Carrier Colt trotzt dem All-IP-Trend

FAQ: ISDN nach 2018 weiter nutzen

13.08.2015 von Jürgen  Hill
Geht es nach der Telekom, dann sind 2018 ISDN und das klassische Telefonnetz Geschichte. All IP ist dann die neue Technik. Ein Entwicklung, der nicht Alle widerspruchslos folgen - so will etwa Colt weiterhin ISDN vermarkten.

Die Tage der klassischen Telefonie und von ISDN scheinen gezählt. Nach den Plänen der Telekom soll bis 2018 das klassische TK-Netz abgeschaltet sein und die Technik auf All IP migriert sein. Was im Privatkundensegment bereits für erste Entrüstungsstürme sorgte, beschäftigt nun auch immer mehr Business-Kunden. Denn je nach eingesetzter Hardware (etwa Alarmierungssysteme, Brandschutz, Aufzugssteuerung etc.) kommen auf die Unternehmen etliche Investitionen und zeitraubende Umrüstungsarbeiten zu. In dieser Situation erscheint das Angebot des Carriers Colt vielen wie ein Rettungsanker: Der Provider will auch nach 2018 ISDN weiterhin offerieren. Wir haben mit Joachim Sinzig, Vice President Portfolio Management & Marketing Voice Services bei Colt, über die ISDN-Strategie des Carriers diskutiert.

Versteckte Fallen bei der VoIP-Migration vermeiden -
Versteckte Fallen bei der VoIP-Migration vermeiden
Die Tage der klassischen TK-Anlage sind gezählt. Läuft der Vertrag aus, dann soll meist auf VoIP migriert werden. Johann Deutinger, Vorstand Ferrari electronic, zeigt die potenziellen Problemfelder und gibt dazu Tipps.
1. Pilotinstallation
Wie kann ein kleineres Unternehmen zu maßvollen Kosten evaluieren, ob die IP-Telefonie alle Ansprüche erfüllt? Die beste Möglichkeit ist hier eine Pilotinstallation. Eine vorkonfigurierte Lync-Appliance kann helfen, mit geringen Kosten und wenig Aufwand die Lösung im eigenen Unternehmen zu erproben. Solche Appliances ("Lync-in-a-box") gibt es von verschiedenen Herstellern und sie eignen sich über den Test hinaus auch, um eine begrenzte Zahl an Anwendern, etwa einen Standort oder eine Abteilung dauerhaft auf IP zu migrieren.
2. Migration
Es gibt Beispiele für generalstabsmäßig geplante Migrationen auf Lync über Nacht, im Regelfall gehen Unternehmen jedoch nach einer Pilotinstallation inkrementell vor. Sie prüfen in der Praxis, ob alle Systeme eine immer weiter erhöhte Zahl an Benutzern bei gleichbleibender Qualität unterstützen. Traditionell schaltet man dabei die IP-Telefonanlage hinter die TK-Anlage
4. Türöffner
Zu den analogen Endgeräten, die durch klassische TK-Anlagen gesteuert werden, gehören nicht selten Tür- oder Schrankenöffner. Es sieht einfach und alltäglich aus, auf einen Knopf zu drücken, um eine Tür zu entriegeln. Aber auch mit diesen Endgeräten kann Lync nicht kommunizieren, genauso wenig wie andere IP-Telefonanlagen.
5. Fax
Laut einer Umfrage von Ferrari electronic halten selbst heute 82 Prozent der Unternehmen den Kommunikationsweg Fax für unverzichtbar. Dabei geht es selten um Papierfaxgeräte, sondern meist um Computerfax und Faxserver. Hier gibt es bei einer Migration grundsätzlich die Alternativen, eine eigene Amtsleitung für das Fax beizubehalten oder neben der Telefonie auch das Fax auf IP zu migrieren (Fax-over-IP).
6. Alarmanlage
Technisch gesehen ist auch die Alarmanlage nur ein weiteres analoges Endgerät, und die Liste dieser Endgeräte ließe sich beispielsweise mit Frankiermaschinen auch noch erweitern. Doch die Alarmanlage ist in vielen Branchen ein besonders heikler Punkt. Es gibt nur wenige für IP zertifizierte Modelle.
7. Unified Communications
Zusammengefasst: Nur weil die Telefonie in Zukunft auf IP basiert, heißt das noch nicht, dass man auf analoge Technologien bereits komplett verzichten kann. Bei vielen typischen Migrations-Herausforderungen geht es um die intelligente Übersetzung von SIP in analoge Signale und umgekehrt.

1. Während die Telekom 2018 das klassische Telefonnetz abschalten will, verspricht Colt weiterhin ISDN anzubieten. Wie lange?

Es gibt derzeit keine Planung, die ISDN-Dienste abzuschalten. Wir richten uns hierbei nach unseren Kunden und der Nachfrage auf dem Markt.

