Keine Messe ohne unautorisierte Benchmarks - und diesmal traf es PR-Profi Intel. Doch der Halbleiter-Gigant ist selbst schuld. Fast schon wie auf der Computex in Taiwan, wo in Europa noch höchst geheime Chips öffentlich als Stand-Dekoration dienen, ist die CeBIT 2003 mit "Springdale" und "Canterwood" gepflastert. Der Grund: Intel hat die sonst rigide Informationspolitik in Zeiten der PC-Krise gelockert. Die Mainboard-Hersteller dürfen nun auch kommende Produkte ausstellen, müssen sich aber mit den technischen Daten bedeckt halten.
Insbesondere Speicher-Benchmarks sind Intel ein Dorn im Auge, gelten die neuen Chipsets doch in Kombination mit dem neuen 800-MHz-FSB des Pentium 4 als wahre Bandbreiten-Monster. Mit maximal 5,96 GByte/s für den FSB (200 MHz quad pumped) und zwei Mal 2,98 GByte/s für die beiden DDR400-Kanäle deckt sich endlich einmal wieder der FSB mit der theoretischen Leistung des SDRAM.
Damit sind die neuen Chipsets ideal für speicherhungrige Anwendungen geeignet. Intel will dem Vernehmen nach vor allem mit Canterwood nicht nur die ewig leistungshungrigen PC-Fans und Gamer ansprechen. Unbestätigten Informationen zufolge soll Canterwood auch den 850E und den teuren und nur wenig schnelleren E7205 ("Granite Bay") als Workstation-Chipsatz ablösen. Damit dürfte sich dann das Thema Rambus für Intel endgültig erledigt haben.
tecCHANNEL konnte auf der CeBIT erste Tests mit Canterwood, zwei DDR400-Modulen und dem Pentium 4 mit 3,00 GHz und FSB800 durchführen. Erwartungsgemäss sind die Speichertransfers beeindruckend.
Unterschiede Canterwood/Springdale
Wie auf der CeBIT gemunkelt wird, plant Intel einen Split der Produktlinien. Springdale ist der Nachfolger der 845-Linie und wird in den üblichen Variationen (mit und ohne Grafik und verschiedenen Southbridges) für den Profi- und den Consumer-Bereich erscheinen. Canterwood ist im Prinzip das gleiche Produkt - mit einer Geheimzutat, die unter dem Namen "Turbo Mode" durch die halboffiziellen Intel-Roadmaps geistert. Der Turbo Mode soll für noch schnellere Speichertransfers sorgen, und in der ersten Canterwood-Generation ganz gezielt Gamer ansprechen. Die brauchen nämlich immer mehr Leistung, da die ersten DirectX-9-Spiele vor der Tür stehen. Ausserdem griff diese Kundschaft bisher gern zur Kombination aus AMD-CPU und VIA-Chipsatz wegen deren hoher Speicherleistung.
Diese Abtrünnigen will Intel mit Canterwood bekehren - auch durch offiziell unterstützte Übertaktungs-Optionen, ist in Hannover zu hören. Erst wenn die experimentierfreudigen Gamer sich mit Canterwood zufrieden zeigen, soll aus dem Chipset auch ein Workstation-Produkt werden, behaupten einige Mainboard-Hersteller.
Dass die ganze Sache in der Tat noch nicht so recht funktioniert, belegen unsere Tests und ein Blick in die Plexiglas-PCs der CeBIT 2003: Nur teuerster DDR400-Speicher von Geil, Corsair und Kingston ist in den Demo-Systemen zu finden.
Das Testsystem
tecCHANNEL hatte am Rande der CeBIT Gelegenheit, ein Canterwood-System unter die Lupe zu nehmen. Es handelte sich um ein "Working Sample" eines Mainboard-Herstellers, das mit zwei Corsair-Modulen bestückt war. Damit das System stabil lief, mussten wir äußerst konservative Werte für das Speicher-Timing wählen.
