Website-Konzeption Teil 1

Erfolgreiche Webseiten und Anwendungen durch Usability-Tests

28.01.2009 von Jens Jacobsen
Die Benutzerfreundlichkeit einer Websites oder Anwendung entscheidet maßgeblich über deren Erfolg oder Misserfolg. Nur durch Usability-Tests erfährt der Entwickler, woran die Anwendern scheitern. Wir geben Tipps zur Planung der Ergonomie-Tests.

Websites und Anwendungen müssen so gestaltet sein, dass sich die Benutzer auf ihnen bzw. mit ihnen zurechtfinden. Die Benutzer stehen immer im Mittelpunkt – das ist das Prinzip der Usability, wie sie heute verstanden wird. Dass viele Betreiber von Websites erkannt haben, wie wichtig Usability ist, hat vor allem zwei Gründe:

Nielsen ist der bekannteste Usability-Experte. Er hat in den USA eine Beratungsfirma, die sich auf Usability spezialisiert hat. Außerdem reist er um die ganze Welt und hält Vorträge auf Kongressen, bietet Seminare an und schreibt Artikel für viele Fachzeitschriften.

Usability bedeutet nicht nur, dass die Seiten gut zu lesen sind, dass Buttons und Links als solche erkennbar sind und dass die Navigation verständlich ist. Das ist, was man gewöhnlich unter Benutzerfreundlichkeit versteht. Zu Usability gehört auch, dass die Struktur der Site auf den ersten Blick klar wird, dass der Benutzer immer weiß, wo er sich befindet, und dass die Texte dem Medium entsprechend aufbereitet sind. Inhalte und Präsentation bilden eine Einheit, alles ist auf den Benutzer ausgerichtet, der das Ganze benutzen soll.

Website-Konzeption -Erfolgreiche Websites planen und umsetzen.

Dieser Beitrag basiert auf Kapitel 7 des Buchs „Website-Konzeption – Erfolgreiche Websites planen und umsetzen“ von Jens Jacobsen. Dieses Standardwerk für Web-Entwickler können Sie hier in unserem Partnerbuchshop Informit.de für 39,95 Euro versandkostenfrei bestellen.

Artikelserie

Website-Konzeption Teil 1: Grundlagen von Usability-Tests

Website-Konzeption Teil 2: Usability-Tests durchführen

Website-Konzeption Teil 3 Ergänzende Maßnahmen

Website-Konzeption Teil 4: Ergonomie- und Usability-Normen

Website-Konzeption Teil 5: Praxisbeispiele

Warum und wie Usability sichern?

Es kann nicht oft genug betont werden: Ist eine Website nicht benutzerfreundlich („usable“), werden Chancen verschenkt, Benutzer anzuziehen und zum regelmäßigen Wiederkehren und/oder zum Kaufen zu bewegen. Wenn Sie die Regeln der Usability beachten, verdienen Sie (oder Ihr Auftraggeber) mehr Geld, oder Sie bekommen zumindest mehr Besucher für das, was Sie in die Site investiert haben.

Die Usability einer Site können Sie planen. Wenn Sie sich an die Vorgehensweise halten, die ich Ihnen in diesem Buch gezeigt habe, sind die Chancen gut, eine benutzerfreundliche Website zu produzieren. Doch sicher sein können Sie nie. Daher sind die Usability-Tests so wichtig. Sie sind die einzige Möglichkeit, Probleme zuverlässig zu entdecken.

Bei einem Usability-Test setzen Sie einen potenziellen Benutzer vor Ihre Site und beobachten, wie er mit ihr umgeht. Das allein genügt, um viele Probleme aufzudecken. Dabei ist nicht die Frage, ob Sie Probleme finden, sondern nur, wie schwerwiegend sie sind. Es gibt keine Site ohne Usability-Probleme.

Usability-Tests sind etwas anderes als die üblichen Beta-Tests. Mit einem Beta-Test prüfen Sie, ob Ihre Anwendung fehlerfrei funktioniert – aus technischer Sicht. Bei einem Usability-Test prüfen Sie, ob die Benutzer mit Ihrer Site klarkommen – aus inhaltlicher Sicht. Deshalb sind Usability-Tests viel stärker mit dem Projektablauf verbunden. Finden Sie hier Fehler, müssen meist die Konzeption, Grafik und Programmierung überarbeitet werden. Bei technischen Problemen, wie sie im Beta-Test gesucht werden, muss normalerweise nur der Programmierer dafür sorgen, dass die Funktion korrigiert wird.

