Exzellente Grundausstattung

06.07.2001
Hinsichtlich der Sprachqualität ist die VoIP-Plattform von Innovaphone kaum zu schlagen. Sogar für den Anschluss von Telearbeitsplätzen über Modemverbindungen eignet sie sich sehr gut. Wer jedoch auf Extras Wert legt, wird enttäuscht sein.

Von: Carsten Rossenhövel, Dr. Klaus Plessner

Seit der Gründung im Jahr 1997 durch ehemalige Mitarbeiter der Hardware-Schmiede Diehl hat die Firma Innovaphone vorrangig die Entwicklung eines einzigen Produktes verfolgt, einer Kombination aus einem VoIP-Gateway und einem Gatekeeper. Statt ein Komplettsystem zu entwerfen, verfolgt das Unternehmen eine Strategie der offenen Standards und baut eine Plattform, die der Anwender mit Komponenten anderer Hersteller kombinieren kann. Zwar hat Innovaphone mittlerweile auch ein Telefon im Programm, das die Firma Tiptel liefert. PC-Client-Software und Server-Software muss der Kunde aber bislang bei anderen Herstellern kaufen. Innovaphone hat eine Liste von Produkten zusammengestellt, die zu den eigenen kompatibel sind.

Wir haben zwei Ausführungen der Anlage von Innovaphone getestet: "IP400" mit ISDN-Basisports und "IP3000" mit ISDN-Primär-multiplexanschlüssen. Auch die "IP200" genannten Tiptel-Telefone waren zum Test im Labor. Das IP400 ist ein im wahrsten Sinne des Wortes "kleines" System. Sein Metallgehäuse von der Größe einer Zigarrenkiste enthält drei ISDN-Anschlüsse und einen Ethernet-Port. Zwei der ISDN-Ports dienen für Sprachverbindungen, der dritte für Daten. Laut Hersteller kann das IP400 bis zu 250 VoIP-Endgeräte verwalten - diese müssten dann aber außergewöhnlich wenig nach außen telefonieren, denn die beiden Voice-Ports vertragen maximal vier Gespräche gleichzeitig. Ein Unternehmen kann das System erweitern, indem es in den einzelnen Abteilungen zusätzliche IP400-Geräte installiert oder auf die größere Variante IP3000 umsteigt. Dieses Gateway mit zwei S2M-Anschlüssen kann bis zu 60 ISDN-Telefongespräche vermitteln und nach Herstellerangaben 1500 Clients verwalten.

Schlichte Ausstattung

Beide Geräte arbeiten mit der gleichen Software "IP-PBX Release", die nicht nur als Gateway und Gatekeeper fungiert, sondern auch einen IP-Router stellt. Damit zielt die Lösung klar auf Home-Offices und kleine Unternehmen ab, die für die Daten- und Sprachübertragung nur ein Gerät einsetzen wollen. Weitere Funktionen, wie ein Anrufbeantworter, ein Voice-Mail-Server, eine IVR-Mailbox (Interactive Voice Response) oder Teamfunktionen, sind bisher weder in IP400 noch in IP3000 enthalten. Zwar gibt es eine Reihe von Voice-Mailbox-Systemen, die Innovaphone auf Interoperabilität hin geprüft hat, zum Beispiel "David" von Tobit. Diese sind jedoch nicht im Paket enthalten und müssen bei Bedarf zusätzlich gekauft werden. Dieses Defizit hat der Hersteller erkannt. In Zusammenarbeit mit der Firma Cycos will er eine Unified-Messaging-Lösung an seine Produkte anpassen und ab Herbst in einer Light-Version jeder IP400- und IP3000-Anlage beifügen. Gegen Aufpreis liefert Innovaphone auch die Vollversion: eine Politik "optionaler Elemente", mit der die Firma ihre Produkte in der Basisvariante recht günstig anbieten kann.

Zur Zuverlässigkeit seiner Systeme setzte sich der Hersteller ein hohes Ziel: 99,997 Prozent der Zeit soll ein Gesamtsystem künftig verfügbar sein. Derzeit liegt der Wert bei 99,0 Prozent. Innovaphone ist in diesem Punkt zuversichtlich, weil die gesamte Systemsoftware aus der eigenen Entwicklungsabteilung stammt. Der bei manchen Mitbewerbern übliche Fremdeinkauf von H.323-Protokollsoft-ware entfällt daher. Weitere Mechanismen wie ein Auto-Discovery der Gatekeeper ergänzen das Konzept.

Standardkonforme Technik

Eine Stärke der Innovaphone-Gateways betrifft eine Eigenschaft, die wir nicht getestet haben: Sie koppeln herkömmliche Telefonanlagen über IP-Netze. Damit können Anwender Standard-Q.SIG-Anlagen oder Siemens-Hicom-Systeme über das Intranet verbinden, ohne dass dabei Extrafunktionen auf der Strecke bleiben. Aus unserer Sicht interessante Anwendungen ergeben sich auch aus der Kombination des Signalisierungsprotokolls Q.SIG oder der Siemens-eigenen Variante "Cornet" mit H.450 (derzeit sind die Abschnitte 1, 2 und 4 implementiert): Beispielsweise wird ein von Siemens-Hicom-Anlagen signalisierter Rückrufwunsch damit korrekt in die Voice-over-IP-Welt übertragen.