2. Ist das wirklich ISDN im klassischen Sinne, oder offerieren sie ISDN nur on premise und wandeln dann beim Netzübergang in IP um?

ISDN - hier eine Sondermarke von 1988 - stand in der Vergangenheit für die Integration von Sprache, Text, Bild und Daten in einem Netz.
Foto: Bocman1973 - shutterstock.com

Es gibt beide Lösungen. Colt betreibt derzeit 13 PSTN-Switche in Deutschland und bietet auf diesen Switchen weiterhin den klassischen ISDN-Service ohne Kompression und IP im Backbone. Bei Bereitstellung über DSL werden ISDN-Dienste in der Tat am Kundenequipment umgewandelt. Dies hat Vorzüge bei einer späteren Migration zu VoIP. Die Auswirkungen für den Kunden sind gering, da nur wenige ISDN-Features nicht verfügbar sind.

3. Wie realisieren Sie ISDN dann technisch? Eine der Begründungen für das Aus bei Telekom und Co ist ja, dass die klassische Telefonie in der Teilnehmeranschlussleitung ein Vectoring behindere bzw. störe.

Dies gilt in der Tat nur für VDSL-Vectoring mit Kupferleitungen am Ende zu Privatkunden. Colt hat ein eigenes Glasfasernetz und liefert die 2-Mbit/s-Leitungen über das eigene SDH-Netz an.

4. Können Sie die Verfügbarkeit von ISDN im Alltag garantieren? Von anderer Seite ist zu hören, dass die Tage von ISDN auch deshalb gezählt sind, weil kaum mehr Ersatzteile zu bekommen seien.

Colt-Manager Joachim Sinzig erklärte uns, warum und wie der Carrier auch in Zukunft ISDN vermarkten will.
Foto: Colt

Das ist wohl eher ein vorgeschobener Grund von Carriern wie Telekom und Vodafone, um diese kundenunfreundliche Aktion zu begründen. Wir haben noch ausreichend Ersatzteile und Support für unsere Switche, um den ISDN-Dienst über Jahre ohne jede Einschränkung anzubieten.

5. Erfüllt das Colt-ISDN die Vorschriften für Brandmeldung, Notrufsystem in Aufzügen etc.?

Ja, der ISDN-Dienst erfüllt alle regulatorischen Anforderungen für Notrufe sowie für Sonderanwendungen.

6. Wo leiten Sie die ISDN-Telefonate in die All-IP-Netze der anderen Carrier ein?

National werden Gespräche technikkonform weitergegeben, sprich VoIP-Gespräche werden über den IP Interconnect, ISDN-Verbindungen über die klassischen C7/TDM Interconnects an den terminierenden Carrier übergeben. International sieht das anders aus. In unserem Netzgebiet, 13 Länder, routen wir die Gespräche ebenfalls technikkonform. Bei Verbindungen außerhalb unseres Netzes übergeben wir die Gespräche an unseren International Gateways an internationale Operator und haben danach keinen Einfluss mehr auf den Übertragungsweg.

7. Ein Anwender hat mehrere Standorte, kann er zwischen diesen reinrassig per ISDN telefonieren?

Wenn all Gespräche über das Netz von Colt verbunden sind, ja!

8. Wie liegt ISDN bei Colt preislich im Vergleich zur IP-Telefonie?

Alles über eine Leitung. In der All-IP-Welt soll es solche Telefonverteiler nicht mehr geben.
Foto: zhuda - shutterstock.com

Voice Line mit 30 Kanälen kostet 160 EUR on-net monatlich. Der Colt VoIP Access Service mit der gleichen Anzahl paralleler Gespräche über eine vorhandene Datenleitung oder Internet 120 EUR pro Monat. Die Terminierungsoptionen (pro Minute, Flat Fee, All you can eat) sind identisch und zu gleichen Konditionen erhältlich. Bei VoIP Access sind die Gespräche zwischen verschiedenen Kundenlokationen zudem kostenfrei.

9. Die IP-/Cloud-Telefonie-Anbieter locken mit der Cloud-Integration zu anderen Diensten wie etwa salesforce etc. Was offeriert Colt hier?

Der Auslöser für einen Kunden von ISDN zu VoIP zu wechseln, ist das Lebensende der klassischen PBX. Derzeit bietet Colt IP-PBX-Lösungen beim Kunden an, in Zukunft auch Cloud-basierte Lösungen.

10. Wie sieht es mit den klassischen ISDN-Services/-Merkmalen aus? Wird Colt diese weiter anbieten?

Wir werden das Featureset vereinfachen und Merkmale, die nicht mehr benötigt werden, nicht weiter unterstützen. Klassisches Beispiel ist das "Advice of Charge"-Kostenmanagement, das mittlerweile überholt ist. Colt bietet hier mit dem Colt Analyzer eine wesentlich professionellere und anwenderfreundliche Lösung. (cvi)