Eine Site ist gut, wenn die Benutzer mit ihr klarkommen. Ob das so ist, finden Sie nur durch Usability-Tests heraus.

Wann sind Usability-Tests sinnvoll?

Auf die Frage, wann Usability-Tests sinnvoll sind, gibt es eine einfache Antwort: immer. Je mehr Tests Sie durchführen, umso besser wird Ihre Site. Die entscheidenden Faktoren sind der Zeitplan und das Budget. Den Zeitplan haben Sie in der Hand. Planen Sie rechtzeitig ausreichend Zeit für Usability-Tests ein. Auch im Budget sollten sie enthalten sein. Dazu ist leider immer noch Überzeugungsarbeit nötig. Sie müssen sowohl den Kunden als auch nicht selten Projektleiter oder Geschäftsführer in Agenturen überzeugen, dass Usability-Tests nötig sind. Ihre wichtigsten Argumente sind dabei:

Der letzte Punkt ist besonders wichtig, weil er zeigt, dass eine schlechte Site nicht nur keinen Erfolg haben wird, sondern dass sie auch den Ruf eines Unternehmens schädigen kann. Geht eine Bank schlampig mit ihrer Website um, werden viele Besucher mehr oder weniger bewusst daran zweifeln, dass diese Bank sorgfältig mit ihrem Geld umgeht. Mit einer benutzerfreundlichen Site schaffen Sie Vertrauen, mit einer schlechten Site setzen Sie das Vertrauen der Kunden aufs Spiel. Viele Tests haben nachgewiesen, dass Sites, die die Regeln der Usability beachten, eine größere Kundentreue und eine höhere Besucherfrequenz haben. Auf Einkaufssites steigen mit der Usability die Umsätze.

Dennoch werden die Erkenntnisse der Usability immer noch von vielen Sites ignoriert. Dazu ein bekanntes Zitat von Jakob Nielsen: „Unternehmen geben 40.000 Dollar für ihre Website aus, aber sie wollen die 4000 Dollar nicht investieren, um zu testen, ob die Site auch funktioniert.“

Die Usability korreliert direkt mit dem Erfolg einer Website.

Vorgehen bei Usability-Test

Um die Usability zu testen, haben Sie grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Sie beauftragen eine Firma, die sich darauf spezialisiert hat, oder Sie nehmen es selbst in die Hand. Die Vorteile der Experten sind klar: Sie verstehen ihr Geschäft, haben die richtige Ausrüstung und Erfahrung und sind objektiv. Sie finden für Sie Vertreter der Zielgruppe und führen mit diesen Usability-Tests durch. Am Ende bekommen Sie einen detaillierten Bericht mit Änderungsvorschlägen.

Doch solche Firmen haben ihren Preis (je nach Umfang des Tests, gewöhnlich aber nicht unter 3000 Euro pro Testrunde), weshalb in der Praxis oft ganz auf Usability- Tests verzichtet wird. Damit werden viele Chancen verschenkt. Denn die schwersten Fehler einer Site lassen sich fast immer am schnellsten aufdecken. Ist Ihr Budget knapp, testen Sie selbst. Nach wenigen Tests werden Sie genug Erfahrung haben, um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen. Arbeiten Sie in einer Agentur, beginnen Sie mit Ihrer eigenen Website. Doch machen Sie sich auf eines gefasst: Es ist oft frustrierend zu sehen, welche Probleme die Benutzer mit einer Site haben, die Sie nach bestem Wissen und Gewissen erstellt haben. Die Reaktionen reichen von Erstaunen bis zu Verzweiflung. Das ist keineswegs übertrieben, Sie werden sehen.

Im Folgenden beschreibe ich die Vorgehensweise für eigene Usability-Tests. Wo sich diese vom Vorgehen einer Usability-Firma unterscheidet, ist das vermerkt, sodass dieses Kapitel auch interessant für Sie ist, wenn Sie sich eine solche Firma leisten können oder wollen.

