Erster Test: ATI Radeon X1800, X1600 und X1300

05.10.2005
ATI schickt mit dem Radeon X1800 XT ein neues Flaggschiff in den Kampf um die Führungsposition im 3D-Grafikchipbereich. Zusätzlich stellt der Hersteller mit dem Radeon X1600 und X1300 die weiteren Mitglieder der Grafikchipfamilie vor.

Seit etwa drei Monaten beansprucht NVIDIA mit dem GeForce 7800 GTX die alleinige Führungsposition in punkto 3D-Grafikleistung. Doch mit einem völlig neu überarbeiteten Chipdesign kontert ATI nun mit dem Radeon X1800 XT, Codename R520. Der Grafikchiphersteller will nicht nur das 3D-Highend-Segment zurückgewinnen. Auch im Midrange- und Entry-Level-Bereich setzt ATI mit neuen Produkten aus der X1000-Familie den direkten Konkurrenten NVIDIA gehörig unter Druck.

Das wichtigste Novum der insgesamt drei neuen Radeon-Baureihen X1800, X1600 und X1300 ist die erstmalige Unterstützung des Shader Model 3.0 mit Dynamic Flow Control, 128-Bit-Floating-Point-Prozessing und High-Dynamik-Range-Support. Bisher musste sich ATI - anders als die NVIDIA-Konkurrenz - mit Shader Model 2.0 begnügen. Zusätzlich legt der Hersteller mit seiner neuen Grafikchiparchitektur besonderes Augenmerk auf die Effizienz und Skalierbarkeit der Architektur sowie auf verbesserte Bildqualität.

Im folgenden Artikel erläutern wir, mit welchen technischen Innovationen ATI seine aktuellen Grafik-CPUs ausgestattet hat und stellen die Unterschiede der einzelnen Grafikchipmodelle heraus. Außerdem zeigen wir anhand einiger ausgewählter Benchmarks die 3D-Performance der neuen Grafikchipgeneration.

Architektur: Radeon X1800 XT

Um die 3D-Leistung des Topmodells X1800 XT gegenüber dem Vorgänger Radeon 850 XT-PE zu erhöhen, integrierte ATI im Chip statt 16 parallelen Pixel-Pipelines vier parallele Quad-Pixel-Shader-Cores und zwei zusätzliche Vertex-Shader. Für die acht Vertex-Shader und vier Quad-Pixel-Shader-Pipelines musste der Hersteller die Transistoranzahl des Grafikboliden auf 320 Millionen aufstocken. Der Radeon X850 XT-PE gibt sich mit etwa 160 und der NVIDIA GeForce 7800 GTX mit zirka 302 Millionen Transistoren zufrieden. Allerdings arbeitet der NVIDIA-Grafikchip mit 24 Pixel-Pipelines und sechs Vertex-Shadern. Um diese hohe Anzahl an Schaltkreisen auf einem Chip kostengünstig unterzubringen, lässt ATI den X1800 XT im 90-Nanometer-low-k-Prozess vom taiwanischen Halbleiterhersteller TSMC fertigen. Auch die übrigen GPUs der neuen ATI-Familie werden in dieser Strukturbreite produziert. NVIDIAs Highend-Modell dagegen entsteht noch nach dem 110-Nanometer-Verfahren, ATIs Radeon X850 XT-PE im 130-Nanometer-Prozess.

ATIs Topmodell taktet den Core und Speicher mit 625 beziehungsweise 750 MHz. Der Vorgänger Radeon X850 XT-PE begnügt sich mit 540 und 590 MHz, NVIDIAs GeForce 7800 GTX mit 430 und 600 MHz. Laut ATI soll die elektrische Leistungsaufnahme des Neulings unter “Worst-Case-Bedingungen“ bei etwa 100 Watt liegen.

Nach Aussagen von ATI soll die völlig neue X1000-Grafikchiparchitektur deutlich effizienter arbeiten als die des Vorgängers. Im Idealfall sollen die Shader-Engines eine Auslastung von 95 Prozent erreichen. Dafür sorgt ein zentraler Ultra-Threading-Dispatch-Prozessor. Dieser kann mehrere Threads bearbeiten und zusammenführen sowie redundante Berechnungen vermeiden (Dynamic Branching). Zusätzlich soll eine ausgeklügelte Branch Execution Unit den Overhead bei Thread-Wechseln minimieren, da alle Threads im Cache gehalten werden.

