Das papierlose Büro

Es wird immer noch genug gedruckt

02.08.2015
Auch wenn das papierlose Büro in absehbarer Zeit eine Utopie bleiben wird, bieten papierarme Strategien viele Vorteile. Dies führt auch zum Umdenken bei Drucker- und Kopiererherstellern.

Die Vorteile digitaler Dokumente liegen auf der Hand: Sie lassen sich platzsparend archiviert werden, sind leicht durchsuch- und auffindbar, können einfach und kostengünstig versendet werden und schonen natürliche Ressourcen. Trotzdem geht der Papierverbrauch im Büro nicht nennenswert zurück, wie zahlreiche Untersuchungen zeigen.

Ch''Die meisten Betriebe drucken inzwischen mehr und häufiger als zuvor'', Christoph Losemann, Product Manager bei Canon
Foto: Canon

In der vom Marktforschungs- und Consulting-Unternehmen in Zusammenarbeit mit Brother aktuell durchgeführten "Smart Worker Umfrage" gaben sogar 37 Prozent der IT-Entscheider an, dass in ihrem Unternehmen mehr als vor zwei Jahren gedruckt wird, nur 22 Prozent sind der Meinung, dass bei ihnen nun weniger gedruckt wird. Ein etwas anderes Bild zeigt eine internationale Internet-Umfrage der Association for Information and Image Management (AIIM): 34 Prozent gaben an, dass der Papierverbrauch in ihrem Unternehmen konstant bleibt. 44 Prozent berichten von einem mehr oder weniger starken Rückgang und nur 21 Prozent verzeichnen eine Zunahme. "Eine Befragung europäischer Unternehmen im Rahmen einer Canon-Studie ergab, dass die meisten Betriebe inzwischen sogar mehr und häufiger drucken als zuvor", wirft Christoph Losemann, Product Manager bei Canon ein. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen.

Experten glauben nicht an Arbeitsplatz ohne Papier

''Wo mehr Informationen bereit stehen, werden diese zu Papier gebracht werden'', Norbert Höpfner, Head of Printing Solutions bei Samsung
Foto: Samsung

So glauben die Drucker- und Scanner-Hersteller nicht an einen rapiden Rückgang gedruckter Dokumente: "Hätte man den Prognosen der Vergangenheit Glauben geschenkt, hätten wir heute schon das papierlose Büro. Doch davon sind wir weit entfernt", konstatiert Klaus Timm, Channel Manager bei Kodak Alaris. "Viele Geschäftsprozesse werden mittlerweile weitgehend digital abgewickelt, der weltweite Verbrauch grafischer Papiere scheint sich davon weitgehend unabhängig auf hohem Niveau zu stabilisieren", ergänzt Klaus Schulz, Manager Product Marketing EMEA bei der Fujitsu-Scanner-Tochter PFU. Norbert Höpfner, Head of Printing Solutions bei Samsung sieht den Grund vor allem in der weiter ansteigenden Informationsflut: "Wo mehr Informationen bereit stehen, werden diese auch oft zu Papier gebracht werden", meint er. So hätten diese Entwicklungen das Potenzial, sich gegenseitig zu kompensieren.

''Der Markt entwickelt sich von reinen Output mehr in Richtung Input'', Bernd Austinat, Senior Abteilungsleiter Produkt Marketing bei Kyocera Document Solutions
Foto: Kyocera

Kyocera ist dieser Frage 2011 in einer eigenen Untersuchung zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation nachgegangen. "Im Rahmen der Studie haben wir Anwender und Experten befragt, ob sie sich ein papierloses Büro in den kommenden Jahren vorstellen können", erläutert Bernd Austinat, Senior Abteilungsleiter Produkt Marketing bei Kyocera Document Solutions. Nur jeder vierte Experte glaube an einen Arbeitsplatz ohne Papier, so das Ergebnis.

Druckvolumen bleibt konstant

Die Protagonisten sind sich aber einig, dass das Druckvolumen mittel- und langfristig nicht mehr steigen wird. "Wir erwarten vor allem gesellschaftsbedingt einen, wenn auch geringfügigen aber doch kontinuierlichen Rückgang", schätzt Michael Wesse, Sales Director Channel Services & Solutions bei Xerox. "In der Summe bleibt der Papierverbrauch stabil", prognostiziert Heiko Thomsen, Senior Manager Product Marketing bei OKI, und dies werde auch so bleiben. Jörg-Stefan Schmitt, Leiter der Unternehmenskommunikation bei Brother, will sich nicht festlegen: "Die Frage kann nur eine Wahrsagerin auf dem Rummel seriös beantworten", glaubt er. Das Druckvolumen hänge von mehreren Faktoren ab. "2009/2010 hieß es auch schon mal, dass das papierlose Büro Einzug gehalten hatte. Es stellte sich aber heraus, dass es an der schwächelnden Konjunktur lag und das Druckvolumen mit dem Wirtschaftswachstum wieder anzog", erläutert der Brother-Manager.