Wann testen?

Testen Sie so früh wie möglich und so oft wie möglich.

Setzen Sie besser mehrere kurze Testrunden in verschiedenen Projektphasen an, als einen einzigen aufwendigen Test. Natürlich gilt: je mehr, desto besser. Aber Zeit und Budget sind in jedem Projekt begrenzt. Bei kleineren und mittleren Sites erreichen Sie mit zwei kurzen Tests ganz gute Ergebnisse. Der erste sollte so früh wie möglich stattfinden, der zweite in der Produktionsphase. Allerdings muss der zweite Termin so frühzeitig sein, dass Sie noch genügend Zeit für Korrekturen haben – sonst gehen Sie mit einer Site an den Start, von der Sie lediglich wissen, dass sie nicht benutzerfreundlich ist.

Es bietet sich auch an, gleich zu Beginn des Projekts die Konkurrenzsites zu testen. Dadurch erhalten Sie einen schnellen Überblick darüber, was funktioniert und was nicht. Diese Tests können Sie schnell und mit wenig Aufwand durchführen, schließlich wollen Sie nicht die Sites der Konkurrenz verbessern.

Testen Sie so früh wie möglich. Denn wie schon erwähnt, ist die Frage nicht, ob Sie Usability-Probleme entdecken, sondern wann. Je früher Sie diese finden, desto weniger Aufwand ist nötig, um sie zu beheben. Führen Sie lieber eine Testrunde frühzeitig durch als zehn kurz vor dem Launch.

Frühe Tests

Sie können schon Usability-Tests durchführen, bevor eine einzige HTML-Seite fertig ist. Dazu dienen die sogenannten Papierprototyp-Tests. Dabei zeichnen Sie die Struktur oder ein paar der geplanten Seiten mit den Navigationselementen auf je ein Blatt Papier und legen es potenziellen Nutzern vor. Beginnen Sie mit der Startseite, erklären Sie kurz, was darauf außer dem Aufgemalten zu sehen sein wird, und fragen Sie die Testpersonen, ob sie verstehen, was sie hier tun können. Sagt eine Person, sie würde auf eine bestimmte Schaltfläche klicken, legen Sie ihr das entsprechende Papier vor.

Mit dieser einfachen Methode testen Sie ohne viel Aufwand, ob die Struktur Ihrer Site verstanden wird und ob die Beschriftung der Navigationselemente stimmt. Sie ist vor allem dann sinnvoll, wenn Sie gewohnte Wege verlassen. Wollen Sie eine Navigation einsetzen, die von der gewohnten abweicht, oder hat die Site ganz besondere Funktionen, können Sie sich mit Papierprototypen viel Arbeit sparen. Merken Sie schon in diesem Stadium, dass die Grundidee von den Benutzern nicht verstanden oder akzeptiert wird, ist es noch leicht möglich, das Konzept nochmals umzuwerfen. Auch die Bezeichnungen der Bereiche einer Site lassen sich mit Papierprototypen gut testen.

Aussagekräftiger als Papierprototyp-Tests sind Tests mit HTML-Prototypen. Das sind schnell zusammengebaute Testversionen, mit denen die Startseite und einige wenige Inhaltsseiten als echte HTML-Seiten getestet werden. Dabei kommt es noch nicht darauf an, dass die Grafik endgültig ist, auch Details wie etwa die Optimierung der Ladegeschwindigkeit sind unwichtig. Der Prototyp dient nur dazu, unter etwas realistischeren Bedingungen zu testen, was Sie auch schon mit dem Papierprototyp untersucht haben: Verstehen die Benutzer, was sie auf der Site tun können? Wird die Struktur der Site klar? Verstehen sie die Bezeichnungen und die Funktion der Navigationselemente?

Die letzte Testmöglichkeit während des Projekts ist während der Produktionsphase. Die Teile der Site, die bereits fertig sind, werden dabei getestet. Tauchen hier schwerwiegende Fehler auf, muss unter Umständen das Problem auf allen bisher erstellten Seiten nachträglich behoben werden. Aber das ist immer noch besser, als mit solchen Problemen an den Start zu gehen.

