit den kulturellen Unterschieden zwischen Gruppenmitgliedern aus unterschiedlichen Ländern, unterschiedlichen Disziplinen, verschiedenen Organisationen und Hierarchieebenen bleibt in der Regel gerade da wenig Zeit, wo sie am nötigsten wäre. Denn die Alltagskommunikation im Flur, in der Kantine oder der Kaffeeküche ist durch die Distanz nicht möglich.

Experten, die heute die Arbeitswelt der Zukunft planen, suchen daher nach Möglichkeiten, die Kaffeeküchen-Kommunikation in die digitalisierte Arbeitswelt hinüberzuretten. Dabei setzen sie vor allem auf Social-Media-Komponenten. Um geeignete Tools für die "digitale Kaffeeküche" zu finden, müssen Arbeitgeber zunächst einen Blick auf deren Pendant in der materiellen Welt werfen: Was macht die Kommunikation hier eigentlich so wichtig für gute Zusammenarbeit?

Ein Büro ohne Kaffeeküche? Da fehlt was sehr Elementares für das Unternehmen.
Foto: Kzenon - Fotolia.com

Ein wichtiges Merkmal ist ihre Spontaneität: Zwei oder mehr Personen begegnen sich in der Küche, weil sie gleichzeitig einen Kaffee holen. Dabei ergeben sich alltägliche Gespräche über Nebensächliches, oft Privates. Aber auch wenn es um die Belange des Unternehmens geht, ist die Kommunikation immer persönlich - und synchron. Das erleichtert die Aufklärung von Missverständnissen. Die Küchenkommunikation ist darüber hinaus in vielen Firmen hierarchiefrei - wenn auch der Chef sich an der Kaffeemaschine in die Schlange einreiht.

Missverständnisse bei Social Media
In Unternehmen bestehen Vorbehalte gegenüber sozialen Medien. Hansjörg Leichsenring trug sie zusammen und wirbt um ein besseres Verständnis.
1. Soziale Medien haben mit dem wirklichen Leben nichts zu tun
Das Internet ist längst keine Parallelwelt mehr. Bezogen auf Finanzdienstleiter hat z.B. die Online-Agentur Zieltraffic bereits vor einiger Zeit festgestellt, dass 70 Prozent der Diskussion rund um das Thema Banken über Social Media-Kanäle stattfindet. Ob es den Unternehmen gefällt oder nicht: Facebook & Co sind längst zu einem wichtigen, wenn nicht sogar dem wichtigsten Ort geworden, an dem man über sie diskutiert und sich über ihre Produkte, Preise und Dienstleistungen austauscht.
2. Sozial bedeutet uneigennützig
Bei sozialen Medien geht es damit primär um die Art und Weise, wie zusammengearbeitet wird. Auch wenn dies mancherorts bestritten wird: Für Social Media gibt es einen ROI und dieser lässt sich auch konkret berechnen.
3. Soziale Medien sind ein reines Kommunikations- und Marketinginstrument
Marketing ist sicherlich ein wichtiges Einsatzfeld sozialer Medien. Aber es geht durchaus um mehr. Das Marketing alter Prägung war vor allen ein Push-Geschäft. Kunden wurden mit Werbung überflutet, die sie zum Kauf auffordern sollte - getreu dem Motto: Je mehr man tut, desto mehr Aufmerksamkeit erhält man. Gewinner war am Ende immer der mit dem größten Budget, übrigens sehr zur Freude von Agenturen und Medien.
4. Soziale Medien bedeuten Kontrollverlust
Das genaue Gegenteil ist der Fall. Ein Verzicht auf soziale Medien führt nicht zu einer anderen Kommunikation über Unternehmen, sie bekommen diese nur nicht mit und können sie nicht beeinflussen. Und Unternehmen wollen doch mitbekommen, was Ihre Kunden über sie reden, oder?
5. Soziale Medien sind kostenlos
Präsenz und schnelle (Re-)Aktivität sind zentrale Elemente für ein erfolgreiches Social Media Management. Je nach Unternehmensgröße ist dies eine Fulltime-Aufgabe - nicht nur für einen Mitarbeiter. Für den erfolgreichen Einsatz ist daher eine eindeutige organisatorische Zuordnung der Verantwortung und eine entsprechende Ausstattung an Ressourcen unumgänglich.
6. Soziale Medien kann man getrost outsourcen
Auch wenn Agenturen dies gerne anbieten, es ist keine gute Idee. Es geht nicht zuletzt um die Reputation des eigenen Unternehmens. Und die relativ kurze Geschichte der sozialen Medien bietet bereits eine Fülle von Beispielen, in denen Agenturen die Reputation ihrer Klienten leichtfertig aufs Spiel gesetzt haben.
7. Mitarbeitern sollte man am Arbeitsplatz keinen Zugriff auf soziale Medien gewähren
Haben Unternehmen wirklich so wenig Vertrauen in Ihre Mitarbeiter? Dann müssten Sie generell an ihrer Personalpolitik zweifeln. Vielfach sind gerade Mitarbeiter hervorragende Botschafter in sozialen Netzwerken und setzen sich so auch in ihrer freien Zeit für das Unternehmen ein.
8. Einfach mal loslegen
Daher heißt es auch beim Social Media-Einsatz: Stucture follows Strategy. Erst werden die Ziele definiert, dann die Ressourcen und dann die Kanäle über die man aktiv werden will. Dazu können externe Berater übrigens tatsächlich einen Beitrag leisten, sofern sie nicht nur etwas von sozialen Medien, sondern auch von der Branche, dem Unternehmen und den dort vorhandenen strategischen Herausforderungen verstehen. Auf die mancherorts gepriesenen Social Media-Gurus würde ich lieber verzichten.

Die Zukunft gehört dem Video

Für Nicola Millard sind deshalb unter anderem interne Social-Media-Plattformen eine nahezu perfekte Lösung, bieten sie doch die kommunikativen Funktionen, die man auch in der Kaffeeküche verortet: Instant Messaging und Chat für den spontanen Dialog, Desktop-Sharing für den gemeinsamen Blick auf ein Dokument oder Foto. Die Präsenzstatus-Anzeige gibt an, wann ein Kollege für einen kurzen Austausch verfügbar ist.

Der Austausch über Video, für Millard einer der wichtigsten Zukunftstrends in Sachen Kommunikation, vermittelt ein besseres Gefühl für das Gegenüber; und stellt ein Teammitglied in seinem Social-Media-Profil beispielsweise Hobbys oder familiäre Beziehungen dar, bekommen seine Kollegen auch die persönliche Seite mit. Das Firmen-Facebook ersetzt zwar nicht das gemeinsame Bier nach Feierabend, aber es kann die Beziehung zwischen den Mitarbeitern erheblich vertiefen.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der TC-Schwesterpublikation COMPUTERWOCHE.