Energiekosten im Mittelstand

Energiemanagement hilft beim Stromsparen

13.03.2014 von Ariane Rüdiger
Um Strom zu sparen oder von der Ökostromabgabe befreit zu werden, verfolgen zunehmend auch mittelständische Unternehmen ein gezieltes Energiemanagement. Ob man dazu mit Excel auskommt oder aber eine spezialisierte Energiemanagement-Software benötigt, ist umstritten.

Mehr als zwei Drittel des in Deutschland verbrauchten Stroms fließt in Betriebe: 42 Prozent oder 220 TWh (Terawattstunden) gehen nach Daten des Umweltbundesamtes in die Industrie, weitere 28 Prozent oder 148 TWh verbrauchen Handel und Gewerbe. Drei Prozent steuert der Verkehr bei, der Rest geht auf das Konto privater Verbraucher.

Industrie und Gewerbe verbrauchen mit Abstand den meisten Strom in Deutschland )
Foto: UBA / Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen

Die angestrebten bundesweiten Energieziele (20 Prozent erneuerbare Energien bei 20 Prozent weniger CO2-Ausstoß und 20 Prozent mehr Energieeffizienz bis 2020) lassen sich nur erreichen, wenn Industrie, Handel und Gewerbe ihre Hausaufgaben machen. Daran sind sie auch aus eigennützigen Motiven interessiert: Nur Großverbraucher ab dem zweistelligen Megawattbereich kommen in den Genuss von Mengenrabatten, während jeder Kleinbetrieb und auch so manches mittlere Unternehmen die Steigerungen der Strompreise wie die privaten Verbraucher zu spüren bekommt. Gravierend wirken sich hohe Preise bei Strom und anderen Energieträgern vor allem in Branchen aus, in denen regelmäßig Materialien erhitzt, geschmolzen, abgekühlt oder aufwändig verformt werden müssen, also etwa in der Chemie- und Metall-, aber auch in der Nahrungsmittelindustrie.

Stromsparen in der IT

Der Joulex Energy Manager eignet sich für das Energiemanagement von IT- und Office-Umgebungen sowie für das Gebäudemanagement kommunikationsnetzfähiger Systeme.
Foto: Joulex

Wegen des hohen Energieverbrauchs der Rechenzentren wurde in den vergangenen Jahren in diesem Kontext zunächst die Rolle der IT diskutiert. Ein Maß dafür ist die PUE (Power Usage Effectiveness), die noch vor fünf Jahren in kommerziellen Rechenzentren regelmäßig zwischen 2 und 3 schwankte. Das heißt, das eigentliche Rechnen verbrauchte nur die Hälfte bis ein Drittel der genutzten Energie, der Rest entfiel auf das Drumherum: Kühlung, Klimatisierung, Sicherung etc. Modernste Rechenzentren kommen heute auf PUE-Werte zwischen 1,3 und knapp über 1. Weitere Einsparpotentiale versprechen in Zukunft Virtualisierung, eine enge Anbindung von Rechenzentren ans Energieerzeugungssystem, RZ-übergreifende Lastkopplung und –verlagerung oder auch energieeffizientere Software. Hier steht die Entwicklung noch am Anfang. Wer in der IT-Infrastruktur sparen will, kann Systeme wie den Joulex Energy Manager von Cisco nutzen. Die Lösung eignet sich auch für das Gebäudemanagement, so lange die zu verwaltenden Elemente über Netzwerke angesteuert werden können. DCIM-Lösungen (Datacenter Information Management) holen das Optimum bei geringstmöglichen Verbräuchen aus der RZ-Infrastruktur. Anbieter von IT-Stromversorgung und Schaltschränken, darunter etwa APC, Rittal oder Emerson, aber auch viele Softwareunternehmen mit Schwerpunkt IT-Management, haben inzwischen DCIM-Software im Angebot.