Unterziehen Sie jede Site vor dem Relaunch einem Usability-Test.

Späte Tests

Auch freigeschaltete Sites zu testen ist sinnvoll. Es ist besser, ein schwerwiegendes Usability-Problem nachträglich zu beheben als gar nicht. Im Laufe der Zeit können sich auch neue Probleme ergeben – oder vorhandene können verschwinden. Denn die Gewohnheiten der Benutzer ändern sich. Die meisten Menschen haben sich an die Benutzung von Computeroberflächen wie Windows oder MacOS gewöhnt, auch wenn diese teilweise erhebliche Usability-Fehler aufweisen. Genauso können große Sites Standards setzen, indem sie bestimmte Funktionen einführen. So hat sich der Einkaufswagen mittlerweile durchgesetzt und wird von fast allen Internet-Benutzern verstanden. Im Einkaufswagen können Produkte abgelegt werden, und sie bleiben darin, bis man sie wieder herausnimmt oder zur Kasse geht. Allerdings funktioniert das Herausnehmen so, dass man bei „Stückzahl“ den Wert „0“ einträgt – das ist nicht intuitiv, wurde aber inzwischen von fast jedem gelernt. Damit ist klar: Was von den Benutzern verstanden wird und was nicht, kann sich im Laufe der Zeit ändern.

Logfiles sind eine gute Möglichkeit, Probleme mit Ihrer Site aufzudecken. Anhand dieser Serveraufzeichnungen können Sie unter anderem feststellen, an welcher Stelle die Besucher die Site verlassen. Sehen Sie sich diese Seiten an, und versuchen Sie – eventuell mit Hilfe eines Usability-Tests – herauszubekommen, ob das an Problemen mit der Bedienung oder am Inhalt liegt.

Wenn Sie eine bestehende Site überarbeiten, macht es Sinn, bevor Sie mit der Arbeit beginnen, einen Usability-Test mit der bestehenden Site durchzuführen. Dabei erkennen Sie, was an der Site funktioniert und was nicht. Der Grund für die Überarbeitung einer Site (Relaunch) ist, dass ihre Betreiber mit ihrer Site nicht zufrieden sind. Meist sagen sie, dass die Site „nicht gut“ sei. Eventuell sagen sie sogar, dass die Site nicht benutzerfreundlich sei. Doch all das sind nur Vermutungen. Was funktioniert und was nicht, finden Sie nur mit einem Usability-Test heraus. Wenn Sie darauf verzichten, laufen Sie Gefahr, eine gute Site durch eine andere gute Site zu ersetzen (vorausgesetzt, Sie leisten gute Arbeit, sonst verschlechtern Sie das Ergebnis sogar). Durch einen Test finden Sie heraus, ob der mangelnde Erfolg der Site an Usability-Fehlern liegt oder ob der Inhalt oder seine Umsetzung daran schuld sind. Eine Site mit schlechtem Inhalt wird auch dann nicht erfolgreich sein, wenn sie benutzerfreundlich ist wie keine zweite.

Wo testen?

Es gibt spezielle Labors, in denen Usability getestet wird. Diese haben normalerweise folgende Ausstattung:

In manchen Usability-Labors wird mit Blickverfolgungskameras gearbeitet. Das sind Kameras, die die Augenbewegung der Testpersonen aufzeichnen. Ein angeschlossener Computer analysiert, welche Teile einer Webseite oder Anwendung wann wie lange angesehen wurden. Als Kamera genügt eine gute Webcam, und die Software ist inzwischen nicht mehr teuer. Allerdings braucht es einige Erfahrung, um die Technik zum Laufen zu bringen und vor allem dafür, die Ergebnisse sinnvoll auszuwerten.

Aber der Aufwand ist in den meisten Fällen nicht unbedingt nötig. Denn damit können Sie nur herausfinden, was der Benutzer wann wie lange angesehen hat. Warum er das getan hat, bleibt unklar, ebenso, ob die Website überhaupt bedienbar ist. Die Analyse der Blicke von Testpersonen eignet sich nur als zusätzliche Informationsquelle, die aber in vielen Fällen nicht wesentlich zum Aufdecken von Usability-Fehlern beiträgt.