Allerdings waren diese Module mit je 512 MByte auch recht üppig bestückt, so dass die Kinderkrankheiten durchaus an Problemen mit den Modulen liegen können. Von anderen Herstellern war zu hören, dass zwei Mal 256 MByte auch mit einer CAS-Latency von 2,0 stabil laufen. Intel wird, wie auch schon beim kritischen Rambus-Speicher mit effektiv 1066 MHz, sicherlich Kompatibilitäts-Listen ins Web stellen.
Die CPU lief wie erwartet: 200 MHz echte Taktfrequenz auf dem FSB ergeben "quad pumped" 800 MHz und mit Multiplikator 15 eben 3000 MHz. Prozessor-bedingte Abstürze konnten wir in einer Stunde Tests nicht ausmachen.
Als Grafikkarte kam ein Modell mit ATIs Radeon 9700 Pro mit 128 MByte DDR-Speicher und Treiber-Version 6.13.10.6218 zum Einsatz. Windows XP Professional diente als Betriebssystem, für das (auch von Intel empfohlene) Abschalten der Betriebssystem-Zutaten wie der erweiterten Darstellungs-Effekte blieb keine Zeit - doch Benchmarks wie tecMem und 3DMark interessiert das ohnehin wenig.
Mit dieser Bestückung ist das Testsystem wohl genau der PC, den viele sich im Sommer wünschen werden - aber was bringt der technische Overkill nun wirklich?
3DMark2001SE
Gerade im 3D-Bereich verlangt der Anwender immer mehr Rechenleistung. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die eingesetzten Komponenten optimal aufeinander abgestimmt sein. Dazu zählen Prozessor, Speicher, Grafikkarte und der verwendete Chipsatz. Da große Mengen an Daten anfallen, können das Speicher- oder Grafik-Interface schnell ihr Bandbreiten-Limit erreichen und das System empfindlich bremsen.
Die 3D-Performance ermitteln wir unter anderem mit 3DMark2001 Pro von Futuremark/MadOnion. Durch die umfangreichen 3D-Tests bietet der Benchmark einen guten Anhaltspunkt für die Leistungsfähigkeit der Prozessoren und der einzelnen Chipsätze bei anspruchsvollen 3D-Anwendungen. Unter anderem werden der AGP- und der Speicherbus durch große Mengen an Texturen stark belastet.
Wir haben sämtliche Tests mit und ohne per BIOS aktiviertem Hyper-Threading durchgeführt. Da es sich bei 3DMark2001SE um eine ältere Anwendung handelt, die nicht explizit für Multiprocessing entwickelt wurde, sind die Unterschiede marginal.
3DMark03
Der neue Benchmark von Futuremark unterstützt DirectX 9. Laut Futuremark bleiben betagtere Systeme mit CPUs unter 1 GHz (oder laut Hersteller auch unter 2500 Punkte in 3DMark 2001) und Grafikkarten älteren Datums außen vor. Durch die enorm großen Texturen sollte er von der Bandbreite des Canterwood profitieren. Da tecCHANNEL derzeit den umstrittenen neuen Benchmark noch evaluiert, müssen wir bis auf weiteres Vergleichswerte schuldig bleiben und bitten um Verständnis.
Speichertransfer
Der Intel Canterwood bietet theoretisch eine maximale Speicherbandbreite von 5,96 GByte/s. Der SiS SiS655-Chipsatz mit DDR333-SDRAM und Dual-Channel Memory Controller ermöglicht eine maximale Speicherbandbreite von 4,97 GByte/s. Damit sind beide Chipsets dem Intel E7205 (Granitebay) mit DDR266-SDRAM und dem i850E mit PC1066-RDRAM theoretisch überlegen. Diese Intel-Chipsätze erreichen einen errechneten Speicherdurchsatz von bestenfalls 3,97 GByte/s. Der i845E mit 1,99 GByte/s Speichertransferrate sollte - bei Verwendung von DDR266-SDRAM-Speicher - den SiS655, den E7205 und den i850E in punkto Performance nicht gefährden.
