Endlich alles integriert

27.04.2001
Um interne und externe Geschäftsprozesse elektronisch abzuwickeln, ist eine enge Integration der beteiligten Anwendungen nötig. Produkte für Enterprise Application Integration (EAI) sollen genau dies leisten. Die von NetworkWorld exklusiv veröffentlichte Studie untersucht, wie Unternehmen in Deutschland EAI nutzen und das Potenzial einschätzen.

Von: Giovanna Lo Presti

Die Suche nach geschäftsrelevanten Informationen frisst Zeit und Ressourcen, vor allem wenn einzelne Anwendungen nicht miteinander harmonieren. Gerade im Internet-Zeitalter ist es wichtig, mit dem Online-Geschäft verbundene Geschäftsprozesse effizient abzuwickeln. Ein schneller Zugang zu internen Informationen, die in verschiedenen Applikationen und Datenbanken abgelegt sind, ist jedoch bislang meist nicht möglich.

Um diese unbefriedigende Situation zu verbessern, ist eine Integration der unterschiedlichen Systeme nötig mit dem Ziel, die Applikationen optimal miteinander zu verbinden. Bisher wurden sie meist über eine aufwändige Programmierung von Punkt-zu-Punkt-Schnittstellen miteinander verknüpft. Jede neue Applikation erforderte eine neue Programmierung. Mit der Zeit entstehen dadurch viele sich überkreuzende und redundante Verbindungen über diverse Systeme hinweg, die von der Gartner Group treffend als "Application Spaghetti" bezeichnet wurden: schwer zu pflegen, langsam und unflexibel. Abhilfe schaffen integrierte Lösungen, wie sie mit Enterprise Application Integration (EAI) möglich werden. Durch ihren Einsatz lassen sich bestehende Systeme mit neuen Anwendungen integrieren und damit alte Applikationen weiter nutzen.

Systeme zusammenbringen

Mit Enterprise Application Integration sollen sich neue Applikationen einfacher in vorhandene Umgebungen einfügen lassen. Die Grundlage bildet eine intelligente Middleware, die heterogene Computer, Netzwerke und Anwendungen miteinander verbindet. Dadurch soll ein reibungsloser Ablauf von Geschäftsprozessen möglich werden. EAI integriert sowohl neue Internet-Anwendungen als auch Enterprise Resource Planning (ERP), Customer Relationship Management (CRM) oder Supply Chain Management (SCM) in vorhandene Systeme. Der Nutzen liegt auf der Hand: Lösen der Schnittstellenproblematik, größere Flexibilität durch eine hohe Anpassungsfähigkeit an wirtschaftliche Entwicklungen, Tracking und Fakturierung der Datenflüsse sowie Kosteneinsparungen durch die Automatisierung von Geschäftsprozessen. Bei alledem kann der Anwender sich nach wie vor auf seine bisherigen Systeme stützen.

Der Einsatz von EAI bietet also eine ganze Reihe von Vorteilen. Die Networks Technologie Marketing GmbH hat in einer Studie untersucht, wie Unternehmen in Deutschland dieses Konzept einschätzen, ob sie bereits mit derartigen Lösungen arbeiten und wo sie die Nachteile sehen. Im Februar und März befragten die Marktforscher hierzu 210 Unternehmen der deutschen Wirtschaft. Von diesen haben 55 Prozent 1000 und mehr Mitarbeiter, 34 Prozent beschäftigen 500 bis 999 Arbeitnehmer und 9 Prozent zählen 250 bis 499 Arbeitsplätze. Kleinere Unternehmen waren mit zwei Prozent vertreten.

Einsatz, Planung und Ablehnung

Bei der Befragung stellte sich heraus, dass lediglich 17 Prozent der Unternehmen Enterprise Application Integration nutzen. Diese niedrige Zahl hängt vermutlich damit zusammen, dass das EAI-Thema noch relativ neu ist. Der Großteil von 83 Prozent hat noch keine derartigen Produkte im Einsatz.

Immerhin planen 31 Prozent der Befragten, künftig EAI-Lösungen einzusetzen. In dieser Gruppe haben 47 Prozent noch keinen Zeitrahmen für die Planung definiert. Eine Einführung innerhalb der nächsten sechs Monate beabsichtigen 14 Prozent. 27 Prozent wollen EAI bis in 24 Monaten implementiert haben. Weitere zwölf Prozent gaben an, eine derartige Lösung in noch fernerer Zukunft einzusetzen.

Von der Gesamtheit der EAI-Planer haben 58 Prozent bislang keine Budgetierung vorgenommen. 61 Prozent wissen noch nicht, welche EAI-Systeme für ihr Unternehmen in Frage kommen. Diejenigen, die sich bereits mit der Auswahl eines Anbieters befassen, konzentrieren sich auf drei Hersteller: Crossworlds (27 Prozent), SAP (18 Prozent) und IBM (9 Prozent).

