DIW-Forscher Karl Brenke

"Fachkräftemangel ist Indiz für Trägheit der Unternehmen"

12.12.2013 von Alexandra Mesmer
Über den Fachkräftemangel fand DIW-Forscher Karl Brenke schon 2010 heraus, dass er eine Fata Morgana sei. Ein Befund, der noch immer gelte.

Sind die Klagen der Unternehmen über den Fachkräftemangel berechtigt?

KARL BRENKE: In einer Marktwirtschaft sollte man besser von einer Knappheit reden. Um dieser zu begegnen, bietet unser höchst flexibles System etliche Wege, etwa über höhere Löhne oder die Anwerbung von Fachkräften aus anderen europäischen Ländern. Da die Lohnentwicklung in der IT-Branche in jüngster Zeit aber rückläufig ist, kann von Knappheit keine Rede sein. Die Klagen der Unternehmen über den Fachkräftemangel sind ein Indiz für ihre Trägheit und ihre mangelnde Innovationsfähigkeit.

Volkswirt Karl Brenke arbeitet als Referent am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW). Sein Arbeitsbereich ist Konjunkturanalyse und Konjunkturprognose.
Foto: Anna Blancke/DIW

Neue gesetzliche Regelungen wie die Blue Card, mit der IT-Profis aus Nicht-EU-Ländern ab einem Jahresgehalt von 33.000 Euro hier arbeiten dürfen, bringen bislang nicht den gewünschten Erfolg.

BRENKE: Das Beispiel zeigt: Es gibt nur eine Knappheit an Fachkräften, die zu einem niedrigen Preis arbeiten wollen. Jeder Facharbeiter bei einem Autokonzern wie VW verdient im Vergleich dazu mehr, da wundert es mich nicht, dass die Resonanz der ausländischen IT-Experten auf die Blue Card nicht so hoch ist. Auch andere Potenziale, etwa Ältere und Frauen zu fördern, schöpfen die Unternehmen nicht aus.

gehälter
Großer Gehaltsreport für IT-Fachkräfte 2013
Über 16.000 Gehaltsdaten hat die Hamburger Vergütungsberatung Personalmarkt für die Gehaltsstudie analysiert. Hier sehen Sie, wer unter den IT-Experten was verdient.
Softwareentwickler...
verdienen im Schnitt 51.860 Euro im Jahr. Arbeiten sie als Webentwickler, müssen sie sich mit 41.180 Euro begnügen. Am besten werden SAP-Entwickler mit 59.300 Euro vergütet.
..im Jahr rechnen.
verdienen Softwareentwickler im Jahr,
...die in Bildungseinrichtungen arbeiten.
..können Softwareentwickler..
...im Einzelhandel erwarten.
bekommen Softwareentwickler..
..in Banken und Versicherungen, die IT-Mitarbeiter traditionell gut bezahlen.
Auch die Autoindustrie..
...vergütet Programmierer überdurchschnittlich gut.
erhalten Anwendungsprogrammierer..
..im Jahr in der Automobilindustrie.
Noch bessere Verdienstchancen...
eröffnet die Pharmabranche: Hier kommt ein Softwareentwickler auf durchschnittlich 57.870 Euro im Jahr.
IT-Berater...
...gehören nach den IT-Projektleitern zu den Spitzenverdienern unter den IT-Fachkräften. Im Mittel finden sie sich bei 63.610 Euro im Jahr wieder, als SAP-Berater kommen nochmal 3000 Euro dazu.
Der Beraterverdienst hängt von der Branche ab.
Mehr als 30.000 Euro im Jahr liegen zwischen den Beratergehältern in Flop- und Top-Branchen. Im Gesundheitswesen können IT-Berater nur kleine Gehälter erwarten.
...verdient ein IT-Berater im Gesundheitswesen.
In der Touristikbranche...
sind die Gehaltschancen ähnlich gering.
..erhält ein IT-Berater in der Touristikbranche.
..verdient ein Berater im Maschinenbau..
...und damit fast 20.000 Euro mehr als in einem Ingenieurbüro.
Auch die chemische Industrie zahlt gut.
..verdienen IT-Berater im Jahr...
...in Chemieunternehmen. Ähnlich hoch ist der Jahresverdienst von IT-Beratern in der Metallindustrie (74.370 Euro).
Die Elektrotechnikbranche....
eröffnet IT-Beratern die besten Verdienstaussichten.
können IT-Berater im Jahr ...
...in der Elektrotechnikbranche erwarten.
Projektleiter...
...sind die Spitzenverdiener unter den IT-Fachkräften ohne Personalverantwortung. Sie kommen im Schnitt auf 74.170 Euro im Jahr. Allerdings variiert auch ihr Gehalt in den einzelnen Branchen sehr stark.
Ingenieurbüros....
sind in der Regel kleine oder mottelständische Unternehmen und können auch IT-Projektleitern nur einen begrenzten Gehaltsspielraum bieten.
... können IT-Projektleiter...
...in Ingenieurbüros erwarten. Auch im Gesundheitswesen ( 58.420 Euro) müssen IT-Projektleiter kleine Brötchen backen.
...können IT-Projektleiter...
...im Einzelhandel erwarten und damit 18.000 Euro weniger als ihre Kollegen im Maschinenbau.
Auch der Internet- und Versandhandel...
...bietet IT-Projektleitern mit 67.140 Euro nur ein unterdurchschnittliches Gehalt. Auf ähnlichem Niveau bewegt sich das Einkommen von IT-Projektleitern im öffentlichen Dienst ( 63.650 Euro)
..können IT-Projektleiter...
...in Beratungshäusern erwarten.
...erhalten IT-Projektleiter...
.. in Banken und Versicherungen.
Ähnlich hoch vergütet die Maschinenbaubranche..
....IT-Projektleiter.
..erhält ein IT-Projektleiter...
...im Maschinenbau.
In Medienhäusern..
...haben Administratoren die geringsten Verdienstchancen.
..kann ein Administrator in der Medienbranche erwarten.
In Werbe- und PR-Agenturen...
...sieht es für Administratoren nicht besser aus.
...verdient ein Administrator in der Werbung.
Ähnlich begrenzt ist sein Einkommensspielraum in sozialen Einrichtungen ( 38.290 Euro).
Telekommunikationsunternehmen...
...bezahlen ihre Administratoren durchschnittlich...
...verdient ein Administrator...
...in einem TK-Unternehmen, was genau dem Branchendurchschnitt entspricht.
...erhält ein Administrator..
...in der Chemieindustrie, die auch andere IT-Fachkräfte überdurchschnittlich entlohnt.
Versicherungen und Banken,...
...hier im Bild die Finanzmetropole Frankfurt am Main, bezahlen ihre Systemadminitratoren mit Abstand am besten.
...verdient ein Systemadministrator in einer Bank.
System- und Netzwerkadministratoren...
...finden sich mit einem Durchschnittsgehalt von 43.150 Euro zusammen mit den Support-Mitarbeitern ( 39.840 Euro) am unteren Ende der Gehaltsskala wieder.