Soweit die Theorie. Die tatsächliche Speicher-Performance überprüfen wir mit unserem Benchmark tecMem. Er erlaubt eine getrennte Analyse von Load-, Store- und Move-Operationen. Hier zeigt sich, wie viel von der theoretischen Durchsatzsteigerung übrig bleibt. Eine detaillierte Beschreibung von tecMem sowie einen Download-Link zu unserer tecCHANNEL Benchmark Suite Pro finden Sie hier.
System | Load 32 [MByte/s] | Store 32 [MByte/s] | Move 32 [MByte/s] | Load 64 [MByte/s] | Store 64 [MByte/s] | Load 128 [MByte/s] | Store 128 [MByte/s] |
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Höhere Werte sind besser. Die Tests wurden mit einem Pentium 4 bei 3,06 GHz beziehungsweise 3,00 GHz (Canterwood) Taktfrequenz und unserem Benchmark-Programm tecMem unter Windows XP durchgeführt. | |||||||
Dual-Channel-Tests |
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Canterwood DDR400 | 2415 | 1282 | 1846 | 2962 | 2041 | 4092 | 2045 |
Intel E7205 DDR266 | 2409 | 818 | 873 | 2914 | 906 | 3557 | 908 |
SiS SiS655 DDR333 | 2080 | 1085 | 1218 | 2494 | 1303 | 3073 | 1304 |
SiS SiS655 DDR266 | 1812 | 892 | 974 | 2128 | 1002 | 2662 | 1003 |
Intel i850E PC1066 | 1993 | 906 | 948 | 2424 | 994 | 3012 | 995 |
Singl- Channel-Tests |
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Intel i845PE DDR333 | 2018 | 686 | 734 | 2282 | 789 | 2433 | 789 |
Intel E7205 DDR266 | 1760 | 556 | 566 | 1872 | 586 | 1960 | 585 |
Intel i845E DDR266 | 1768 | 603 | 627 | 1868 | 632 | 1957 | 632 |
Die exakte Hardware-Konfiguration der anderen Systeme können Sie diesem Artikel entnehmen.
32-Bit-Transfer
Die Cache- und Speicherperformance der Prozessoren überprüfen wir mit unserem Programm tecMem aus der tecCHANNEL Benchmark Suite Pro. tecMem misst die effektiv genutzte Speicherbandbreite zwischen der Load/Store-Unit der CPU und den unterschiedlichen Ebenen der Speicherhierarchie (L1-, L2-Cache und RAM). Die Ergebnisse erlauben eine getrennte Analyse von Load-, Store- und Move-Operationen.
Die exakte Hardware-Konfiguration der anderen Systeme können Sie diesem Artikel entnehmen.
64-Bit-Transfer
Hier testen wir mit tecMem die Performance mit den 64-Bit-Load und -Store-Kommandos aus dem MMX-Befehlsatz. Die Transferrate ist dabei schon deutlich höher als bei den 32-Bit-Kommandos, da die CPU mit jedem Befehl mehr Daten transferieren kann.
Die exakte Hardware-Konfiguration der anderen Systeme können Sie diesem Artikel entnehmen.
128-Bit-Transfer
Mit den 128-Bit-SSE-Befehlen lässt sich die maximale Cache- und Speicher-Performance ermitteln, die eine CPU erreichen kann.
Die exakte Hardware-Konfiguration der anderen Systeme können Sie diesem Artikel entnehmen.
Fazit
Mit diesen Ergebnissen erklärt sich, was manche Hersteller auf der CeBIT händereibend schmunzeln "Das wird ein Intel/Intel-Jahr!" Die schnellste CPU/Chipset-Kombination dürfte die angepeilte Zielgruppe in Scharen zurück in die offenen Arme von Intel treiben. Und auch die Mainboard-Hersteller und Händler freut's - viele neue Produkte sind zu verkaufen. Einzig die Speicherhersteller werden den Bedarf an stabilen DDR400-Modulen, den ein Intel-Produkt nun mal mit sich bringt, wohl kaum befriedigen können.
Wann das alles passiert, will Intel noch nicht sagen - vom zweiten Quartal ist für Springdale und Canterwood die Rede. Da die Mainboard-Hersteller mit ihren Geräten aber schon recht weit sind, dürfte der Marktstart schon bald erfolgen. (Nico Ernst/mec)