eServer p5: IBMs neue Unix-Maschinen

13.07.2004 von Jörg Luther
Zwei Jahre Arbeit und 500 Millionen Dollar hat IBM in die Entwicklung seiner neuen p5-eServer gesteckt. Schnelle Power5-CPUs und Mainframe-Features wie Mikro-Partitionierung sollen die Midrange-Systeme attraktiv machen.

Totgesagte leben bekanntlich länger. Das gilt nicht zuletzt auch für Unix im klassischen Unternehmenseinsatz. In einem kürzlich veröffentlichten Report für das erste Quartal 2004 nennen die Marktforscher von IDC IBM als den Hersteller, der von allen großen Unix-Anbietern die höchsten Zuwächse aufweist - im achten Quartal in Folge. Allein im Vergleich zum Vorjahr hat IBM seinen Marktanteil um 15 Prozent gesteigert.

Diese Position versucht Big Blue jetzt mit einer neuen Generation seiner eServer pSeries auszubauen. Mit schnellen Power5-CPUs und Mainframe-Features bei Ausfallsicherheit und Skalierbarkeit sollen die Systeme ein bis zu 40 Prozent besseres Preis-Leistungs-Verhältnis bieten als die p690 mit ihren Power4-Prozessoren. Den Unternehmen verspricht IBM eine optimale Auslastung des Systems und Verteilung der zur Verfügung stehenden Rechenleistung. Die soll die Flexibilität erhöhen und die IT-Kosten senken. Dabei bleiben die p5-Systeme komplett kompatibel zur bestehenden pSeries-Generation.

Die neuen eServer-p5-Modelle sind mit bis zu 16 Power5-Prozessoren ausgestattet, in den nächsten Monaten will IBM auch noch wesentlich größere Systeme zur Verfügung stellen. Die neuen Rechner gehören zu den leistungsstärksten und am besten skalierbaren Unix-Systemen, so der Hersteller. Mit nur einem Viertel der Prozessoranzahl sollen sie laut IBM ähnlich schnell sein wie die Produkte der Konkurrenz.

So erreicht ein p5-570 mit 16 Prozessoren im TPC-C Benchmark einen Wert von 809.114 tpm/C. Lediglich HPs Superdome mit 64 Itanium-2-CPUs und IBMs p690 mit 32 Power4+-CPUs liegen mit rund 1.000.000 tpm/C in der offiziellen TPC-Rangliste noch über dem p5-570 - allerdings zu deutlich höheren Kosten pro Transaktion. In den Wochen vor dem eServer-p5-Launch am 13. Juli 2004 sollen die neuen Server zudem bereits Benchmark-Rekorde für Filesharing, Java-Performance und Unternehmensanwendungen wie ERP gebrochen haben. Die offiziellen Zahlen finden Sie bei Interesse auf der p5-Benchmark-Website von IBM.

Die neuen Modelle

Als Herz der eServer-p5-Rechner fungiert der neue Power5-Mikroprozessor. Mit mehr als 276 Millionen Transistoren pro CPU, seiner 0,13-Mikron-Technologie, Kupferverbindungen und SOI-Technologie (Silicon-on-Insulator) verbindet der Power5 hohe Geschwindigkeit und Integrationsdichte. Die CPUs beinhalten nicht nur mehrere Prozessorkerne, sondern jetzt auch Memory Controller und Cache, die bislang noch nicht im Chip integriert waren.

Im ersten Schritt stellte IBM am 13. Juli 2004 drei Systeme vor, die auf die Anforderungen kleiner und mittlerer Unternehmen zugeschnitten sind. Alle laufen sowohl unter AIX 5L als auch unter Linux und sind weltweit ab 31. August über IBM Global Services und die IBM-Business-Partner erhältlich.

Das als Deskside oder Rack-Server ausgelieferte Einstiegssystem p5-520 ist ein 2-Wege-Rechner mit 1,65-GHz-Power5-Prozessoren und bis zu 32 GByte Speicher. Der ebenfalls als Deskside oder Rack-System verfügbare p5-550 bringt vier 1,65-GHz-CPUs und maximal 64 GByte Hauptspeicher mit.

In den Midrange-Bereich fällt der in Schritten zu je vier CPUs zum 16-Wege-System skalierbare p5-570 mit schnellen 1,9-GHz-Prozessoren und bis zu 512 GByte Arbeitsspeicher. Neben AIX5L und Linux steht als Betriebssystem auch i5/OS zur Auswahl, die neueste Generation des bewährten OS/400. Der p5-570 eignet sich auch ideal für wissenschaftliche Anwendungen: Im Linpack-HPC-Benchmark stellte ein p5-570 einen neuen Rekord für die schnellste 4-, 8- und 16-Wege-Non-Vector-Performance auf (27,52/53,8/103,1 Gigaflop/s). Für kostenkritische Anwendungen offeriert IBM eine Express-Version des p5-570 mit 1,5-GHz-CPUs und maximal 256 GByte Speicher.

