Fast so gut wie ATM

19.05.1999
Quality of Service auf einem Ethernet-Switch? Der US-Hersteller Extreme Networks versucht es zumindest. Wir haben einen seiner Enterprise-Switches getestet. Neben der Standfestigkeit interessierte uns, wie gut die Priorisierung der Verkehrsströme funktioniert.

it der Summit-Familie hat sich der kaum drei Jahre alte US-Hersteller Extreme Networks das Image erkämpft, eine aggressive Preisgestaltung mit umfangreicher Softwareausstattung und innovativen Produkten zu verbinden. Grund genug für die gateway, einmal zu hinterfragen, was der Neuling wirklich drauf hat.

Technisch hält sich der Hersteller einiges darauf zugute, die Entwicklung der Geräte bis hinunter auf die Chip-Ebene im eigenen Haus vorzunehmen. Auch der Asic, der als Switching Engine die Schaltzentrale der Maschine bildet, ist eine Eigenzüchtung. Dieser Chip ist aus der Sicht des Managements einer der Hauptverantwortlichen für den Erfolg des Unternehmens. Er vermittelt nicht nur Datenpakete auf der OSI-Ebene 2 in "Wire speed", sondern auch auf der Ebene 3, der sogenannten Vermittlungsschicht. Dieser Vorgang wird gemeinhin per Software erledigt und als Routing bezeichnet. Ist es eine Hardware, die den Datenpaketen die Adreßinformationen entnimmt und sie anhand einer Routing-Tabelle weiterleitet, so geht die Sache wesentlich schneller vonstatten und man spricht von "Layer-3-Switching". Der Summit 48 schafft auch das in der "Lichtgeschwindigkeit der Netzwerke", in Wire Speed - behauptet jedenfalls der Hersteller. Damit nicht genug: Der Switch kann auch Diensteklassen unterscheiden. Die mitgelieferte Software unterstützt eine Policy-gesteuerte Priorisierung der einzelnen Datenströme. Diese als "Quality of Service" (QoS) bezeichnete Einteilung ist nicht im Grundumfang der IP-Protokolle und des Ethernet-Verfahrens enthalten; lediglich bei High-End-Netzwerktechniken wie ATM ist QoS standardmäßig vorgesehen. Allerdings ist die Industrie zur Zeit intensiv damit beschäftigt, auch in Ethernet-Netzwerken die Daten je nach Typ mit unterschiedlicher Dringlichkeit zu transportieren. Unser Test soll daher auch der Frage nachgehen, inwieweit Extreme Networks dieses Versprechen erfüllt.

Testkonzeption

Der Switch ist mit 48 10/100-Megabit-Ports und zwei Gigabit-Ports bestückt. Mit dieser Bestückung rangiert der Summit 48 klar auf der Enterprise-Ebene.

Wir haben uns bei unserem Test auf die Funktion als Layer-3-Switch sowie auf den Gigabit-Teil und auf die Quality-of-Services konzentriert. Auf Layer 3 haben wir unter Last überprüft, ob das Gerät IP-Pakete verlustfrei weiterleitet, die korrekte Reihenfolge beibehält und keine Pakete dupliziert. Weiter sind wir der Frage nachgegangen, wie die Latenzzeitverteilung für unterschiedliche Datenströme aussieht und ob sich über einen Zeitraum von mehreren Minuten verändert. Schließlich haben wir noch die zeitliche Varianz der Durchlaufzeiten (Jitter) der einzelnen IP-Ströme ermittelt.

Die Tests zur Überprüfung der Quality of Service bezieht sich auf zwei Fragestellungen:

l Besteht eine Möglichkeit zur gesicherten Übertragung definierter IP-Datenströme, wenn auf einem der Ethernet-Ports ein "Datenstau" aufgetreten ist?

l Ist es möglich, auf allen vorhandenen Ethernet-Ports parallel für bestimmte IP-Datenströme einen definierten Quality of Service anzubieten und zu garantieren?

Alle Tests wurden auf dem Smartbit-Testgerät der Firma Netcom in den Betriebsarten Fast-Ethernet und Full duplex durchgeführt. Für Tests auf Layer 3 existieren noch keine verbindlichen Standards; wir haben uns jedoch soweit wie möglich an die RFC 1944 angelehnt.

Variation der Latenzzeiten

Bei einer Gesamtlast von insgesamt 1,1 GBit/s, verteilt auf 1100 IP-Ströme, blieb der Switch so lange standhaft, wie die Datenströme aus Paketen gleicher Länge bestanden. Erst als wir dazu übergingen, die Paketgröße in den einzelnen IP-Strömen unregelmäßig zu verteilen (statistische Streuung), kam der Summit 48 ein wenig aus dem Tritt. Er verlor dann zwei Prozent der Pakete, ein immer noch ordentliches Ergebnis.