Test mit der Grundausstattung

Doch das Wichtigste ist nicht die Technik, sondern ein Mensch: der Betreuer. Seine Aufgabe ist es, die Testperson so zu begleiten, dass er so viele Informationen wie möglich erhält. Die Videoaufzeichnung ist nur eine zusätzliche Hilfe sowie eine Dokumentation des Tests. Deshalb können Sie Ihre eigenen Tests mit dieser Grundausstattung durchführen:

Das genügt, um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen. Es geht Ihnen nicht darum, wissenschaftlich korrekte Studien durchzuführen, sondern nur darum, Usability- Fehler auf Ihrer Site zu finden. Dazu genügt diese minimale Ausrüstung.

Machen Sie keine Wissenschaft aus den Usability-Tests.

Wie testen?

Die Ausrüstung für einen Usability-Test ist einfach zu beschaffen, es fehlen nur noch die Betreuer und die Testpersonen. Es gibt keinen Grund, nicht zu testen. Ein einziger Test mit einem einzigen Benutzer ist besser als gar keiner.

Die Testpersonen

Die idealen Testpersonen sind Vertreter der Zielgruppe. Versuchen Sie solche heranzuziehen. Ungeeignet sind alle Beteiligten am Projekt wie auch alle Mitarbeiter der Firma, für die Sie die Site erstellen. Deren Hintergrundwissen werden die zukünftigen Benutzer nicht haben, und daher werden sie vermutlich auf von Ihnen nicht erwartete Probleme stoßen. Aber auch Ihre Kollegen sind normalerweise keine besonders guten Testkandidaten. Durch die Arbeit in der Branche sind sie sehr gut im Umgang mit Computern – anders als der durchschnittliche Benutzer.

Wenn Sie niemanden finden, der zur Zielgruppe gehört, testen Sie mit anderen Personen. Testen Sie lieber öfter mit beliebigen Personen, als zu viel Geld und Zeit mit der Suche nach idealen Kandidaten zu verschwenden. Kommen Ihre Testpersonen mit der Site klar, wird auch das Fachpublikum damit in der Regel keine Probleme haben. Und kein Experte wird sich über eine Site beklagen, die auch Laien benutzen können, solange sie nützlich ist und korrekte Informationen bietet.

Sie sollten die Teilnehmer an einem Usability-Test bezahlen – aus Fairness und um die Motivation zu heben. Wie hoch die Bezahlung ist, hängt auch etwas davon ab, wie viel die Teilnehmer verdienen. Ein Student wird mit weniger zufrieden sein als ein Arzt. Ein Anhaltspunkt sind 25 bis 60 Euro für eine Testsitzung von 45 bis 60 Minuten. Zu hoch sollte die Bezahlung auch deshalb nicht sein, da sich die Teilnehmer dann eventuell überbezahlt fühlen. Sie versuchen in der Folge, alle Aufgaben besonders gut zu lösen. Damit verfälschen sie das Ergebnis, weil sich die durchschnittlichen Benutzer Ihrer Website später auch nicht besonders ins Zeug legen werden. Ist die Site schlecht, klicken sie sich zu einer anderen.

Anzahl der Testpersonen

Um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen, brauchen Sie drei (nach Steve Krug) bis fünf Testpersonen (nach Jakob Nielsen) pro Durchlauf, bei dem Sie einen Bereich der Seite oder eine Funktion testen. Damit lassen sich keine statistisch abgesicherten Daten gewinnen, aber darum geht es auch nicht. Sie wollen die Probleme der potenziellen Benutzer mit der Site entdecken. Die schwerwiegendsten Probleme werden üblicherweise schon bei der ersten Testperson deutlich. Diese Probleme treten bei allen folgenden Personen wieder auf. Nach spätestens fünf Personen beobachten Sie nur noch sehr wenige neue Probleme.