''Die Druckerinfrastruktur rückt immer näher in Richtung IT-Infrastruktur'', Michael Wesse, Sales Director Channel Services & Solutions bei Xerox
Foto: Xerox

Auch Schahin Elahinija, Leiter Marketing bei Epson rechnet nicht mit einem großen Rückgang im Business-Umfeld: "Wir sehen trotz des verstärkten Einsatzes von Smartphones und Tablet-PCs in Unternehmen aktuell keine Entwicklung, die dies in absehbarer Zeit ändern wird".

''Lieber ein zufriedener Kunde der wenig druckt, als gar kein Kunde'', Jörg-Stefan Schmitt, Leiter Unternehmenskommunikation bei Brother
Foto: Brother

So verfallen die Druckerhersteller nicht in Panik. Trotzdem arbeiten sie an Strategien, die sich auf einen veränderten Umgang mit Dokumenten einstellen. "Wenn das Druckvolumen sinken sollte oder auch nur stagniert, dann bedeutet dies, dass ein Hersteller nur auf Kosten eines anderen wachsen kann", folgert Jörg-Stefan Schmitt von Brother. Dadurch werde der Wind sicher rauer.

Strategien für den stagnierenden Markt

Mit dem Slogan "Weniger drucken - mehr sparen" hatte Lexmark für einige Diskussion in der Branche gesorgt, denn eigentlich sollte ein Druckerhersteller ja daran interessiert sein, dass sein Kunden möglichst viel drucken. Für Michael Lang, Director Channel DACH bei Lexmark, ist dies aber kein Widerspruch: "Wir sind schon lange kein reiner Druckerhersteller mehr", gibt er zu Protokoll. Seit 2010 habe Lexmark 14 Software-Unternehmen aus dem Bereich Capture-, Content- und Process Management zugekauft. "Als Lösungsanbieter sind wir optimal für zukünftige Entwicklungen hinsichtlich der zunehmenden Digitalisierung aufgestellt, unabhängig davon, wie sich das Druckvolumen weiter entwickelt", glaubt Lang.

''Wir sind schon lange kein reiner Druckerhersteller mehr'', Michael Lang, Director Channel DACH bei Lexmark
Foto: Lexmark

Ähnlich sieht man das bei Canon: "Wir haben uns inzwischen erfolgreich als Lösungsanbieter positioniert und bieten nicht nur Drucksysteme, sondern ein umfassendes Portfolio von Lösungen und Dienstleistungen an", erklärt Canon-Produktspezialist Losemann. Dabei setzt der japanische Konzern auch auf ein breites Portfolio, von eigenen Software- Entwicklungen über Dokumentenscanner bis zu Drucksystemen in allen Größenordnungen. "Als Anbieter sind wir nur erfolgreich, wenn wir unseren Kunden helfen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen", weiß Losemann.

Hewlett-Packard setzt ebenfalls auf die entsprechende Produktpalette: "Wir stellen unterschiedlichste Drucker jeder Größe und für alle Druckvolumina und Anforderungsprofile her", sagt Stephan Batteux, Business Development Manager bei Hewlett-Packard. Zudem biete man beispielsweise Tablets und Multifunktionsgeräte, die Kunden dabei helfen, Dokumente zu digitalisieren. "Wir sehen darin keinen Widerspruch zu unseren Aktivitäten im Druckerbereich, sondern entsprechen vielmehr den Bedürfnissen unserer Kunden", betont er.

''Es wird in absehbarer Zukunft kein papierloses Büro geben'', Stephan Batteux, Business Development Manager bei Hewlett-Packard
Foto: Hewlett-Packard

Bei Xerox registriert man ebenfalls eine Verschiebung von der reinen Hardware-Bereitstellung hin zu dienstleistungsorientierten und ganzheitlichen Output-Management-Projekten. "Hardware ist mehr Mittel zum Zweck. Die Druckerinfrastruktur rückt immer näher in Richtung IT-Infrastruktur", beschreibt Michael Wesse. Daher schätze man die Bedeutung von Services als sehr hoch ein. "Dass sich der Markt von reinen Output mehr in Richtung Input entwickelt, beobachten wir seit einigen Jahren", bestätigt Kyocera-Manager Austinat. Daher positioniere man sich als ganzheitlicher Anbieter von Dokumentenmanagmentlösungen.