Software hilft beim Energiemanagement

Ebenso hilft IT hilft dabei, Energie in anderen Unternehmensbereichen zu sparen. Beispielsweise in Gestalt sogenannter Energiemanagementsysteme (EMS). Wichtigstes Anwendungsfeld dieser Systeme ist heute die Befreiung der Unternehmen von der Ökostromumlage nach § 40/41 EEG. Unternehmen, die eine Befreiung beantragen wollen, müssen im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr mindestens 1 GWh Strom verbraucht haben (§41 Ia), der Stromverbrauch muss mindestens 14 Prozent der Bruttowertschöpfung ausmachen (§41 Ib), das Unternehmen muss EEG-Umlage zahlen (§41 I c) und im internationalen Wettbewerb stehen (§ 40 EEG). Weiterhin muss sich das Unternehmen, sofern es mehr als 10 GWh (Gigawattstunden) jährlich verbraucht, zertifizieren. Dabei muss es anhand umfangreicher Angaben nachweisen, welche Stromeinsparpotentiale vorhanden sind und geplante jährliche Verbesserungen nennen.

Die Zertifizierung erfolgt nach DIN ISO 500001 und muss schriftlich durch eine Zertifizierungsstelle belegt werden (§ 42 EEG). Hierfür kommt immer öfter spezialisierte Software, sogenannte Energiemanagement-Systeme, zum Einsatz. Unabhängig davon helfen EMS-Softwarelösungen, Einsparpotenziale sichtbar zu machen, erfolgte Einsparungen nachzuverfolgen und zukünftige Maßnahmen im Blick zu halten. Ob sich die Mühen um die Befreiung lohnen, zeigt ein Stromsteuer-Berechnungstool der IHK Westfalen-Lippe in Detmold zum kostenlosen Download.

Energiesteuer-Berechnungstool

„Energiemanagement setzt sich nur langsam durch“, berichtet Jochen Ohligs, Energieeffizienz-Lotse bei der IHK Mittlerer Niederrhein
Foto: IHK mittlerer Niederrhein

Rund 2000 Unternehmen sind, so Jochen Ohligs, Energieeffizienz-Lotse bei der IHK Mittlerer Niederrhein, bereits zertifiziert, wobei ein EMS die Audits erleichtert. Allerdings steht die Ökoabgaben-Befreiung derzeit politisch unter Beschuss – möglicherweise gilt sie vor den europäischen Instanzen als unerlaubte Subvention und müsste dann abgeschafft werden. Wer also jetzt daran denkt, in ein EMS zu investieren, sollte dies unabhängig von einer geplanten Zertifizierung entsprechend dem EEG planen. Sonst ist die Enttäuschung groß, wenn die Befreiung von der Ökostrom-Umlage aus EU-rechtlichen Gründen wegfallen sollte. „Bislang setzt sich Energiemanagement ohne den EEG-Aspekt erst langsam durch, aber das ändert sich mit steigenden Stromkosten“, meint Ohligs. Die Anbieter von EMS-Software dürften von dem Trend profitieren.

Energiemanagement: Im Mittelstand fehlt das Personal

Besonders knifflig, das weiß Gerd Marx, Leiter Energieberatung für Unternehmen und Kommunen bei der Energieagentur NRW, ist das Thema Energiemanagement für Mittelständler. „Firmen mit wenigen hundert Mitarbeitern haben für diese Aufgaben kein Personal. Meist kauft der Geschäftsführer oder Prokurist Energie ein, und der Produktmanager ist gleichzeitig der Energiemanager.“ Deshalb sei es nicht sinnvoll, hier gleich mit der Auswahl eines möglicherweise teuren, IT-gestützten Energiemanagementsystems zu beginnen. Vielmehr sollten sich Unternehmen erst einmal beraten lassen.

Wie qualifiziert eine Beratung ist, lässt sich weniger an Kurszertifikaten oder Ähnlichem ablesen sondern an Referenzen. „Wichtig ist, dass die Berater die Prozesse der betreffenden Branche genau kennen“, meint Marx. Ein Beispiel für neutrale Beratung sind die Energielotsen bei der IHK, die vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gefördert werden. Energieberater müssen qualifiziert und neutral sein – an Softwarehersteller gebundene Berater missverstehen ihre Aufgabe leider oft als Verkaufsförderung für das firmeneigene EMS-Produkt.

