Website-Konzeption Teil 3

Ergänzende Maßnahmen zu Usability-Tests

02.03.2009 von Jens Jacobsen
Es gibt keine Alternative zu Usability-Tests bei der Entwicklung und Optimierung einer Website. Nur so erfahren Sie, wie die Benutzer tatsächlich mit Ihrer Site umgehen. Allerdings existieren zusätzlich Testverfahren und Methoden, die die Analysen sinnvoll ergänzen.

Im ersten Teil der Artikelserie zu Usability-Tests haben wir die Grundlagen für die Analyse der Benutzerführung einer Webseite behandelt. Teil zwei ist dann auf den konkreten Ablauf und die Auswertung eines Usability-Tests eingegangen. Mitunter bleiben dabei aber Fragen offen oder einige Teilaspekte können nicht befriedigend erklärt werden. Dann bieten sich ergänzende Maßnahmen an, die meist punktuelle Antworten liefern. Auf diese ergänzenden Tests geht dieser dritte Teil unserer Artikelserie ein.

Website-Konzeption – Erfolgreiche Websites planen und umsetzen

Dieser Beitrag basiert auf Kapitel 7 des Buchs „Website-Konzeption – Erfolgreiche Websites planen und umsetzen“ von Jens Jacobsen. Dieses Standardwerk für Web-Entwickler können Sie hier in unserem Partnerbuchshop Informit.de für 39,95 Euro versandkostenfrei bestellen.

Artikelserie

Website-Konzeption Teil 1: Grundlagen von Usability-Tests

Website-Konzeption Teil 2: Usability-Tests durchführen

Website-Konzeption Teil 3 Ergänzende Maßnahmen

Website-Konzeption Teil 4: Ergonomie- und Usability-Normen

Website-Konzeption Teil 5: Praxisbeispiele

Card Sorting

Mit dem sogenannten Card Sorting testet man die geplante Struktur (Informations- Architektur) einer Site oder ermittelt, welche Struktur sinnvoll wäre. Das heißt, diese Methode wird zu Beginn der Konzeptionsphase eingesetzt. Es gibt zwei Anwendungen des Card Sorting:

Begriffe einordnen

Dabei werden alle Begriffe für die vorgesehenen Inhalte der Website jeweils auf eine eigene Karteikarte geschrieben. Der Stapel wird gemischt und einem Benutzer bzw. einer kleinen Gruppe von Benutzern übergeben. Sie sollen die Karten in Kategorien gruppieren und für die Kategorien jeweils einen Überbegriff vorschlagen. Manchmal werden die Begriffe von den Benutzern jeweils auch mit einer Note für ihre Wichtigkeit versehen.

Wichtig ist bei dieser Anwendung des Card Sorting, keine Kategorienamen vorzusehen (wie „Über uns“ oder „Service“), denn damit wird bereits eine Struktur vorgegeben. Der Sinn der Übung ist aber, die Struktur zu finden, die den meisten Benutzern sinnvoll erscheint.

Struktur testen (Aufgaben stellen)

Eine andere Einsatzmöglichkeit ist, die bereits ausgearbeitete Struktur einer Site mit Karten nachzubilden. Jeder Menüeintrag kommt auf eine Karte, und alle Begriffe, die in einem gemeinsamen Untermenü sind, landen in einem Stapel, wobei der Oberbegriff ganz oben liegt (z.B. „Über uns“ ganz oben, darunter „Angebotspalette“, „Geschichte“, „Mitarbeiter“, „Kontakt“).

Einem Benutzer wird nun eine Aufgabe gestellt (z.B. „Finden Sie die Telefonnummer der Kundenbetreuung!“), und er muss aus den Kartenstapeln den Begriff heraussuchen, unter dem er auch auf der Website suchen würde.

Kurzanalyse, Heuristische Evaluation und Cognitive Walkthrough

Manchmal wird ein Usability-Experte mit der Kurzanalyse einer Site oder eines Konzepts beauftragt. Das nennt sich auch Usability Review. Der Experte beurteilt anhand seiner Erfahrung, wo Probleme bei der Bedienung der Site liegen könnten, und gibt Empfehlungen zur Verbesserung. Das ist schon mal nicht schlecht, doch kann die Kurzanalyse einen Test nicht ersetzen.