Speicher-Interface der neuen Radeon-Generation

Neue Technologien nutzt ATI auch beim Speicher-Controller. Die Anbindung der Speicherchips an den Controller erfolgt erstmals über einen internen 2x 256 Bit breiten Ringbus. Dieser arbeitet mit GDDR3-Speicherchips und erreicht bei dem Radeon X1800 XT eine Bandbreite von maximal 48 GByte pro Sekunde (Basis 1000). Auch zukünftige Speichertechnologien wie GDDR4 soll er unterstützen können.

Das externe Speicher-Interface der X1000-Architektur bleibt wie bisher 256 Bit breit. Allerdings erfolgt der Datenaustausch zum internen Ringbus nicht mehr über vier 64-Bit-Kanäle (vier Bänke pro DRAM) sondern über acht 32 Bit breite Schnittstellen (acht Bänke pro DRAM). Die Ringbusstruktur soll höhere Taktraten des Speichers ermöglichen und die Zugriffszeiten signifikant verkürzen. Zusätzlich soll es das Layout von Grafik-Boards vereinfachen.

Einen weiteren Vorteil der Ringspeicherarchitektur bietet das neue Cache-Design. Es erhöht durch einen “Fully-Associative-Zugriff“ zwischen dem Grafikspeicher und den Grafikchip-Caches die Effizienz beim Datenaustausch. Darüber hinaus kann die programmierbare Arbitration-Logik den Datenfluss des Speicher-Controllers durch einfache Upgrades via Software weiter optimieren. Einen positiven Einfluss auf die Speicher-Performance haben auch die implementierten Funktionen wie priorisierte Memory Access Requests und ein Feedback-System im Memory-Controller.

Weitere Details

Zum Standard der ATI-Chips gehört die Funktion “High Dynamic Range Rendering“ (HDRR), die ein größeres Farbspektrum darstellen kann als bisher. So sind feinere Abstufungen bei Farbverläufen und realitätsnahe Überblendeffekte mehrerer Lichtquellen möglich.

Neben der bekannten temporalen Kantenglättung zählt zum Repertoire der neuen ATI-GPUs auch das Adaptive Kantenglättungsverfahren. Es kombiniert die Bildqualität von Supersampling mit der Geschwindigkeit von Multisampling und kann feine Strukturen wie beispielsweise einen Drahtzaun ohne treppenförmige Kanten auflösen.

Für eine physikalisch korrekte Abbildung von Lichtquellen sorgt die Funktion Volumetric Lighting. Dagegen ist die Technik Dynamic Soft Shadows für die entsprechende Darstellung von Schatteneffekten zuständig. Darüber hinaus integrierte ATI eine Echtzeit-Partikel-Engine, um die realitätsgetreue Simulation und Darstellung von Regen und Wasser zu ermöglichen.

Mit der Einführung der neuen Grafikchipfamilie bietet ATI zusätzlich die Avivo-Technologie, ähnlich NVIDIAs PureVideo. Diese enthält eine Reihe von Verfahren zur Beschleunigung von komprimierten Video-Streams und zur Verbesserung der Bildqualität.

Radeon-Modelle im Überblick

In der folgenden Tabelle geben wir einen Überblick über die technischen Unterschiede der neuen ATI-Grafikchips. Zusätzlich listen wir die empfohlenen Verkaufspreise für Grafikkarten mit den entsprechenden Chips auf.

Radeon-Grafikchip

X1800 Xt

X1800 XL

X1600 XT

X1600 PRO

X1300 PRO

X1300

X1300 HM

Chiptakt (MHz)

625

500

590

500

600

450

450

Speichertakt (MHz)

750

500

690

390

400

250

500

Pixel Shader

16

16

12

12

4

4

4

Vertex Shader

8

8

5

5

2

2

2

Textureinheiten

16

16

4

4

4

4

4

Speicherbusbreite (Bit)

256

256

128/256

64/128

64/128

32/64

32/64

Grafikspeicher (MByte)

256/512

256

128/256

128/256

128/256

128/256

128

Crossfire 2 Edition

Ja

ja

nein

nein

nein

nein

nein

zirka Kartenpreis (Euro)

500/550

450

200/250

150/200

150/130

100

80

Benchmark-Vorbetrachtung

Alle Grafikchips testen wir unter Windows XP inklusive SP1 und DirectX 9.0c. Wir verwenden aktuelle 3D-Benchmarks. Als Ansteuerung für die NVIDIA-GeForce- und bisherigen ATI-Karten kommen die zurzeit aktuellsten ForceWare- beziehungsweise Catalyst-Treiber zum Zuge. Für die neuen Grafikkarten von ATI verwenden wir den Catalyst-Treiber 5.10. Es handelt sich hierbei um einen Beta-Treiber, der noch nicht offiziell freigegeben wurde.