Für Energieberatung durch qualifizierte Berater und die anschließende Umsetzung gibt es Fördermittel. So fördert beispielsweise die KfW bei Unternehmen bis 250 Mitarbeitern eine zweitägige Initialberatung, die 800 Euro Tagessatz kostet, mit 80 Prozent, eine zehntägige Detailberatung mit 60 Prozent. Rund 8000 Unternehmen beanspruchen diese Förderung jährlich. Als Ergebnis der Beratung werden Einsparmaßnahmen festgelegt, die jährlich zu überprüfen sind. Hier kommen die klassischen EMS zum Einsatz: Sie lesen die Daten aus den Zählern oder bei Handerfassung aus entsprechender Software aus und verdichten sie zu aussagekräftigen Report-Formaten. Für eine EMS-Software gibt es aber keine Subventionen.

Wird ein dauerhafter Einsparprozess ins Auge gefasst, sollten sich kleine und mittelständische Betriebe überlegen, ob sie gleich in eine Spezialsoftware investieren oder zumindest anfangs mit Bordmitteln wie Excel arbeiten möchten. Was der bessere Weg ist, muss individuell ermittelt werden. Eine mittelständische Molkerei mit einem dreistelligen Millionenumsatz, die gern ungenannt bleiben möchte, schwört auf eine selbst entwickelte EMS-Lösung, die Daten aus dem Prozessleitsystem in Excel einspeist. Das Investitionsvolumen beziffert das Unternehmen auf 8000 Euro; eine Softwarelösung von der Stange, die wirklich alles umfasse, was man brauche, sei erheblich teurer. Der Betrieb plant vorläufig mit steigenden Energieverbräuchen, obwohl pro Kilo Michprodukte jährlich 1,5 Prozent weniger Energie eingesetzt werden soll.

„Office und Excel sind viel zu umständlich“, meint Enrico Sonnefeld, Leiter Instandhaltung beim Aluminiumverarbeiter Alupress GmbH
Foto: Alupress

Ganz anders sieht das Enrico Sonnefeld, Leiter Instandhaltung beim Aluminiumverarbeiter Alupress GmbH Hildburghausen mit Stammsitz in Brixen (Italien), der insgesamt 970 Mitarbeiter beschäftigt. „Wir sind mit Office und Excel ins Energiemanagement eingestiegen, haben aber bald festgestellt, dass der Aufwand hiermit sehr hoch war, um bei einem Zertifizierungs-Audit alle benötigten Daten bereitzustellen zu können. Man braucht eine Lösung, in die die Energiemanagement-Terminologie bereits eingepflegt ist“, meint er. Inzwischen nutzt das Unternehmen das EMS Interwatt von Ingsoft.

Was muss ein EMS können?

Hat man sich entschieden, in ein Energiemanagementsystem (EMS) zu investieren, ist zunächst zu überlegen, was das System können muss. Weil Energiemanagement letztlich in alle Bereiche des Unternehmens eingreift, empfiehlt sich bei der Erstellung eines Pflichtenheftes auf jeden Fall die Einbindung der betroffenen Fachbereiche zusätzlich zur IT. Einige Beispiele für wichtige Themen bei der Anforderungsdefinition:

Wie viele Messpunkte, also Lieferanten von Verbrauchswerten, die dann in das System eingespeist werden, sind erforderlich?

Sollen vorläufig nur die zwei oder drei wichtigsten Verbraucher gemessen werden oder gleich alles, was im Unternehmen Energie, also Strom und Wärme, verbraucht?

Der EMS-Markt ist unübersichtlich

Das EMS Interwatt von Ingsoft kann Daten aus den unterschiedlichsten Quellen einlesen, analysieren und verdichten.
Foto: Alupress

Die Anbieterauswahl gestaltet sich knifflig. Denn der EMS-Markt ist zersplittert und unübersichtlich. Viele Anbieter haben ihn erst kürzlich für sich als neues Gebiet entdeckt und kommen eigentlich aus anderen Bereichen – Beispiele sind Energiedienstleistung, Softwareerstellung im Allgemeinen oder Sensortechnik. Nur wenige Hersteller können langjährige Erfahrung vorweisen, und oft sind die Kundenreferenzen auf wenige Branchen und Kunden beschränkt. Zu den Neulingen gehört beispielsweise Init Online, nicht zu verwechseln mit dem fast gleichnamigen Anbieter von Software für das Verkehrsmanagement. Fünf Kunden nutzen laut Burkhard Weber, geschäftsführender Gesellschafter, bisher das Online-EMS des Anbieters, der damit seit rund drei Jahren am Markt ist. Es eignet sich für Implementierungen ab rund 2000 Zählpunkten.