Was müssten die Arbeitgeber tun, um genügend qualifizierte Bewerber zu finden?

BRENKE: Unternehmen könnten Fachkräfte aus anderen Regionen anwerben, vorhandene Arbeitskräfte qualifizieren und deren Profil anpassen. Lange Zeit herrschte in der IT-Branche ein Jugendkult, in Folge dessen war Weiterbildung für ältere Mitarbeiter kein Thema. Wenn ich Fachkräfte rekrutiere, muss ich ihnen auch Möglichkeiten geben, sich weiterzubilden. Auch betriebliche Gesundheitspolitik ist für viele mittelständische Firmen immer noch ein Fremdwort. Wer seine Mitarbeiter länger halten will, muss ihnen das Gefühl geben, dass sie gebraucht werden. Sonst kündigen sie innerlich.

Wie beurteilen Sie den IT-Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren?

BRENKE: Die Entwicklung der IT-Branche und damit auch des Arbeitsmarktes hängt vor allem von der Konjunktur ab. Zieht die Konjunktur an, wie es aktuell der Fall ist, werden Fachkräfte gesucht, bricht sie ein, werden viele Mitarbeiter entlassen. Diese starke Zyklidität hat eine kurzfristige Personalplanung zur Folge. Eine mittelfristige Planung wäre aber besser, will ein Unternehmen genügend qualifizierte Mitarbeiter haben.

zahlen
39.000 offene IT-Stellen...
...zählt der Branchenverband Bitkom 2013 in der ITK- und in den Anwenderbranchen.
13.800 offene Stellen...
...haben Anbieter von Software und IT-Dienstleistungen.
15.000 neue Arbeitsplätze....
...sind voraussichtlich dieses Jahr in der ITK-Branche entstanden. Das sind 10.000 weniger als 2012.
Mit mehr als 52.000 Erstsemestern..
ist ein Rekord an Studienanfängern in der Informatik erreicht.
Informatik...
...ist nach Wirtschaftswissenschaften und Maschinenbau das Studienfach mit den meisten Studenten.
50 Prozent...
...beträgt die Quote der Studienabbrecher in Informatik.
17.000 Informatikabsolventen....
...verlassen 2013 die deutschen Hochschulen. Im Jahr 2000 waren es rund 5600 Informatikabsolventen.
22 Prozent der Informatikstudenten....
..sind Frauen. Vor 30 Jahren betrug der Anteil der Informatikstudentinnen 19 Prozent.
Erstmals über 40.000 Auszubildende...
...gibt es im Ausbildungsjahr 2013/2014 in den IT-Berufen.
Im September 2013 standen 14.050 Ausbildungsplatzbewerbern...
....12.532 gemeldete Stellen gegenüber. Das Verhältnis von 1,1 Bewerbern auf eine Ausbildungsstelle entspricht exakt dem Wert für den gesamten Ausbildungsmarkt in Deutschland.
Um 1,7 Prozent erhöhte...
..sich die Zahl der Ausbildungsverträge gegenüber dem Vorjahr. Verantwortlich dafür ist das starke Plus bei den Fachinformatikern, während die Zahl der Systemelektroniker zurückgingen.