Enterprise-Storage-Markt im Umbruch

31.05.2002
Der lange Jahre von EMC dominierte Markt ist durch Hitachi Data Systems und IBM in Bewegung geraten. Um das passende Produkt zu finden, ist es wichtig, die Unterschiede zu kennen - und zwar sowohl bei der Leistungsfähigkeit der Architektur als auch bei der zugehörigen Software für das Speichermanagement.

Von: Christoph Lange

Die in Unternehmen anfallenden Datenmengen werden in den kommenden Jahren weiter stark wachsen. Entsprechend rosig sind die Aussichten für den Storage-Markt, der zu einem der am stärksten umkämpften zählt. Im Segment der Enterprise-Storage-Systeme tobt der Kampf besonders hart, seit es Hitachi Data Systems (HDS) und IBM gelungen ist, sich in der bisherigen EMC-Domäne zu etablieren (zu EMC siehe auch Interview Seite 8). Die "Newcomer" suchen den Erfolg zum einen über den Preis, zum anderen über neue technische Konzepte, die eine höhere Leistungsfähigkeit versprechen.

Bereits seit über zehn Jahren ist EMC mit dem Enterprise-Storage-System "Symmetrix" sehr erfolgreich. Die derzeit aktuelle "Symmetrix 8000"-Familie brachte EMC im Herbst 2001 auf den Markt. Zum gefährlichsten Konkurrenten hat sich HDS gemausert, die 1999 mit der "Lightning" ein Enterprise-Storage-System einführten, das gegen die Symmetrix von EMC positioniert ist. Wichtigste Partner von HDS sind Hewlett-Packard (HP) als OEM und Sun Microsystems als Reseller, die beide die Lightning vertreiben. Berthold Höflich, Sales Director bei HDS Deutschland, nennt als hoch gestecktes Ziel: "Bis 2004 wollen wir Marktführer bei Enterprise-Storage-Systemen werden."

IBM ist es mit dem unter dem Codenamen "Shark" bekannten "Enterprise Storage Server" (ESS) gelungen, sich als dritte Kraft zu etablieren. Marktbeobachter berichten, dass der Erfolg von IBM vor allem auf einer sehr aggressiven Preisgestaltung beruhe. Vladimir Atanaskovik von der IBM Storage Systems Group teilt diese Einschätzung nicht. Für den Erfolg der Shark seien andere Gründe ausschlaggebend: "Unsere "Seascape"-Architektur basiert auf Standardkomponenten, die sich per Software- und Hardware-Upgrade anpassen lassen. Dadurch ist es möglich, ein- und dieselbe Hardwarebox über mehrere Generationen hinweg zu behalten. Zudem bietet die Shark bereits standardmäßig zahlreiche Funktionen wie zum Beispiel LUN-Mapping, die bei der Konkurrenz extra bezahlt werden müssen."

Mit Fujitsu ist ein weiterer großer Player angetreten, der in diesem Marktsegment Geld verdienen möchte. Die "GR"-Familie wird seit Herbst 2001 durch die Fujitsu-Tochter Amdahl IT Services auch in Europa und Nordamerika vermarktet. Die Erfolgsaussichten für Fujitsu schätzt Josh Krischer, Vice President Enterprise Systems und Storage bei Gartner, als sehr gering ein. "Fujitsu hat keinen eigenen Unix-Markt, in den sie die Systeme verkaufen könnten. Zudem vertreiben die Fujitsu-Töchter Fujitsu-Siemens Computers und ICL die Speichersysteme von EMC. So lange sich dies nicht ändert, haben die GR-Systeme keine Chance."

Das vor wenigen Wochen von IBM und Hitachi verkündete Technologieabkommen dürfte auf die Enterprise-Storage-Systeme zumindest vorerst keine direkten Auswirkungen haben. Es sieht vor, die Festplattenproduktion von IBM in ein Joint Venture einzubringen, an dem sich Hitachi mit 70 Prozent beteiligen will. Beide Hersteller werden weiterhin ihre eigenen Storage-Systeme entwickeln und wie bisher als Konkurrenten auftreten.

Bus- versus Switch-System

Bei Enterprise-Storage-Systemen lassen sich prinzipiell zwei Architekturansätze unterscheiden. EMC verwendet in der Symmetrix eine Busarchitektur, die in den aktuellen 8000er-Modellen aus vier Systembussen mit einer Bandbreite von je 400 MByte/s besteht. Daraus ergibt sich ein maximaler Gesamtdurchsatz von 1,6 GByte/s. Pro Bussegment kann jeweils nur ein I/O ausgeführt werden.