Die Virtualization Engine

Heutige Unix-Systeme sind oft lediglich zu zehn bis 15 Prozent ausgelastet - eine aus Sicht der Effizienz und Wirtschaftlichkeit nicht akzeptable Quote. Ein entsprechend großes Interesse besteht an Systemen und Verfahren, mit denen sich eine bessere Ausnutzung der teuren Ressourcen erzielen lässt. Dem trägt IBM bei den neuen p5-Systemen mit der so genannten Virtualization Engine Rechnung.

Als erste Unix-Server bieten die neuen pSeries-Maschinen die Möglichkeit, auf jedem Prozessor bis zu zehn dynamische logische Partitionen (LPARs, Logical Partitions) zu betreiben. Die dazu notwendigen logischen Partitionen konfiguriert das System bei Bedarf innerhalb weniger als einer Sekunde automatisch neu. Auf diesem Weg lassen sich je Prozessor maximal zehn "virtuelle Server" betreiben. Deren Ressourcenverteilung kann der Anwender bis auf eine Hunderstel "CPU" genau zuordnen.

Dadurch können p5-Server mehrere unabhängige Workloads konsolidieren und lassen sich in einer virtuellen Server-Farm einfach verwalten. Als Betriebssystem für die virtuellen Maschinen kommen IBMs AIX5L 5.2/5.3 oder Linux (RedHat, SuSE) in Frage. Die Virtualization Engine ermöglicht dabei einen einheitlichen Zugriff auf die verschiedensten System- und Workload-Management-Funktionen. So verteilt beispielsweise ein Partition Load Manager automatisch die verfügbaren Ressourcen gemäß einer vom Anwender vorgegebenen Priorisierung an die LPARs.

Betriebssystem-Vielfalt

Als Betriebssysteme für die p5-Server stehen AIX 5L 5.2, AIX 5L 5.3 sowie RedHat Enterprise Server 3 beziehungsweise Suse Linux Enterprise Server 9 für Power-Prozessoren zur Auswahl. Zusätzlich lässt sich auch das iSeries-Betriebssystem i5/OS auf dem Modell 570 fahren. Dabei erfolgt der Betrieb bei Bedarf parallel in separaten dynamischen Partitionen.

IBMs Vorzugskandidat ist das neue AIX 5l 5.3. Zum einen bietet es über den Betrieb in dynamischen Partitionen den Anwendern der Vorgängerversion AIX 5L 5.2 eine besonders einfache Migration. Zum anderen enthält es einige bislang eher für Mainframes typische Charakteristika hinsichtlich der Verfügbarkeit, Skalierbarkeit und Ausfallsicherheit.

So zählen zu den Features von AIX 5L 5.3 unter anderem die Mikro-Partitionierung samt der dynamischen Zuweisung von Prozessor- und Memory-Ressourcen. Auch die automatische Einteilung und Umverteilung von Ressourcen über verschiedene Betriebssysteme in eine logische Partition kann die neue AIX-Version erledigen.

Daneben beherrscht AIX 5L 5.3, ähnlich wie z/VM auf dem Mainframe, Virtual I/O und die Konfiguration eines systeminternen, virtuellen Netzwerks zwischen den "Servern" in den LPARs. In das virtuelle Netz kann es auch die Linux-Partitionen einbinden, denen eine vergleichbare Fähigkeit bislang fehlt.

Kompatible Software

Das neue AIX 5L offeriert zudem eine weiterentwickelte Sicherheitsautomation. Dadurch können Unternehmen für Zugangskontrollen, Directory-Infrastrukturen, Sicherheitsrichtlinien oder Compliance- und Risk-Management auf bestehende Lösungen, beispielsweise von Tivoli, zurückgreifen. Die entsprechenden Komponenten sind teilweise bereits vorinstalliert, andere stehen bei IBM zum Download bereit.

Bereits auf pSeries-Maschinen laufende Software lässt sich laut IBM ohne Probleme in entsprechenden dynamischen Partitionen weiter betreiben. Dies gilt beispielsweise für SAP, das bislang zwar für AIX 5L 5.2, nicht jedoch für AIX 5.3 zertifiziert ist. Zusätzlich bietet IBM ein breites Angebot an Software für die p5-Architektur an. Dazu zählen unter anderem Klassiker wie WebSphere oder DB2 Information Management.