Bei den Unternehmen, die bereits EAI einsetzen, kommt Disos mit 14 Prozent auf den höchsten Anteil. Knapp dahinter finden sich mit elf Prozent bereits die Eigenentwicklungen. Dieser hohe Anteil ist ein Beleg dafür, dass beim Einsatz einer EAI-Lösung zahlreiche, oft komplexe Individualbedürfnisse beachtet werden müssen. Weitere neun Prozent vertrauen dem Softwareriesen SAP. Andere Anbieter wurden jeweils mit drei Prozent genannt. Die große Mehrheit der EAI-Anwender - stolze 89 Prozent - ist sehr zufrieden mit dem erzielten Ergebnis.

Diejenigen Unternehmen, die EAI nicht nutzen wollen, begründen dies unterschiedlich. 37 Prozent sprechen von einem geringen Bedarf und sehen deshalb keinen Anlass, sich weiterhin mit dem Thema zu beschäftigen. 20 Prozent verweisen darauf, dass sie andere Sorgen haben beziehungsweise die Prioritäten auf vorrangige Projekte verteilen. Für fünf Prozent sind die Anschaffungskosten der größte Hemmschuh. Als weitere Ablehnungsgründe wurden Kostenfaktoren wie Personal- oder Schulungsaufwand sowie die fehlende Benutzerfreundlichkeit genannt. Ein Drittel der befragten Unternehmen führt sonstige Gründe an, die sich in Äußerungen niederschlagen wie beispielsweise: "Wir brauchen keinen Schnickschnack."

Des Weiteren wird darauf verwiesen, dass die Möglichkeiten noch nicht ausreichend bekannt seien und EAI wohl nicht mit der rasanten Entwicklung der IT Schritt halten könne (31 Prozent). Weiterhin sind 32 Prozent der Meinung, sie hätten keine Schnittstellenprobleme, da sie vollständig auf SAP R/3 eingerichtet sind, zudem die peripheren Systeme schon integriert seien beziehungsweise alles bereits einwandfrei funktioniere. Acht Prozent setzen auf Eigenlösungen, weil sie die Standardsysteme für unflexibel halten.

Kandidaten für die Integration

Zu den Anwendungen, die sich mit EAI-Lösungen gewinnbringend integrieren lassen, zählen unter anderem ERP, CRM und Data Warehouse. Viele Unternehmen setzen diese Applikationen unabhängig von EAI ein. Networks fragte, welche dieser Systeme bereits über eine Integrationslösung verbunden sind. Mit 17 Prozent am häufigsten genannt wurden ERP-Systeme. Weitere fünf Prozent der Befragten planen eine derartige Verbindung. Bei CRM-Lösungen haben zehn Prozent bereits eine Anbindung realisiert, lediglich ein Prozent planen dies. Data-Warehouse-Systeme haben acht Prozent der befragten Unternehmen mit Hilfe von EAI integriert. Zwei Prozent haben dies konkret ins Auge gefasst. Im E-Commerce-Bereich haben sieben Prozent eine Anbindung durchgeführt, weitere zwei Prozent sehen darin für die Zukunft eine Notwendigkeit. SCM- und B-to-B-Applikationenen sind zu jeweils sechs Prozent integriert, ein beziehungsweise zwei Prozent planen derartige Projekte.

Für und Wider

Im Rahmen der Studie wurden die IT-Verantwortlichen auch nach den Vor- und Nachteilen des EAI-Konzepts befragt. Bei den Vorteilen ergab sich folgendes Ranking: An erster Stelle steht der reibungslose Informationsfluss, der von 42 Prozent als wesentlicher Vorteil eingestuft wird, sowie der Echtzeitzugriff auf Informationen mit 40 Prozent. Eine Verbesserung des Kundenservices und der Wettbewerbsfähigkeit versprechen sich 36 Prozent. Die durch EAI möglichen Kosteneinsparungen sehen 32 Prozent als Vorteil. Mit jeweils 31 Prozent folgen die höhere Flexibilität der IT bei der Erstellung neuer Applikationen, bei Änderungen von Geschäftsprozessen und durch den Wegfall von Ausfallzeiten. Knapp dahinterkommen Skalierbarkeit und geringere Kosten für Service und Wartung (jeweils 30 Prozent). Als weitere Vorteile werden eine homogenere IT-Landschaft (29 Prozent) und die kurze Implementierungszeit (25 Prozent) genannt.

Als größte Hemmschwelle für eine Integration mit Hilfe von EAI-Lösungen sehen 32 Prozent der Befragten die Anschaffungskosten. 27 Prozent scheuen Schulungs- und Zeitaufwand. Mangelnde Sicherheitsstandards befürchten 24 Prozent. Beim Personalaufwand sind 17 Prozent der Meinung, dass dies ein Nachteil ist, 18 Prozent zeigten sich in diesem Punkt unentschlossen. 16 Prozent glauben, dass auch EAI nur Point-to-Point-Lösungen erlaube, 10 Prozent sind hier unentschlossen. Als sonstige Nachteile wurden genannt, dass mit EAI Altsysteme beibehalten werden müssen und jeder Mitarbeiter Zugriff auf alle Lösungen erhalte.