Das Telefon "IP200" sprach uns wegen seines ergonomischen und unaufdringlichen, grazilen Designs an. Hier waren offenbar europäische Konstrukteure am Werk. Aus dem "Tiptel 195" abgeleitet, ist das Telefon mit kleinen, jedoch gut bedienbaren Tasten und einem überdurchschnittlich großen Display versehen. Die Menüsteuerung erfolgt über Softkeys, deren jeweilige Bedeutung im Display angezeigt wird. Das IP200 erfüllt fast alle Punkte unserer Featureliste: Verzögerungsfreie Wahl (overlap sending) und alle wesentlichen komprimierenden Codecs werden unterstützt und eine Freisprecheinrichtung ist ebenso enthalten wie ein 100-MBit/s-Ethernet-Hub. In der nächsten Hardwareversion will Innovaphone einen Fast-Ethernet- Switch einbauen.

Ergebnis: ISDN-Qualität

Die Innovaphone-Entwickler haben sich viel vorgenommen, nämlich ISDN-Qualität in Voice-over-IP-Netze zu bringen. Wie unsere Tests der Sprachqualität zeigen, haben sie ihr Ziel mit dem Gateway bereits erreicht. Die Analysen des Messgeräts "Tiqos.Voice" von Vierling lieferten MOS-Werte (Mean Opinion Score), die der ISDN-Qualität von 4,20 entsprechen. Auch die komprimierenden Codecs, von denen die Innovaphone-Gateways bis auf G.729 alle gängigen unterstützen, verhielten sich entsprechend den Erwartungen tadellos: Mit G.723 in der bandbreitensparenden 5,3-kBit/s-Variante konnte ein mobilfunkähnliches Ergebnis erzielt werden, während G.726 mit 32 kBit/s bereits ISDN-ähnliche Werte erzielte. Die schlechte Qualität der G.726-Variante mit 16 kBit/s ist den typischen Eigenschaften dieses veralteten Codecs zuzuschreiben.

Bei den Teleworking-Tests mit den IP200-Telefonen war ein deutliches Rauschen zu hören, das mit dem Einschalten des Lautsprechers aber schwächer wurde. Davon abgesehen blieben die Sprachverbindungen auch bei vorgetäuschten Paketverlusten stabil. Der so genannte "Jitter Puffer" zum Ausgleich von Laufzeitunterschieden leistete also gute Dienste. Denn selbst bei Paketverlusten von zehn Prozent traten fast keine Aussetzer auf.

Fazit

Innovaphone hat die Gateway/Gatekeeper-Kombinationen IP400 und IP3000 als "offene Systeme" konzipiert, die den relevanten Standards der Voice-over-IP-Welt H.323 und H.450 entsprechen. Im Test verhielt sich das Produkt vorbildlich und erzielte insbesondere hinsichtlich der Sprachqualität hervorragende Ergebnisse. Leider gibt der Hersteller dem Anwender bislang nur wenige Zusatzdienste mit; selbst einen Anrufbeantworter muss dieser von anderen Anbietern dazukaufen. Innovaphone verspricht jedoch baldige Besserung. Im Herbst soll eine Zusammenarbeit mit Cycos eine umfassendere Lösung hervorbringen.

Zur Person

Carsten Rossenhövel

ist im Vorstand der EANTC AG und leitet die Abteilung Research und Development.

Technische Daten

IP400/IP3000 von Innovaphone

Hersteller:

Innovaphone AG

Tel. 0 70 31/7 30 09-0

Fax 0 70 31/7 30 09-99

www.innovaphone.de

Preis: Komplettsystem für 500 Benutzer (277 000 Mark), bestehend aus einem IP3000-Gateway/Gatekeeper, 100 IP-Telefonen und 400 PC-Clients (von einem Dritthersteller, Durchschnittspreis: 300 Mark)

Technische Daten:

VoIP-Anlage aus Gatekeeper, Gateway und IP-Telefonen sowie Terminaladapter (ab 8/2001). PC-Clients sind nicht im Angebot; der Hersteller nennt aber eine Liste kompatibler Produkte anderer Anbieter.

Testergebnisse:

+ Standardkonforme, mit vielen Drittanbietern interoperable VoIP-Anlage

+ IP200-Telefon ergonomisch und gut verarbeitet; mit vielen Leistungsmerkmalen

+ Gateway mit exzellenter Sprachqualität

+ Zusammenarbeit mit Telefonanlagen (Q.Sig / Cornet-Protokolle)

+ Integrierter IP-Router im Gateway

- Bislang keine Zusatzdienste (Anrufbeantworter, Voice-Mail fehlt)

- Anlagen nicht modular, schlecht skalierbar

- Keine eigene PC-Client-Software im Angebot