Wenn das Wochenende naht

Endlich Freitag! Endspurt oder Ausklang?

17.09.2010 von Judith-Maria Gillies
Am Freitag scheiden sich in Deutschlands Büros die Geister. Chefs sehen ihn als vollen Arbeitstag, bei Mitarbeitern bricht das Wochenendfieber aus. Wir zeigen, wie der Drahtseilakt zwischen Output und Auszeit klappt.

Markus Peuler sagt einen Satz, der typisch ist für Chefs: "Freitage sind bei uns ganz normale Wochentage." Der Mit-Geschäftsführer der Fox Mobile Group in Berlin verweist auf die internationalen Verflechtungen des Klingeltonanbieters. Wenn der Arbeitstag in Berlin endet, kommen die Kollegen in Kalifornien erst ins Büro. "Gerade standortübergreifende Projekte erfordern auch an Freitagen die reguläre Anwesenheit der Mitarbeiter", so Peuler.

Im Gedanken schon woanders: Für viele Mitarbeiter ist der Freitag eindeutig ein besonderer Arbeitstag. (Bildquelle: Fotolia, Niceshot)
Foto: Fotolia, Niceshot

Stimmt das? Sind Freitage tatsächlich normale Arbeitstage? Weit gefehlt. Der letzte Wochenarbeitstag wirft vielmehr Probleme auf. Die Herausforderung lautet: Wie lassen sich Freitage so gestalten, dass gleichzeitig die Beschäftigten bei Laune und die Arbeitsleistung im Soll gehalten werden?

"Im Freitag liegt innerbetrieblicher Zündstoff für Diskussionen", sagt Christian Schlottfeldt, Arbeitsrechtler und Consultant bei der Berliner Arbeitszeitberatung Dr. Hoff Weidinger Herrmann. Das Problem der Betriebe ist schnell umrissen: Arbeitnehmer wollen früh in den Feierabend starten, Arbeitgeber wollen auf den Umsatz nicht verzichten.

Entspannung
Typ1: Wer ermüdet ist,
braucht Regeneration im Urlaub.
Typ 2: Wem die Routine im Berufsalltag stresst,
sollte für Abwechslung im Urlaub sorgen.
Typ3: Wer unter Stress leidet,
braucht dringend Entspannung.
Typ 4: Wer Frust und Ärger im Job verspürt,
braucht in seiner Auszeit Erfolgserlebnisse.
Zeit für sich allein
Menschen, die nur noch für ihren Job brennen, wissen nicht, was ihnen guttut. Deswegen kann es hilfreich sein, vor dem Sommerurlaub mit der Familie ein paar Tage nur für sich zu haben. Wenn das nicht geht: Zeiten vereinbaren, in denen man sich zurückziehen kann. Spazieren gehen, in der Sonne liegen, über den Wochenmarkt streifen.
Ein medizinischer Check-Up...
sollte folgende Fragen klären: Stimmen die Blutwerte, wie hoch ist das Herzinfarktrisiko, was machen die inneren Organe und der Stoffwechsel? Stimmt das biologische mit dem tatsächlichen Alter überein? Wie hoch sind der Stresspegel und die mentale Leistungsfähigkeit? Was machen der Rücken und die körperliche Flexibilität?
Welche Nährstoffe....
fehlen dem Körper? Welcher Sport ist ideal?
Nach dem Urlaub weitermachen
Mit der Familie frühstücken, meditieren oder eine Runde um den Block laufen - wer sich morgens positiv auf den Tag einstimmt, hat nicht das Gefühl, von früh bis spät fremdgesteuert zu sein, und bleibt nach dem Urlaub länger gelassen.
Zeitfresser enttarnen
Wer täglich zwei Stunden mit Kollegentalk, Netzwerken auf Xing und E-Mails beantworten befasst ist, sollte genau hinschauen: Was davon bringt mich wirklich weiter? Wie viele Personen müssen wirklich auf cc gesetzt werden?
Neuer Umgang mit E-Mails
Übung: Mails nur alle drei Stunden und nicht alle 15 Minuten abfragen und beantworten.
Finger weg vom Mountainbike
Wer erschöpft und gestresst ist, sollte nicht mit dem Mountainbike über die Alpen preschen.