Etwas wissenschaftlicher ist die sogenannte heuristische Evaluation. Hierbei browsen meist mehrere Experten durch die zu testende Site und notieren alle potenziellen Usability- Probleme, die sie aufgrund ihrer Erfahrung auf der Site vermuten. Grundlage dafür sind die sogenannten Heuristiken, die Regeln, die die Experten für Sites mit guter Usability aufgestellt haben (z. B. als Checklisten). Schließlich besprechen die Experten gemeinsam ihre Ergebnisse und erstellen den Bericht. Laut Nielsen finden drei bis vier Experten etwa drei Viertel aller Probleme.

Bei dieser Technik versetzen sich die Experten in die Rolle der Benutzer und spielen verschiedene Aufgaben mit der Website durch. Dabei identifizieren sie die Stellen, von denen sie meinen, dass die Benutzer dort Probleme hätten.

Benutzerbefragungen

Benutzerbefragungen, vor allem von Angesicht zu Angesicht, sind ein hervorragendes Mittel, mehr davon zu erfahren, was die Menschen denken, die mit Ihrer Site umgehen. Gehen Sie aber nie davon aus, dass die Menschen auch tatsächlich das tun, was sie in einer Befragung angeben. Viele Studien belegen, dass sie oft das Gegenteil machen.

Ein Beispiel von einem der erfolgreichsten Internet-Händler der Welt: Amazon. Sein Gründer Jeff Bezos hat vor einiger Zeit das „1-Click“-Bestellen erfunden, um Produkte mit einem Mausklick zu ordern. In mehreren Kundenbefragungen kam heraus, dass die Benutzer dieses System nicht wollten. Amazon hat es dennoch eingeführt, weil Bezos das Gefühl hatte, dass es angenommen werden würde. Und er hatte Recht. Es hat den Absatz auf der Site weiter gesteigert, inzwischen haben andere Sites das Prinzip unter anderem Namen übernommen.

Das zeigt, dass Sie sich nicht immer darauf verlassen sollten, was Ihnen Ihre Benutzer sagen. Doch wenn Sie etwas dennoch ändern oder eine Funktion einführen, die nicht nachgefragt wird, sollten Sie darauf achten, dass das Ergebnis benutzerfreundlich ist. Das heißt, lassen Sie es von Benutzern testen, und beobachten Sie, ob sie damit zurechtkommen. Nur mit Usability-Tests finden Sie das heraus.

Evaluation

Bei der sogenannten Evaluation (ebenfalls oft Benutzerbefragung genannt) werden die Benutzer, nachdem sie mit der Anwendung gearbeitet haben, interviewt, oder es wird ihnen ein Fragebogen vorgelegt. Dabei treten folgende Probleme auf:

Das alles passiert meist unbewusst. Daher sollten solche Interviews oder Fragebögen von erfahrenen Psychologen durchgeführt bzw. entworfen werden. Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Ergebnisse umso stärker verfälscht werden, je mehr die Befragten über ihre Entscheidungen bzw. Einschätzung nachdenken.

Fokusgruppen und Virtueller Rundgang/Walkthrough

Fokusgruppen-Untersuchungen (Focus Groups) setzt man fünf bis zehn Personen zusammen und diskutiert mit ihnen die Erwartungen und Gefühle gegenüber der Marke, dem Produkt oder der Site. Damit lassen sich bewusste Erwartungen der potenziellen Benutzer herausfinden. Nicht herausfinden lässt sich, wie die Benutzer tatsächlich mit der Site umgehen werden. Deshalb sind Fokusgruppen-Untersuchungen im Rahmen von Webprojekten nur sinnvoll, wenn sie zu Beginn der Konzeption durchgeführt werden.

Bei einem virtuellen Rundgang oder Walkthrough durch die Website testen mehrere Personen gleichzeitig. Dazu drucken Sie einzelne Seiten aus oder projizieren sie auf die Wand und legen sie einer Gruppe von (fünf bis acht) Testpersonen vor. Sie bitten diese aufzuschreiben, was sie von der Seite und ihren Funktionen erwarten und worauf sie klicken würden, um eine bestimmte Aufgabe zu lösen. Haben alle zu Ende geschrieben, können Sie gemeinsam über die Seite diskutieren. Das Vorgehen ähnelt einem Usability- Test im Trockenen.

Der größte Haken dabei ist, dass Sie herausfinden, was die Benutzer glauben, was sie tun würden. Was sie tatsächlich tun, merken Sie nur, wenn Sie einen Usability-Test durchführen. Die Durchführung eines Walkthrough ist zwar schnell (45 Minuten für alle Testpersonen), die Auswertung dauert dafür umso länger. Deshalb sollten auch nicht mehr als acht Personen teilnehmen. Ich persönlich wende diese Methode nur manchmal an, wenn ich Papierprototypen (siehe weiter oben in diesem Kapitel) teste. In diesem Fall kann ich den Test sowieso nicht am Computer durchführen, ich erfahre also in jedem Fall nur, was der Tester glaubt, dass er anklicken würde.