Der Online-EMS-Marktspiegel der EnergieAgentur NRW hilft, den richtigen EMS-Anbieter für die individuellen Anforderungen des eigenen Unternehmens zu finden.
Foto: EnergieAgentur NRW

Bei der Anbieterauswahl sollten Unternehmen auch weiche Kriterien außerhalb des rein Fachlichen beachten: Wer möchte schon gern ein komplexes EMS einkaufen und an die übrige Infrastruktur anschließen, wenn der Anbieter nach wenigen Jahren wieder aus dem Geschäft aussteigt, keinen zuverlässigen oder einen zu teuren Support bietet oder aber sein Produkt nicht regelmäßig weiterentwickelt? Auch eine gewisse Skalierbarkeit sollte das EMS-Produkt bieten. Trotz Cloud-Zeitalter ist es gerade bei engen Verknüpfungen des EMS etwa mit der in der Regel höchst individuellen Produktionsinfrastruktur durchaus sinnvoll, wenn ein Vertreter des Softwareanbieters auch einmal beim Kunden vor Ort die Verhältnisse begutachtet, statt sich ausschließlich auf Web-Aktivität zu beschränken. Andererseits sollten Anbieter ihre Kunden nicht zwingen, teure Energieberatungsstunden zu kaufen, wenn sie die Beratung schon anderweitig, etwa von einer neutralen Stelle bezogen haben. Hilfreich sind nach einer internen Anforderungsanalyse Übersichten wie der EMS-Marktspiegel der Energieagentur NRW. Hier kann man das umfassende EMS-Angebot zielgerichtet mit den eigenen Anforderungen abgleichen.

Was darf Energiemanagement kosten?

Das Budget für ein EMS-Projekt birgt einige Unsicherheiten. Unter 10.000 Euro wird man kaum davonkommen, nach oben sind die Grenzen offen. Die eigentliche Software macht oft nur einen geringen Teil der gesamten Kosten aus. Oft müssen an vielen Stellen neue Zähler installiert und entsprechend verkabelt werden. Diese Kosten gehören nicht zur Software, wohl aber zum Projekt. Zudem fallen Arbeitsstunden für die Programmierung von Anwendungsschnittstellen oder andere Anpassungs- und Integrationsmaßnahmen an. Darüber hinaus sind die Kostenmodelle der Softwareanbieter in sich schon komplex. Preiskalkulationen der EMS-Anbieter fußen meist auf der Zahl der Messpunkte. Hinzu können aber zahlreiche andere Faktoren kommen, beispielsweise Einstellgebühren für Daten im Web, pauschale Servicegebühren pro Zeiteinheit bei Cloud-Services oder Gebühren nach der Zahl der bedienten Anwender oder Anfragen. Am einfachsten lassen sich Preise vergleichen, wenn man für jeden Anbieter die gesamten Projektkosten als Vergleichsbasis heranzieht.

Fazit: Energiemanagement ist eine Daueraufgabe

Wer ernsthaft Energiemanagement betreiben will, sollte das Thema als Daueraufgabe betrachten und nicht nur auf einen schnellen Return on Investment (ROI) schielen. Das Thema Energiemanagement und EMS braucht einen Befürworter auf der höchsten Führungsebene und ein interdisziplinäres Projektteam, das gemeinsam anhand der vom EMS-System ausgewerteten Daten und der Prozesse im Unternehmen Einsparziele bestimmt und misst, ob sie erreicht wurden. Die Einsparpotentiale sind vielen Entscheidern noch gar nicht bewusst. Alupress hat sich beispielswese ein Einsparziel von 30 Prozent beim Strom- und 25 Prozent beim Gasverbrauch bis 2020 gesteckt. „Wir orientieren uns damit an den Bundesvorgaben und passen unsere Maßnahmen laufend an“, berichtet Manager Sommerfeld. Mithilfe des EMS könne man den Fortschritt kontrollieren und ständig auf dem Laufenden bleiben. (wh)