Seitenpreise sinken

Das stagnierende Druckvolumen und der damit verbundene Verdrängungswettbewerb wird noch dadurch verschärft, dass insgesamt die Preise für die gedruckte Seite sinken. Auf Seiten der Drucker- und Kopiererhersteller wurde in den letzten Jahren und wird immer noch mit großen Einsparpotenzialen durch Seitenpreiskonzepte und Managed Print Services geworben. "Die meisten Unternehmen kennen nach wie vor nicht die möglichen Einsparungen durch Verbesserung ihrer Technologien und Optimierung von Drucklösungen oder schöpfen diese nicht wirklich aus", weiß Heiko Thomsen von OKI. Hier wolle man ansetzen und den Kunden Wege aufzeigen, wie sie sinnvolles Drucken in ihrem Unternehmen zum Standard machen können. "Lieber ein zufriedener Kunde der wenig druckt, als gar kein Kunde", bringt es Brother-Sprecher Jörg-Stefan Schmitt auf den Punkt.

''In der Summe bleibt der Papierverbrauch stabil'', Heiko Thomsen, Senior Manager Product Marketing bei OKI
Foto: OKI

Als Strategie zur Papiervermeidung führen die Hersteller auch gerne den beidseitigen Druck ins Feld. "Die wahrscheinlich unmittelbarste und offensichtlichste Technik ist der Duplexdruck", bestätigt Samsung-Druckerchef Höpfner. Auch bei Xerox führt man diese Technik ins Feld: So könne beispielsweise beim regelbasierten Drucken "der Duplexdruck als Standard eingeführt werden", erklärt Michael Wesse.

Warum Druckerhersteller den Duplex-Druck lieben, liegt auf der Hand: Es wird zwar weniger Papier verbraucht, doch die Anzahl der bedruckten Seiten bleibt für den Hersteller gleich, der Kunde hat aber gespart - allerdings an einer anderen Stelle. Es leiden die Papiermühlen, die weniger Papier absetzen können.

Papier - eine Generationenfrage

Die Meinungen, ob es in naher oder ferner Zukunft das papierlose Büro geben wird, gehen bei den Experten auseinander. "Diese Frage kann eindeutig mit 'Ja' beatwortet werden. Es gibt das papierlose Büro bereits heute", ist sich Klaus Schulz von PFU sicher. Die technischen Voraussetzungen seien längst geschaffen. Für Britta von Oeynhausen vom Scanner-Spezialisten Avision liegt das papierlose Büro hingegen "noch in weiter Ferne". "Ein konsequenter digitaler Workflow würde zu einer Verringerung des Paierverbrauchs führen, bei dem ein Ausdruck nur noch eine Ausnahme bleiben würde", ist sich von Oeynhausen sicher. Dies erfordere aber eine "enorme Disziplin" der Mitarbeiter.

''Es gibt das papierlose Büro bereits heute'', Klaus Schulz, Manager Product Marketing EMEA bei PFU
Foto: PFU

Stephan Batteux von HP glaubt auch nicht an ein "absolut papierloses Büro". Es müsse auch weiterhin gedruckt werden, nicht zuletzt, um bei der Erstellung von Urkunden und Verträgen den gesetzlichen Bestimmungen zu genügen.

''Hätte man den Prognosen Glauben geschenkt, hätten wir heute schon das papierlose Büro'', Klaus Timm, Channel Manager bei Kodak Alaris
Foto: Kodak Alaris

Klaus Timm von Kodak Alaris sieht dies als eine Generationenfrage: "Die Digital Natives, also die Generation, die von Kindesbeinen an mit digitaler Technologie vertraut ist, wird das Papier nicht vermissen", prognostiziert er. "Einer zukünftigen Generation, die mit Smartphones und Tablet-PCs sowie elektronischer Signatur und Verschlüsselungstechnologie aufgewachsen ist, wird der völlige Verzicht auf Papierdokumente wahrscheinlich leichter fallen", pflichtet ihm Christoph Losemann von Canon bei.

''Die Vorteile des Papiers lassen sich nicht einfach ersetzen'', Schahin Elahinija, Leiter Marketing bei Epson
Foto: Epson

Für Epson-Marketing-Chef Schahin Elahinija hat das papierlose Büro jedoch "weiterhin einen Stammplatz unter den unsterblichen Utopien". Praktisch jede namhafte Firma, sowohl Software- als auch Hardware-Hersteller, habe bereits irgendwann Konzepte entwickelt, um diese Utopie zu verwirklichen. "Immer mit ernüchternden Resultaten", konstatiert er. Die Vorteile des Papiers ließen sich eben nicht einfach ersetzen.