Online-Usability-Tests

Beim Online-Usability-Test sitzt die Testperson am eigenen Schreibtisch und ist über eine Breitband-Internetverbindung sowie per Telefon mit dem Betreuer verbunden. Das ist technisch recht aufwendig, daher wird die Methode selten angewandt. Die Verbindung lässt sich über spezielle Dienstleister wie Webex.com herstellen. Dadurch ist es möglich mitzuverfolgen, was der Benutzer auf seinem Bildschirm macht. Das lässt sich auch aufzeichnen, ganz wie bei einem normalen Usability-Test. Es gibt aber einige Nachteile:

Der Vorteil ist, dass keine Reisekosten entstehen (der Service für die gemeinsame Verbindung ist aber nicht gerade günstig). Außerdem lässt sich die Zeitplanung für Testperson und Betreuer wesentlich flexibler gestalten.

Online-Panels

Umfragen über das Web sind einfach und schnell, können aber mit Usability-Tests nicht konkurrieren.

Manche Firmen bieten Tests über sogenannte Online-Panels an. Dabei wird auf Testpersonen zurückgegriffen, die sich via Internet zu Tests bereit erklärt haben und diese dann selbstständig online durchführen. Anschließend beurteilen sie die Site mit einem Formular. Das Vorgehen scheint zunächst einmal verlockend. Rekrutierung der Testpersonen, Durchführung der Tests und Auswertung online – sehr effizient, schnell und kostengünstig. Doch dabei gibt es zwei schwerwiegende Probleme:

Schnelltests

Machen Sie immer einen Schnelltest, wenn Sie sich bei der Konzeption oder Produktion einzelner Seiten nicht sicher sind, ob sie von den Benutzern verstanden werden. (Seien Sie misstrauisch gegenüber Ihrer eigenen Arbeit!) Schnelltests sind die informellsten Tests. Drucken Sie die Seite aus, oder skizzieren Sie sie auf Papier. Gehen Sie damit zur nächsten erreichbaren Person – ihrem Schreibtischnachbarn, einem Freund, wer immer gerade in der Nähe ist. Fragen Sie Ihr Testopfer, was es glaubt, dass die Seite machen soll. Falls es das nicht weiß, ändern Sie die Seite.

Zum Schluss gebe ich Ihnen ein Zitat von Steve Krug mit auf den Weg:

„Testen funktioniert immer. Selbst mit dem schlechtesten Test mit dem falschen Benutzer finden Sie etwas heraus, wodurch Sie Ihre Site besser machen können.“

Lesen Sie das Buch „Don’t make me think“ von Steve Krug, wenn Sie noch nicht hundertprozentig von der Notwendigkeit von Usability-Tests überzeugt sind, Genaueres über deren Ablauf wissen wollen oder noch Argumente brauchen, um Ihren Auftraggeber oder Chef zu überzeugen. Das Buch ist knapp, präzise und macht wirklich Spaß. Wenn Sie nur noch ein Buch zum Thema lesen, sollte es dieses sein.

Fazit

Im Prinzip haben Sie nun das Rüstzeug zur Durchführung von Usability-Tests. Im nächsten Teil unserer Artikelserie werfen wir aber noch einen Blick auf die verschiedenen Arbeitsschutz- und Ergonomienormen. Auch dort finden sich interessante und wichtige Aspekte zum Aufbau einer Website. (ala)

Website-Konzeption – Erfolgreiche Websites planen und umsetzen

Dieser Beitrag basiert auf Kapitel 7 des Buchs „Website-Konzeption – Erfolgreiche Websites planen und umsetzen“ von Jens Jacobsen. Dieses Standardwerk für Web-Entwickler können Sie hier in unserem Partnerbuchshop Informit.de für 39,95 Euro versandkostenfrei bestellen.

Artikelserie

Website-Konzeption Teil 1: Grundlagen von Usability-Tests

Website-Konzeption Teil 2: Usability-Tests durchführen

Website-Konzeption Teil 3 Ergänzende Maßnahmen

Website-Konzeption Teil 4: Ergonomie- und Usability-Normen

Website-Konzeption Teil 5: Praxisbeispiele