Lange Zeit setzte ein Großteil der Unternehmen auf das Modell Gleitzeit. Das Problem: "Gleitzeitregelungen wurden von den Mitarbeitern vor allem dazu genutzt, besser ins Wochenende zu gleiten. Ab Freitagmittag war keiner mehr erreichbar", erzählt Gerhard Bosch, Leiter des Instituts Arbeit und Qualifikation in Gelsenkirchen (IAQ). Das hat sich mittlerweile geändert. Heute hält - der Kundenorientierung sei Dank - oft eine Grundbesetzung bis 18 Uhr die Stellung.

Dienstag mit Freitag vergleichen

Doch Anwesenheit allein reicht nicht immer aus. 28 Prozent ihrer Zeit, so errechnete die Frankfurter Produktivitätsberatung b-k-p Consulting mit Daten aus 24 Firmen, verplempern Angestellte freitags mit Unproduktivem wie etwa Kollegentratsch ("Und? Schon Pläne fürs Wochenende?"). Dienstags oder mittwochs verbummeln die Mitarbeiter nur die Hälfte der Zeit mit solchen Aktivitäten.

B-k-p-Geschäftsführer Thomas Kremer empfiehlt IT-Chefs, die Ergebnisse des Teams an allen Wochentagen zu messen. Im First-Level-Support etwa kann man die Zahl der bedienten Kunden vor Ort oder am Telefon zählen. Bei Projekten lassen sich die dem Kunden abgerechneten Stunden kontrollieren.

Kremer rät, sich an den Kollegen aus der Produktion ein Beispiel zu nehmen. Dort liege die Produktivität freitags genauso hoch wie an anderen Wochentagen.

Kaum Zahlen bekannt

Derartige Berechnungen stellt sonst kaum jemand in Deutschland an. Erstaunlicherweise führen weder Statistikbehörden noch Arbeitgeberverbände oder die Betriebe selber Buch über ihre Produktivität nach Wochentagen. Auch die Aufteilung von Telearbeit und Teilzeit zwischen Montag und Freitag bleibt hierzulande im Dunkeln. "Bei Tarifverhandlungen wird lang und breit über dreiprozentige Arbeitszeiterhöhungen debattiert", so Kremer, "dabei könnte man viel mehr Produktivität erreichen, wenn an den Randtagen Montag und Freitag produktiver gearbeitet würde."

Die Unternehmen selber sehen freilich keinen Handlungsbedarf. Sie appellieren vielmehr an die eigenverantwortliche Zeiteinteilung ihrer Mitarbeiter. Beispiel allesklar.com: "Wir erwarten, dass unsere Mitarbeiter 40 Stunden in der Woche arbeiten. Wie sie das einteilen, ist weitgehend ihnen überlassen", so Manfred Stegger, Gründer und Vorstandsvorsitzender des Internet-Medienunternehmens in Siegburg bei Bonn.

Ähnlich klingt es auch aus anderen Branchen. Fragt sich nur, wer dann eigentlich die Staus an Freitagnachmittagen verursacht. Denn die nachmittägliche Stoßzeit ist nach Berechnungen des ADAC an Freitagen bereits zwei Stunden früher erreicht als an anderen Wochentagen - nämlich schon gegen 15.30 Uhr statt zwischen halb sechs und sechs.

Chefetage nicht anders

Das Wochenendfieber bricht jedoch nicht nur auf den Autobahnen aus, sondern genauso auf den Chefetagen der Unternehmen. "Auch viele Manager empfinden es als Opfer, am Freitag genauso lange arbeiten zu müssen wie an anderen Wochentagen", sagt Arbeits- und Wirtschaftssoziologe Bosch vom IAQ. Der Freitagnachmittag gilt auch IT-Führungskräften als Tor ins Wochenende. "Trotzdem harren viele von ihnen am Schreibtisch aus, um durch die abgesessenen Stunden ihre Unersetzlichkeit zu demonstrieren", so Bosch.