Weitere Tests dienten dazu, die absolute Größe der Verzögerung der Datenpakete beim Durchlaufen des Switches (Latenzzeiten) sowie deren zeitliche Konstanz zu ermitteln. Dabei stellten wir fest, daß die Gesamtlatenz höher lag als bei den bisher getesteten Routern. Die Latenzzeit lag im Durchschnitt bei etwa 100 µs, gemessen mit 60-Byte-Paketen. Wurde der Switch mit 1500-Byte-Paketen bombardiert, so waren die Werte wesentlich schlechter. Einige Ethernet-Ports zeigten oberhalb einer Schwelle von circa 75 Prozent der zulässigen Last Sättigungserscheinungen. Das bewirkte einen Anstieg der Latenzzeiten. Dieser Effekt sieht in den entsprechenden Grafiken (Bild 2) recht dramatisch aus. Für die Praxis bleibt er indessen immer noch unter der Relevanzschwelle. Die Anforderungen für Sprachübertragung in guter Qualität erfüllt der Summit 48 allemal: Seine Latenzzeit ist deutlich besser als die Mindestanforderung von 200 ms.

Nach einer Einschwingzeit von etwa einer halben Minute pendeln sich die Latenzzeiten an allen Ports auf Werte zwischen 50 µs und 150 µs ein. (Bild 3).

Ein weiterer Test diente der Ermittlung der Frame-Varianz, die auch als "Jitter" bezeichnet wird. Diese Größe liefert eine wichtige Aussage über die Eignung eines Switches für die Übermittlung von Multimediadaten. Bei dieser Messung klassifiziert die zeitlichen Abstände zwischen den Datenframes und bildet Gruppen in der Art von Spektrallinien. Je konstanter der Abstand zwischen den eingegangenen Frames, desto stärker prägt sich eine einzelne Spektrallinie aus. (Bild 4)

Frame-Varianz

Diese Messungen bescheinigen dem Summit 48 ein ausgezeichnetes Abschneiden bei Paketgrößen von 1500 Bytes. Mehr Praxisrelevanz kommt indessen der gleichen Messung mit 60-Byte-Paketen zu. Der Grund: Multimedia-Applikationen arbeiten in der Regel mit möglichst kleinen Paketen, damit der Effekt einer "zeitlichen Rasterung" möglichst klein gehalten wird. Bild 4 zeigt, daß bei 60-Byte-Paketen das Ergebnis nicht ganz so gut ausfällt wie bei 1500-Byte-Paketen. Es bewegt sich aber immer noch in einem sehr passablen Bereich. Zwar laufen die Pakete beim Empfänger nicht mehr mit der gleichen zeitlichen Konstanz ein. Die "Hauptlinie" bei etwa 10 µs ist aber rund 1000 mal stärker als die nächststärkste "Nebenlinie". Um diese Werte auch noch grafisch auflösen zu können, haben wir für die Darstellung einen logarithmischen Maßstab gewählt.

Der Summit 48 ist mit einer Gigabit-Ethernet-Schnittstelle versehen. Somit ist er in der Lage, Daten über Hochgeschwindigkeitsnetze auszutauschen. Es ist aber festzuhalten, daß Gigabit-Netze nur vergleichsweise kurze Distanzen bewältigen können. Bei Verwendung von Monomode-Glasfa-sern ist die Distanz zwischen zwei Gigabit-Ethernet-Switches auf 2 km beschränkt, MultimodeFasern schaffen gar nur 500 m. Um Layer-3-Tests über die Gigabit-Ethernet-Schnittstelle durchzuführen, hat das gateway Partnerlab zwei Switches gigabitseitig zusammengeschlossen. In jedem Switch waren nach dem Prinzip der verteilten Endsysteme fünf Ports an den Tests beteiligt. Für jedes Gerät definierten wir fünf IP-Subnetze und simulierten über die Interfaces Endsysteme. Wir legten des weiteren 90 IP-Ströme pro Interface fest, die mit einem Lastfaktor von 100 Prozent Daten generierten.

Auch hier warfen wir zunächst einen Blick auf die Standfestigkeit des Switches. Pakete mit einem Umfang von 60 Byte kamen am anderen Ende wieder vollzählig zum Vorschein, Pakete mit 1500 Byte erlitten ganz leichte Verluste von 0,067 Prozent. Diese Messungen wurden mit IP-Strömen gleicher Paketgröße durchgeführt. Auf Messungen mit statistisch schwankendem Paketumfang verzichteten wir: Mit dem verfügbaren Equipment wären wir hier in schwierige theoretische Probleme hineingelaufen.

Im Vergleich zu den Layer-3-Tests im Fast-Ethernet-Bereich hatten wir eine identische, eventuell leicht bessere Performance erwartet. Der Summit 48 enttäuschte uns nicht. Nicht nur die Standfestigkeit, auch die Variation der Latenzzeiten als Funktion der Paketgröße lag etwas besser als bei den Fast-Ethernet-Ports (Bild 5). Der Jitter hingegen war bei Einbe-zug der Gigabit-Ports geringfügig schlechter als bei der Messung über die Fast-Ethernet-Ports.