Die Benchmark-Ergebnisse der Grafikchips von NVIDIA sowie ATI stellen wir auf den folgenden Seiten grafisch gegenüber. Als Testsystem kommt ein MSI-Mainboard mit einem nForce4-SLI-Chipsatz von NVIDIA zum Einsatz. Bestückt ist das Board mit einem Athlon 64 X2 / 4800+ und mit 2x 1024 MByte DDR400-Speichermodulen der Firma Corsair.

Mehr Details, Benchmarks und spielebezogene Messungen finden Sie online und in der nächsten Ausgabe unserer Schwesterzeitschrift PC-Welt.

Half Life 2

Die Direct3D-Performance ermitteln wir unter anderem mit Half Life 2. Durch die umfangreichen 3D-Szenen bietet der Benchmark einen guten Anhaltspunkt für die Leistungsfähigkeit der Grafikchips bei anspruchsvollen 3D-Anwendungen.

Splinter Cell 3

Splinter Cell 3 ist ein DirectX9-Benchmark. Er bietet komplexe Licht- und Schatteneffekte sowie große Texturen. Besonders bei hohen Auflösungen und Farbtiefen wird die Hardware stark belastet. Das Spiel profitiert vor allem von der Performance der eingesetzten Grafik-Hardware.

Aus Gründen der Vergleichbarkeit haben wir die Tests mit aktivierter Shader-Model-1.1-Option durchgeführt. In einem Test mit Shader-Model-3.0-Unterstützung erreichte der Radeon X1800 XT einen Benchmark-Wert von 42,8 fps und der Konkurrent GeForce 7800 GTX 42,3 fps - also ein Unentschieden.

FarCry

FarCry von Crytek setzt ganz auf DirectX9. Dieses 3D-Spiel zeichnet sich durch komplexe Szenarien aus. Die Anforderungen an die Hardware und besonders an die Speicherbandbreite der Grafikkarten sind bei Auflösungen ab 1024 x 768 Punkten und mit maximalen Detaileinstellungen sehr hoch.

Fazit

Der Highend-Grafikchip X1800 XT von ATI kann in unserem Test in punkto 3D-Performance zurzeit noch nicht überall die hohen Erwartungen erfüllen. Er erreicht zum Beispiel beim grafikintensiven Spiel Half Life 2 nur ein Patt mit dem Konkurrenten GeForce 7800 GTX. Auch der Splinter-Cell-3-Benchmark mit aktivierter Shader-Model-3.0-Option sorgt nicht für den nötigen Leistungsschub, um die 3D-Performance der 24-Pixel-Pipelines des NVIDIA-Chips deutlich zu schlagen. Lediglich bei FarCry verhelfen die Quad-Shader- und die neue Ringspeicherarchitektur zusammen mit dem hohen Core- und Speichertakt dem Grafikchip zu deutlich mehr Performance.

Auch bei der Grafikqualität gibt es beim Radeon X1800 XT zurzeit noch kleine Mängel. Sie zeigen sich im Benchmark FarCry in Form von Texturfehlern. Da im Test noch Beta-Treiber zum Einsatz kamen, kann sich bei finalen Serientreibern die Performance und Grafikqualität zu Gunsten des X1800 XT noch verschieben. Das Potenzial dazu hat er.

Im Feature-Vergleich mit dem GeForce 7800 GTX hat ATI beim Radeon X1800 XT deutlich nachgelegt. Die ATI-Chiparchitektur unterstützt erstmals das Shader Model 3.0 und bietet darüber hinaus einige zukunftsweisende Features und Funktionen. Auch die übrigen neu vorgestellten ATI-Grafikchips wie X1600 und X1300 brauchen den Vergleich mit der Konkurrenz nicht zu scheuen.

Erste Grafikkarten mit dem Radeon X1800 XL, X1300 PRO und X1300 sollen laut ATI ab sofort verfügbar sein. Die weiteren Grafikchips wie X1800 XT, X1600 XT und X1600 PRO sollen auf entsprechenden Karten im November folgen. Für das Highend-Modell X1800 XT muss der Käufer zwischen 500 und 550 Euro bezahlen. Eine Grafikkarte mit dem X1300-Chip ist schon für etwa 80 Euro zu haben. (hal)