Sie sollten keine Testrunde mit weniger als drei Personen durchführen. Sonst kann es passieren, dass Sie die Site für einen Benutzer anpassen, der nicht repräsentativ ist. Haben aber zwei oder sogar drei Testpersonen das gleiche Problem entdeckt, wird es wahrscheinlich den meisten Benutzern auffallen. Wenn Zeit und Geld keine Rolle spielen, testen Sie bis zu acht Personen – allerdings nur, wenn Sie deshalb nicht die Zahl der Testdurchläufe reduzieren. Mehr als acht Personen pro Runde bringen kaum zusätzliche Erkenntnisse, nur mehr Aufwand bei der Auswertung.

Nachdem Sie die in der ersten Testrunde festgestellten Probleme behoben haben, sollten Sie eine weitere Testrunde durchführen. Damit kommen weitere Probleme zutage, die in der ersten Runde unbemerkt geblieben sind. In der ersten Runde haben die aufgetretenen Fehler eventuell verhindert, dass die Benutzer überhaupt so weit in die Site vordringen konnten, um dort Fehler zu entdecken. Außerdem überprüfen Sie in der zweiten Runde, ob die beim ersten Test gefundenen Fehler behoben sind. Es kann sein, dass Ihre Änderungen das Problem nicht gelöst haben oder dass dadurch neue entstanden sind.

Führen Sie immer so viele kleine Testrunden wie möglich durch, statt weniger Runden mit mehr Teilnehmern. Setzt sich Ihre Zielgruppe aus mehreren sehr unterschiedlichen Gruppen zusammen, so sollten Sie versuchen, das bei der Auswahl der Testpersonen zu berücksichtigen. Sie brauchen nicht aus jeder Gruppe drei Benutzer pro Testrunde, aber es ist sinnvoll, zumindest für eine Runde mindestens zwei Vertreter jeder Gruppe einzuladen.

Testen Sie, ob die Probleme nach der Überarbeitung wirklich behoben sind.

Der Betreuer

Als Betreuer von Usability-Tests ist fast jeder höfliche Mensch mit ausreichend Selbstbeherrschung geeignet. Selbstbeherrschung ist deshalb nötig, weil man die Testperson einfach machen lassen muss. Um realistische Ergebnisse zu erhalten, dürfen Sie während des Tests nicht helfend eingreifen. Manchmal ist man versucht zu rufen: „Was denn, klick doch einfach auf den Button da!“

Es ist eine harte Erfahrung zu sehen, welch große Probleme Benutzer mit etwas haben, das man selbst für völlig selbstverständlich hält. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert, dass alle an der Umsetzung Beteiligten den Usability-Test verfolgen. Schließen Sie am besten dazu die Kamera an einen Monitor an, der in einem anderen Raum steht. Achten Sie darauf, dass Gespräche von hier nicht in das Zimmer dringen, in dem die Testperson sitzt. Für alle, die noch nie einen Usability-Test verfolgt haben, ist das erste Mal eine wichtige Erfahrung. Haben sie das nicht mit eigenen Augen gesehen, werden sie eventuell schwer davon zu überzeugen sein, dass Benutzer tatsächlich solche Probleme haben können. Falls nicht alle Zeit haben, eignet sich auch das Video dazu, dies zu demonstrieren.

Bei professionellen Usability-Firmen betreuen „Usability-Engineers“ die Tests. Diese haben viel Erfahrung mit dem Anlegen und Durchführen von Usability-Tests. Dadurch kommen sie zu mehr Ergebnissen als jemand ohne diese Erfahrung. Wenden Sie sich deshalb nach Möglichkeit an Profis. Falls Sie dazu kein Budget haben, testen Sie auf jeden Fall selbst. Sie werden immer noch genug Ergebnisse produzieren, die den Aufwand rechtfertigen. Bei manchen Usability-Firmen begleiten zwei Betreuer den Test. Das hat den Vorteil, dass zwei Menschen mehr Dinge auffallen als einem und dass bei Unklarheiten zwei Zeugen des Tests zur Verfügung stehen. Allerdings finden diese zwei Personen meist nichts Wesentliches heraus, was einer entgangen wäre. Die zusätzlichen Kosten sind meiner Meinung nach nicht gerechtfertigt. Hinzu kommt, dass sich die Testperson durch zwei Betreuer noch stärker gehemmt fühlt als durch eine Person.

Wer es nicht gesehen hat, kann es nur schwer glauben, welche Probleme viele Menschen mit der Benutzung von Websites haben.