"Kleine Lösung" für QoS

Ein Alleinstellungsmerkmal des Summit 48 ist seine Unterstützung für "Quality of Service" (QoS). Wichtig sind derartige Dinge deshalb, weil die Anwender nicht nur ständig mehr Bandbreite benötigen, sondern auch eine zunehmende Dienstegüte, gerade im Hinblick auf die Vernetzung von Multimedia-Anwendungen. Dabei gilt es, die zeitkritischen Datenpakete vorrangig weiterzuleiten.

Dieses Anliegen unterstützt der Summit 48 über das "Resource Reservation Protocol" (RSVP), mit dem IP-Verkehrsströme dem Switch ihren Bandbreiten- und Dienstgütebedarf dynamisch signalisieren können. Allerdings hat die Sache einen ziemlich großen Haken: RSVP ist im Internet noch nicht allgemein verbreitet, und es funktioniert nur, wenn es von allen beteiligten Komponenten unterstützt wird. Außerdem wird zur Zeit noch bezweifelt, daß dieses Protokoll vernünftig skaliert. Wir haben deshalb darauf verzichtet, diese Eigenschaft des Summit 48 zu testen.

Aber der Switch unterstützt die Einteilung der Datenströme noch über einen anderen Mechanismus: Er bietet die Möglichkeit, bestimmten Datenströmen oder Ports Mindestbandbreiten (min BW) zuzuteilen. Außerdem kann die Bandbreite, die einzelnen Strömen oder Ports zur Verfügung steht, durch die Festlegung einer maximalen Bandbreite (max BW) begrenzt werden. Diese Einrichtungen verhindern, daß sich auf einzelnen Ports "Datenstaus" bilden. Damit bezieht der Hersteller in der Diskussion um "Differentiated Services" Position. Auch dieser Ansatz ist noch nicht ausgreift; es fehlen herstellerübergreifende Mechanismen zur automatischen Verständigung über Bandbreiten und Diensteklassen. Aber zumindest erlaubt er eine Festlegung von Minimal- und Maximalbandbreiten innerhalb eines Netzes.

Dabei kann ein Datenstrom grundsätzlich nach verschiedenen Gesichtspunkten festgelegt werden. Innerhalb eines Switches sind die wichtigsten Kriterien der physische Eingangsport und die Zugehörigkeit zu einem Virtuellen LAN (VLAN). Switchübergreifend lassen sich Bandbreiten pro IP-Strom vergeben, definiert über die IP-Adressen und Subnetz-Adressen.

Unsere Messungen belegten, daß der Summit 48 über effiziente Möglichkeiten zur QoS-Steuerung verfügt. Die einzelnen Datenströme halten sich auch insofern an die Vorgaben, als sie die zugeteilten Bandbreiten nicht überschreiten. Die real genutzte Bandbreite liegt allerdings zum Teil deutlich unter dem erlaubten Limit. Das bedeutet für die Praxis: Der Switch verspricht keiner Applikation Bandbreiten, die er nicht schafft - aber er geht teilweise zu konservativ mit seinen Ressourcen um, im Extremfall läßt er fast 20 Prozent der Bandbreite ungenutzt.

Fazit

Als Fast-Ethernet- und Gigabit-Ethernet-Switch bringt der Summit 48 eine gute Performance. Die Paketverluste sind gering, die Latenzzeiten allerdings zum Teil deutlich höher als bei den in den letzten Ausgaben untersuchten Fast-Ethernet-Switches. Demgegenüber ist die Jitter-Performance wieder vergleichbar gut. Sie ist zwischen derjeingen des 3Com Superstack Switch 3800 und des Bay Networks Accelar 110R-A einzuordnen. Bei der Gigabit-Performance zeigte der Switch keinerlei Leistungseinbrüche, soweit dies mit unseren Mitteln nachweisbar war.

Die Konfigurationsmöglichkeiten für Quality of Service funktionieren ordentlich. Es bleibt allerdings offen, ob die manuelle Konfiguration dieser Parameter in einem nicht-trivialen Anwendungsfall praktikabel ist. Da RSVP sich noch nicht durchgesetzt hat, kann man die dynamische Bandbreiten- und QoS-Zuteilung des Switches in der Praxis kaum nutzen. Allerdings kann die Möglichkeit, maximale Bandbreiten zu definieren, auch ohne RSVP recht hilfreich sein, um den Bandbreitenhunger einzelner Anwendungen zu begrenzen. Der Summit 48 kommt jedenfalls in seinen Möglichkeiten zur Bandbreitenreservierung schon recht nahe an diejenigen in ATM-Technik heran. Deshalb erhält das Gerät die Auszeichnung der Redaktion "gateway tip". (ch)