Daneben arbeitet IBM mit mehr als 1000 unabhängigen Software-Häusern (ISVs, Independent Software Vendors) zusammen, die zusätzliche Unix- und Linux-Software für die p5-Systeme liefern können. Ein Mangel an Anbietern ist hier nicht zu befürchten - die Anzahl der ISVs hat sich seit 2001 verzehnfacht.

Anwendungsbeispiele

Die US-amerikanische Penn State University, bereits ein langjähriger Anwender der IBM pSeries, hat ein neues Entry-Level-System p5-520 mit AIX5L 5.3 geordert, um sein Web-Angebot und den E-Mail-Support für die täglich rund 110.000 User aus 24 Universitätsbereichen zu verbessern.

"Wir freuen uns, dass wir Vorteile wie Partitionierung und Virtualisierung auf den neuen p5-Servern nutzen können. Dadurch können wir flexibel mehrere Anwendungen auf einer Umgebung laufen lassen" begründet Steven Kellog, Direktor der Advanced Information Technologies an der Penn State Universität, die Neuanschaffung. "Mit dem Power5-Prozessor als Herzstück wollen wir eine Infrastruktur schaffen, die den Zugriff auf die wachsende Zahl von Anwendungen bei Studenten, Fakultäten und Angestellten voll unterstützt."

Zu den Nutzern im kommerziellen Bereich zählt die Whirlpool Corporation, ein Anbieter im Markt für Haushaltsgeräte. Das Unternehmen vermarktet unter anderem die Marken Whirlpool, KitchenAid, Brastemp, Bauknecht und Consul in mehr als 170 Ländern und bringt es bei rund 68.000 Mitarbeitern auf einen Jahresumsatz von 12 Milliarden US-Dollar.

"Wir legen Wert auf eine verlässliche und skalierbare Plattform, die es uns ermöglicht, unsere Anwendungen nahtlos auszubauen, sodass wir uns ganz auf unsere Kunden konzentrieren können und als Unternehmen wachsen", erläutert Robert Gamso, Senior Principal Systems Architect bei der Whirlpool Corporation, die Anforderungen. "Mit Hilfe des p5-Systems können wir im Unix-Bereich die Möglichkeiten der Virtualisierung voll ausschöpfen, wir werden dabei mehrere Anwendungen in der Produktion und auf Test-Systemen laufen lassen. Dadurch senken sich unsere Produktionskosten drastisch."

Fazit

Mit den neuen Systemen der eServer p5-Serie demonstriert IBM überzeugend, wie sich klassische Midrange- und Unix-Technik durch Kombination mit innovativen Technologien erfolgreich für heutige Unternehmensumgebungen anpassen und optimieren lässt. Zumindest IBMs pSeries scheinen also in nächster Zeit nicht vom Aussterben bedroht zu sein.

"IBM stellt heute eine neue Unix-Generation vor, die von extrem hoher Effizienz und Flexibilität geprägt ist. Mit der entsprechenden Hardware bietet sie eine wesentliche Performance-Steigerung und spart Betriebskosten", fasst Francis Kuhlen, Vice President Systems Sales von IBM, die Position von Big Blue zusammen. "Wir haben stark in neue Technologien wie Power5 und die Mikro-Partitionierung investiert und unsere Erfahrung aus 40 Jahren Mainframe genutzt. Unsere neuen eServer-p5-Systeme bedeuten eine drastische Verbesserung der Technologie und Wirtschaftlichkeit von Unix-Rechnern. Damit können Unternehmen schneller auf Marktanforderungen reagieren. Wir erwarten, dass mit den Systemen eine Vielzahl neuer On-demand-Anwendungen entwickelt wird."

Als weitere Ausbaustufen der eServer-p5-Familie sind für die nähere Zukunft Systeme mit maximal 64 CPUs zu erwarten. Zum einen unterstützt AIX derzeit maximal 128 Prozessoren. Auf Grund der Simultaneous-Multithreading-Architektur der Power5-CPUs, die ähnlich wie bei Intels Hyper-Threading dem Betriebssystem je physischer Einheit zwei logische Prozessoren vorgaukelt, erreichen p5-Systeme schon mit 64 CPUs diese Schallmauer.

Zum anderen sieht IBM derzeit schon bei 64-Wege-Maschinen nur noch einen relativ schmalen Markt, in dem vor allem Rechenzentren und IT-Dienstleister zu bedienen sind. Für massivere Systeme besteht nach Einschätzung von Big Blue vorerst schlichtweg kein Bedarf. (jlu)