Die Testaufgaben – das Testscript

Überlegen Sie sich, wie die Benutzer testen sollen. Je weniger Informationen und Aufgaben Sie vorab geben, desto besser. Versuchen Sie die Situation abzubilden, in der die zukünftigen Benutzer der Site sein werden. Das freie Benutzen der Site ist nur sinnvoll, wenn die Testperson ein starkes eigenes Interesse an der Site hat. Das ist zum Beispiel der Fall bei Unterhaltungs- und Nachrichtensites – vorausgesetzt, die Person kommt aus der Zielgruppe.

Um zu testen, ob bestimmte Informationen gefunden werden, stellen Sie der Testperson eine Aufgabe. Lassen Sie sie zum Beispiel die Telefonnummer des Geschäftsführers heraussuchen. Lassen Sie der Testperson so viel Freiheit wie möglich. Die Aufgabe „Buchen Sie eine Reise zu einem Ferienort, zu dem Sie gerne fahren würden“ ist besser als „Suchen Sie die Abflugszeit für die Lufthansa-Maschine nach Liechtenstein am Dienstagmorgen“. Hat die Testperson einen persönlichen Bezug zur gestellten Aufgabe, wird sie sich eher so verhalten wie die zukünftigen Nutzer.

Beginnen Sie mit einer einfachen Aufgabe, die schnell zu erledigen ist. Das gibt der Testperson Sicherheit und nimmt ihr die Anspannung etwas. Planen Sie nicht zu viel ein. Länger als 45 Minuten pro Person sollten Sie nicht testen. Wenn Sie eine große Site mit vielen Funktionen erstellen, sollten Sie die Hauptfunktionen in mehreren Testrunden überprüfen. Setzen Sie dazu die Runden an, sobald die jeweilige Funktion fertig ist. Haben Sie dazu nicht genügend Zeit oder Geld, benutzen Sie das nicht als Ausrede, auf Tests zu verzichten. Testen Sie dann nur die wichtigste Funktion der Site.

Wird auf der Site etwas verkauft, können Sie die Testperson einkaufen lassen. Dabei ist es gut, ihr schon einige Tage vor dem Test zu sagen, dass sie für einen festen Wert Waren einer bestimmten Kategorie einkaufen darf. Diese kann sie tatsächlich behalten. (Die Bezahlung des Tests fällt dann natürlich weg.) Diese Methode hat den Vorteil, dass sich die Testsperson schon vorher Gedanken gemacht hat, was sie kaufen will, und so eine Situation entsteht, wie sie später auch auftreten wird. Ich persönlich finde es hilfreich, ein Testscript zu schreiben. Darin halten Sie fest, was genau getestet wird. So stellen Sie sicher, dass Sie nichts vergessen und alle Personen die gleichen Aufgaben gestellt bekommen.

Ich persönlich finde es hilfreich, ein Testscript zu schreiben. Darin halten Sie fest, was genau getestet wird. So stellen Sie sicher, dass Sie nichts vergessen und alle Personen die gleichen Aufgaben gestellt bekommen. Stellen Sie der Testperson eine möglichst realistische Aufgabe.

Fazit

In diesem Artikel haben wir zunächst die Grundlagen für Usability-Tests behandelt. Im zweiten Teil geht es dann um den konkreten Ablauf eines Usability-Tests und die Auswertung der Ergebnisse. (ala)

Website-Konzeption – Erfolgreiche Websites planen und umsetzen

Dieser Beitrag basiert auf Kapitel 7 des Buchs „Website-Konzeption – Erfolgreiche Websites planen und umsetzen“ von Jens Jacobsen. Dieses Standardwerk für Web-Entwickler können Sie hier in unserem Partnerbuchshop Informit.de für 39,95 Euro versandkostenfrei bestellen.

Artikelserie

Website-Konzeption Teil 1: Grundlagen von Usability-Tests

Website-Konzeption Teil 2: Usability-Tests durchführen

Website-Konzeption Teil 3 Ergänzende Maßnahmen

Website-Konzeption Teil 4: Ergonomie- und Usability-Normen

Website-Konzeption Teil 5: Praxisbeispiele