Dagegen setzt HDS in der Lightning-9900-Familie auf eine Switch-Architektur, die bis zu 16 I/O-Zugriffe parallel verarbeiten kann. Vier Fibre-Channel-Fabric-Switches verbinden die Frontend-Interfaces mit den Cache-Boards, an die vier Disk-Controller angeschlossen sind, an denen jeweils 32 Festplatten hängen. Jeder der 16 Datenpfade hat eine Bandbreite von 200 MByte/s, woraus sich ein maximaler Durchsatz von 3,2 GByte/s errechnet. Gleichzeitig stehen für die Steuerung der Systemkomponenten 64 Datenpfade mit einer Bandbreite von je 50 MByte/s zur Verfügung, macht weitere 3,2 GByte/s.

Die kürzlich von HDS vorgestellte neue Lightning-Generation "9900 V" steigert die aggregierte Bandbreite auf theoretisch 15 GByte/s. Erreicht wird dies durch die Verdoppelung der Switch-Ports und damit der parallen I/Os auf 32. Zudem ist das neue System vollständig mit 2-GBit/s-FC-Technik sowie mit schnelleren CPUs ausgerüstet. Auch den Cache hat HDS ausgebaut von 32 auf jetzt 64 GByte. Die 9900 V wird nicht als Nachfolger sondern als Ergänzung für die bisherigen 9900-Systeme positioniert. Als Kunden für das V-Modell hat HDS große Rechenzentren mit heterogenen Serverlandschaften im Visier. Sie sollen von der derzeit Device-basierten Virtualisierung profitieren, durch die sich laut Hersteller Server mit heterogenen Betriebssystemen denselben Port teilen können.

Für EMC gibt es nach Aussage von Ken Steinhardt, Director Technology Analysis, bislang keinen Grund, die Busarchitektur aufzugeben: "Eine höhere Durchsatzleistung erreichen wir ganz einfach durch eine höhere Busanzahl oder Taktrate. Die nächste EMC-Generation wird den größten Performance-Sprung bringen, den es je gab. Wir werden dafür definitiv die Technologie ändern, aber nicht die Architektur." Trotzdem halten sich hartnäckig Gerüchte, dass die unter dem Codenamen "Panther" entwickelte nächste Symmetrix-Generation das Bussystem durch eine Switch-Architektur ersetzen könnte.

Einen anderen Weg hat IBM eingeschlagen: Dem Design der "ESS Shark" liegt laut Atanaskovik die Philosophie zugrunde, dass eine möglichst hohe Performance des Backend-Systems entscheidend sei. Deshalb ist das System auch "nur" mit 32 GByte Cache ausgerüstet, da es nach Meinung von IBM für die Leistungsfähigkeit von typischen Datenbankanwendungen nicht so sehr auf den Cache ankommt.

Die Shark-Architektur kombiniert sowohl Bus- als auch Switch-Elemente. Im Frontend steuern "Cluster Processor Complex"-Einheiten (CPC) die Datenübertragungen von und zu den Servern. Die CPCs sind über eine Fabric miteinander verbunden. Die Shark hat 64 interne Datenpfade à 40 MByte/s, womit sich eine Gesamtperformance von 2,56 GByte/s ergibt.

Cache- und CPU-Performance

Der Behauptung von EMC, dass der Cache mit vier Cache-Regionen à 400 MByte/s das Bottleneck sei und den Durchsatz auf 1,6 GByte/s beschränke, widerspricht HDS: Die Lightning benutze schon immer eine intelligente Cache-Technologie. Jedes der vier Cache-Boards besitze vier Speicherbänke, womit über die internen Crossbar-Switches parallel 16 Cache-Zugriffe mit 200 MByte/s ausgeführt werden könnten. Der maximale Durchsatz liege also bei 3,2 MByte/s.

Um die Cache-Performance der Symmetrix zu steigern, hat EMC im Herbst 2001 die so genannte "Cache Storm"-Technologie eingeführt. Jedes Cache-Board ist in bis zu vier getrennte Cache-Bereiche aufgeteilt, die über einen eigenen ASIC verfügen. Bei 16 Cache-Regionen mit je 400 MByte/s soll Cache Storm eine maximale Geschwindigkeit von 6,4 GByte/s erzielen.

IBM verwendet ebenfalls einen Cache, der sich aus mehreren Bausteinen zusammensetzt und parallele I/Os ermöglicht. HDS hat für die Control-Daten einen eigenen Cache implementiert, auf den das System parallel zum "normalen" Cache zugreifen kann.

Bei den Prozessoren setzt EMC auf Power-PC-RISC-CPUs, die mit 333 oder 400 MHz laufen. In der Lightning 9960 arbeiten "i960"-CPUs, die mit 80 bis 100 MHz deutlich niedriger getaktet sind, aber eine Bandbreite von 128 Bit haben, während die Power-PCs lediglich 32 Bit breit sind. Die neue "9900V" hat HDS mit MIPS-CPUs bestückt, die mit 166 beziehungsweise 200 MHz getaktet sind. Die Anwendungen laufen weiterhin unter "VX Works", so dass laut HDS für die Portierung nur geringe Anpassungen nötig sind. IBM verwendet für die Shark 4-Wege-Power-3-RISC-CPUs.