Bei der Bewertung der Antworten zu den Vor- und Nachteilen ist zu beachten, dass sich im Schnitt jeweils rund 50 Prozent der befragten Ansprechpartner einer Beurteilung enthielten. Dies deutet darauf hin, dass sich viele bezüglich EAI noch sehr unsicher sind.

Kriterien für die Produktwahl

Der Markt für EAI-Produkte befindet sich im Wachstum und beginnt sich langsam zu strukturieren. Kein Hersteller kann behaupten, die gesamte Palette möglicher EAI-Werkzeuge anzubieten. In Deutschland offerieren zurzeit mehr als 20 Unternehmen derartige Lösungen. Die Auswahl des Anbieters will wohl überlegt sein. Dabei spielen unterschiedliche Anforderungsprofile und Auswahlkriterien eine Rolle. Ganz oben auf der Bewertungsskala steht bei potenziellen Kunden mit 66 Prozent der angebotene Service. Etwa auf gleicher Höhe liegen das Preis-Leistungs-Verhältnis (63 Prozent) und die Erweiterbarkeit der Lösung beziehungsweise der Reifegrad der Technik (61 Prozent). Auf dem vierten Platz rangieren mit 52 Prozent die Referenzen und der Bekanntheitsgrad. Die räumliche Nähe eines Anbieters spielt nur eine untergeordnete Rolle. Als sonstige Auswahlkriterien wurden unter anderem Zuverlässigkeit, Kommunikationsfähigkeit sowie Schnelligkeit und Flexibilität genannt.

Bei den Anforderungen an eine EAI-Lösung wurde die Automatisierung der Geschäftsprozesse mit 36 Prozent der Nennungen als wichtigster Aspekt erachtet. Kosteneinsparungen, bessere Kundenbeziehungen sowie höhere Wirtschaftlichkeit und Produktivität gaben jeweils 27 Prozent der Befragten als entscheidende Kriterien an. Eine dauerhafte Optimierung der integrierten Applikationen wünschen sich 25 Prozent. Auf die Ausfallsicherheit setzen 24 Prozent der Unternehmen den Fokus. 23 Prozent sind der Meinung, dass die Informationen in Echtzeit abrufbar oder zumindest eine ausreichende Transparenz gewährleistet sein sollte. Ergänzend dazu sprachen sich 20 Prozent dafür aus, die Informationsbestände für neue Benutzergruppen zugänglich zu machen. Zehn Prozent der Befragten gaben an, sich durch EAI neue Ertragsquellen zu erschließen.

Meinungen der Befragten

Der Großteil der befragten Unternehmen wollte noch kein abschließendes Urteil über Enterprise Application Integration fällen. Die geäußerten Meinungen geben zumindest ein Stimmungsbild wieder, wie EAI-Projekte derzeit in Deutschland eingeschätzt werden. Viele Anwender sehen entweder keinen Bedarf oder haben sich mit dem Thema bislang nicht auseinander gesetzt. Einige Unternehmen setzen selbst entwickelte Lösungen ein und benötigen deshalb keine zusätzlichen Produkte. Andere sind mit der Realisierung wichtiger Projekte beschäftigt und hatten noch keine Gelegenheit, sich näher mit dem Thema zu befassen. Vielerorts herrscht noch Skepsis. Man traut EAI nicht zu, die über lange Jahre gewachsenen Softwaresysteme zu integrieren. Einige zweifeln die Umsetzbarkeit und die Vorteile an, beispielsweise die Kosteneinsparung und den reibungsloseren Informationsfluss. Andere kritisieren die Anbieterseite und die unzureichende Kompatibilität der Schnittstellen. Trotz der vielfach neutralen und vereinzelt negativen Meinungen können sich viele Unternehmen vorstellen, dass EAI auf lange Sicht erfolgreich sein wird und die Integration der Systeme langfristig gelingt.

Den neutralen bis negativen Bewertungen stehen positive Äußerungen derjenigen gegenüber, die bereits eine Integrationslösung einsetzen oder dies planen. Sie betrachten EAI als sinnvolle und notwendige Ergänzung und sind sehr zufrieden mit dem Einsatz dieser Produkte. Die meisten Unternehmen, die sich intensiv mit dem Konzept beschäftigen, sind von seinen Vorteilen überzeugt. Viele der in der Studie Befragten haben sich jedoch bislang nicht mit dem Thema auseinandergesetzt. Um EAI als festen Bestandteil der Unternehmens-IT zu etablieren, ist deshalb noch viel Überzeugungsarbeit notwendig. Die vollständige Studie der Networks GmbH ist erhältlich unter Tel. 06 21/87 85-1 62 oder E-Mail: elsa.david@networks.de. (cl)

Zur Person

Giovanna Lo Presti

ist bei der Networks Technologie Marketing GmbH in der Abteilung Marktforschung tätig.