"Wer Karriere machen will, kann es freitagabends am besten zeigen", sagt Arbeitszeitberater Schlottfeldt. "Da zählt es in den Augen der Chefs doppelt - nach dem Motto, Mensch, Herr Müller opfert sogar sein Wochenende`." Die üblichen Spielchen sind bekannt: Möglichst spät am Freitagabend geht noch eine E-Mail an einen Kunden raus - im cc selbstverständlich der Chef und möglichst viele Kollegen ("Respekt, Herr Kollege, freitags um neun Uhr abends noch im Büro!").

Geschäfte am Freitagnachmittag

Wer nicht das fragwürdige Lob seines Vorgesetzten im Blick hat, sondern die echte Anerkennung seiner Mitarbeiter, steht freitags vor ganz anderen Herausforderungen. Motivation trotz Ferienstimmung lautet die Führungsaufgabe. Am besten, man nutzt die Wochenendlaune seiner Mitarbeiter. "Die Vorfreude aufs Wochenende ist völlig okay. Sie darf nur nicht auf Kosten der Arbeit gehen", sagt Jörg Neumann von Neumann Zanetti & Partner Kommunikationstrainings in Luzern.

Neumann sieht die Arbeitswoche als Marathon, bei dem einem kurz vor Schluss nicht die Puste ausgehen darf. Im Gegenteil rät er, zusammen mit dem Team "einen fulminanten Endspurt hinzulegen". Denn wer die Woche mit einem großen Coup beendet, geht gut gelaunt in den Feierabend. Ebenfalls empfehlenswert: ein nachmittägliches "Frontscheiben-Meeting". In dem blickt die Abteilung gemeinsam auf die Herausforderungen der nächsten Woche - und kurz in den Rückspiegel der vergangenen. Was können wir lernen? Wie geht es voran?

Allesklar.com-Chef Stegger hat seine eigene Strategie entwickelt, den Freitag attraktiv zu machen: die erfolgsabhängige Bezahlung. Freitagnachmittage gelten bei vielen Kollegen als besonders lukrativ. Den Grund dafür kennt Stegger: "Mit den Kunden, die zu dieser Zeit anrufen, könne man besonders gut Geschäfte machen, berichten die Mitarbeiter."

Fahrplan für Freitage

Unser Fünf-Punkte-Plan sichert den gelungenen Einstieg ins Wochenende.

  1. Chefs verstehen: Nur weil Freitag ist, wollen Vorgesetzte nicht auf Umsatz verzichten. Das sollten alle Mitarbeiter akzeptieren. Einen lauen Lenz kann man sich ja direkt nach Feierabend machen - und zwar für zwei volle Tage!

  2. Einstellung tunen: Die Vorfreude aufs Wochenende ist okay. Sie darf nur nicht auf Kosten der Arbeit gehen. Nutzen Sie den Freitag also dazu, einen fulminanten Endspurt im Job hinzulegen. Wer um 17 Uhr noch einen Auftrag an Land gezogen hat, startet noch beschwingter ins Wochenende!

  3. Vertrauen entgegenbringen: Viele Unternehmen setzen auf Vertrauensarbeitszeit. Falls Ihres auch dazugehört: Zeigen Sie Ihrem Arbeitgeber, dass sein Vertrauen in Sie absolut gerechtfertigt ist. Der Beweis dafür lässt sich besonders gut an Freitagen antreten. Wer kurz vor dem Wochenende Arbeit wegschaufelt, statt Kollegen vollzuquatschen, sammelt Punkte beim Chef. Und darüber hinaus bekommt er gratis das gute Gefühl, etwas Produktives geleistet zu haben - was beim Tratsch in der Teeküche nicht möglich ist.

  4. Erreichbarkeit sichern: Klar wollen viele Kollegen ihre Überstunden besonders gern an Freitagen abbauen. Doch trotzdem muss vom Team eine Grundbesetzung anwesend sein. Vereinbaren Sie also mit der gesamten Mannschaft einen fairen Freitagsplan. Der ist dann Gesetz und nicht verhandelbar.

  5. Karriere ankurbeln: Wer am Freitagabend noch im Büro sitzt, demonstriert Einsatzfreude. Das ist bekannt. Damit aber Ihr Engagement nicht in reine Karrierespielchen ausartet, sollten Sie nicht nur körperlich anwesend sein. Also: zuerst konzentriert reinhauen, dann zielstrebig abhauen!

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation Computerwoche. (cvi)