Neben der aggregierten Bandbreite des Gesamtsystems, der Geschwindigkeit der CPUs und der Größe des Caches hat auch das Backend-System einen großen Einfluss auf die Gesamt-Performance. Hier verfolgen die drei Hersteller unterschiedliche Ansätze.

Festplatten-Philosophien

EMC setzt in der Symmetrix nach wie vor SCSI-Festplatten (Ultra-2-SCSI) ein. Ken Steinhardt erklärt hierzu, dass EMC mit Fibre-Channel-Platten experimentiert hat und Performance-Gründe den Ausschlag für SCSI gaben. Werden viele kleine Datenpakete übertragen, ist SCSI schneller als FC, das seine Stärken vor allem bei großen Dateien ausspielt. In den Tests erzielte FC 100 000 I/O pro Sekunde, SCSI 150 000. Allerdings erlauben die Single-Ultra-2-SCSI-Verbindungen keine parallelen Datentranfers zwischen Festplatte und Cache.

Durchgängig auf Fibre-Channel ausgelegt ist dagegen die Lightning von HDS. Die FC-Festplatten verfügen über zwei aktive Ports und zwei Leseköpfe. Sie sind über Dual-Arbitrated-Loops redundant miteinander verbunden. Dabei ist jede Platte an zwei Disk-Controller, die so genannten "Array Control Processors" (ACP) angeschlossen. Ein ACP-Paar erlaubt acht gleichzeitige FC-Loop-Verbindungen zu bis zu 32 Festplatten.

IBM verwendet in der Shark die eigene Serial Storage Architecture (SSA). Dem auf ein möglichst schnelles Backendsystem optimierten Design liegt laut Atanaskovik die Überzeugung zugrunde, dass für einen typischen Datenbank-Workload die Größe des Cache gar nicht so wichtig ist, weil die meisten Zugriffe zufällig und lesend erfolgen. Hierbei komme es vor allem auf die Leistungsfähigkeit des Back-end-Systems an. SSA habe gegenüber SCSI und FC-AL den Vorteil, dass es nicht arbitriert sei, wodurch zwei Adapter auf vier Festplatten auf demselben SSA-Bus gleichzeitig zugreifen könnten.

Josh Krischer von Gartner bestätigt, dass die Shark dank SSA über eine leistungsfähige Backend-Architektur verfügt. Verglichen mit EMC und HDS liege IBM bei der Bewertung des Gesamtsystems aber nach wie vor deutlich niedriger.

Die Aussagen der Hersteller zur Leistungsfähigkeit ihrer Speichersysteme sind generell mit Vorsicht zu genießen. Jeder führt Ver-gleichstests oder Kundenbeispiele ins Feld, bei denen die Konkurrenzprodukte schlechter abgeschnitten hätten. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten Unternehmen deshalb vor einer Anschaffung eine Testinstallation durchführen, bei der auch die Leistungsfähigkeit im Betrieb mit den jeweiligen Applikationen getestet wird.

Management

Neben einer performanten Hardware sind für ein erfolgreiches Speichermanagement auch leistungsfähige Softwareprodukte nötig. Dem haben die Hersteller mittlerweile Rechnung getragen: EMC hat im Herbst seine "Widesky"-Initiative gestartet, Hitachi vor wenigen Wochen das "True North"-Konzept verkündet. IBM ist mit der kürzlich vorgestellten "Software Roadmap" dabei, Produkte für ein einfacheres Speichermanagement zu entwickeln, darunter eine Linux-gestützte Virtualisierungslösung auf Block- und Dateiebene.

In der Widesky-Initiative von EMC sieht Josh Krischer einen positiven Ansatz, da sie darauf abzielt, ein einheitliches Interface für Speichersysteme unterschiedlicher Hersteller bereitzustellen. "Damit dieser Ansatz Früchte tragen kann, müssen ihn jedoch möglichst viele Hersteller unterstützen, indem sie die Schnittstellen ihrer Speichersysteme offen legen. Nachdem EMC gegen HDS in den USA Patentklagen eingereicht hat (siehe Seite 26 oben), wird es zwischen diesen beiden Herstellern vermutlich keine Kooperation geben." IBM hat ebenfalls bereits angekündigt, dass die Schnittstellen der Shark nicht für EMC zugänglich gemacht werden. Bleibt auf der Haben-Seite bislang lediglich Compaq.

Auch das True-North-Konzept von HDS steht und fällt mit der Anzahl der Hersteller, die es unterstützen. Ziel ist es, die "Hi-Command"-Software von HDS mit Produkten anderer Hersteller zu integrieren, um so eine Offenheit bei der Verwaltung von Speichersystemen zu erreichen. Ob IBM mit der "Software Roadmap" erfolgreich ist, wird sich im Laufe des kommenden Jahres zeigen, wenn die ersten Produkte auf den Markt kommen.