Ethernet fürs Citynetz

12.10.2001
Der Reigen der Gremien, die sich mit Spezifikationen für Ethernet beschäftigt, ist um ein weiteres Mitglied angewachsen. Das "Metro Ethernet Forum", kurz MEF, will jedoch keine Normen erarbeiten, sondern vielmehr dazu beitragen, die ehemals im LAN beheimatete Technik in Citynetzen hoffähig zu machen.

Von: Bernd Reder

Es zeichnet sich immer klarer ab, dass Ethernet den Sprung über die Grenzen des lokalen Netzes geschafft hat und den Vormarsch in neue Gefilde angetreten hat, etwa den Zugangsbereich - Stichwort Ethernet in the First Mile (EFM) - oder das Metropolitan Area Network (MAN). Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der wachsenden Zahl von Gremien und Konsortien wider, die sich dem Thema "Highspeed-Ethernet" verschrieben haben (siehe Kasten). Speziell auf den Einsatz dieser Technik in Citynetzen konzentriert sich ein neuer Vertreter dieser Gattung: das "Metro Ethernet Forum" (MEF).

"Wir verstehen uns nicht als Konkurrenz zu etablierten Gruppierungen wie dem LAN/MAN Standards Committee des Institute of Electrical and Electronics Engineers oder der 10 Gigabit Ethernet Alliance", sagt Nan Chen, Direktor Produktmarketing bei der US-Firma Atrica und Präsident des MEF. Das Forum wolle vielmehr darauf hinarbeiten, dass Ethernet und darauf basierende Dienste in Metronetzen eine stärkere Verbreitung fänden. Die Grundlage dafür bilden optische Netze. Die Services sollen durchgängig, also "Ende zu Ende" zur Verfügung stehen.

Laut Nan Chen gibt es bislang keine allgemein verbindlichen Definitionen von End-to-End-Ethernet-Diensten. Jeder Serviceprovider verfolgt diesbezüglich seine eigenen Strategien und setzt "handgestrickte" Services auf.

Das Resultat der Arbeiten soll ein Referenzmodell für Metro-Ethernet sein, das technische Details inklusive Leistungswerte sowie Verfahren für das Netzwerk- und Servicemanagement enthält. Zusätzlich will das MEF Verfahren entwickeln, mit deren Hilfe sich prüfen lässt, ob die Dienste unterschiedlicher Anbieter interoperabel sind.

Referenzmodell für Metro-Ethernet-Dienste geplant

Zu den Ethernet-Diensten, welche das Metro Ethernet Forum im Auge hat, zählen unter anderem Services, die im LAN-Umfeld angesiedelt sind: Virtuelle LANs, lokale Netze über MPLS (Multiprotocol Label Switching) oder LAN over IP. Weitere Felder sind die Leitungsemulierung oder Services, die eine bestimmte Dienstgüte (Quality of Service) benötigen, etwa die Übermittlung von Sprache und Videos über paketorientierte Netze.

Auf der Transportebene will sich das Forum mit Themen wie Long Reach Gigabit Ethernet, Link-Aggregation und Wellenlängen-Multiplexen beschäftigen. Hinzu kommt MPLS. Auf der Ebene Netzmanagement sollen Spezifikationen für das Isolieren von Fehlern, etwa Loopbacks, und die Leistungsüberwachung erarbeitet werden.

Die aufgeführten Punkte lassen vermuten, dass die Organisation sich sehr wohl auch auf das "technische" Parkett begeben wird. Dafür spricht auch die Aussage, man wolle "neue Standardisierungsvorschläge prüfen" und den zuständigen Gremien die Einschätzung des Forums mitteilen.

Daten- und Sprachdienste über 10-Gigabit-Ethernet

Dass sich mittlerweile mehrere Industriekonsortien und Normierungsgremien mit dem Thema "Ethernet im Metropolitan Area Network" beschäftigen, ist nicht verwunderlich. Zum einen ist davon auszugehen, dass speziell in Citynetzen datenorientierte Anwendungen im Vergleich zur Übermittlung von Sprache an Boden gewinnen werden. Dabei handelt es sich nicht nur um die häufig als "Killerapplikation" titulierte Übermittlung von Sprache über IP-Netze (Voice over IP). Vielmehr werden, zumindest nach Einschätzung von City-Carriern, Anwendungen an Bedeutung gewinnen wie die Kopplung von Speichersystemen und Storage Area Networks an unterschiedlichen Unternehmensstandorten, oder die Vernetzung von Rechenzentren und Serverfarmen über Citynetze.

Mit 10-Gigabit-Ethernet wird ab dem Frühjahr 2002 eine Technik zur Verfügung stehen, die auf diese Applikationen zugeschnitten ist. Ein Vorteil von 10GE ist, dass es sich direkt mit OC-192-SDH-Ringen (Synchrone Digitale Hierarchie) verbinden lässt, sodass durchgängige "End-to-End"-Ethernetverbindungen über SDH möglich sind. Dem Marktforschungsunternehmen IGI Group zufolge werden 2003 in City- und Weitverkehrsnetzen 10GE-Komponenten im Wert von 1,8 Milliarden Dollar installiert; 2004 sollen es bereits Systeme im Wert von 3,6 Milliarden Dollar sein.

In einem Strategiepapier zum Thema 10-Gigabit-Ethernet hat Cisco Systems Einsatzszenarien von 10GE im MAN-Bereich beschrieben. Das Unternehmen erwartet, dass die neue Ethernet-Variante vor allem in Verbindung mit Dense Wavelength Division Multiplexing (DWDM) über Dark-Fibre-Verbindungen zum Zuge kommt. Dark Fibres sind quasi "nackte" SingleMode-Lichtwellenleiter ohne Terminierung, die Carrier und Service- provider ihren Kunden zur Nutzung anbieten. Dabei sind Distanzen von bis zu 100 Kilometern vorgesehen. Zu den Vorteilen von 10GE im Citynetz zählt laut Cisco, dass eine solche Struktur nicht so komplex ist wie ein Netz auf Basis von SDH und ATM. Hinzu komme, dass die Datenrate mit 10 GBit/s höher sei als OC-3 (155 MBit/s) oder OC-12 (622 MBit/s).

In den USA etablieren sich bereits Citynetz-Carrier, die ganz auf SDH verzichten und ausschließlich auf eine paketorientierte Infrastruktur auf Grundlage von Gigabit-Ethernet setzen. Ein Beispiel dafür ist Yipes. Allerdings haben diese Firmen damit zu kämpfen, dass sie nicht - wie traditionelle Serviceprovider - eine Verfügbarkeit des Netzes und der Dienste von 99,999 Prozent garantieren können.

Ein weiterer Faktor ist die installierte Basis von SDH- und ATM-Systemen. Diese Investitionen einfach "wegzuwerfen", dürfte den Carriern schwer fallen, vor allem angesichts der derzeitigen Konjunkturdelle und des harten Konkurrenzkampfes unter den Anbietern.

Das Metro Ethernet Forum geht daher davon aus, dass neue und klassische Verfahren im Citynetz Verwendung finden: "Ethernet lässt sich im MAN flexibel einsetzen", sagt Nan Chen, "etwa um Daten über SDH-Strukturen oder um TDM-Vekehr (Time Division Multiplexing) über Ethernet zu transportieren. Wir erwarten, dass beide Technologien koexistieren werden."